Papst Franziskus hat Paul VI. seliggesprochen

"Ein großer Steuermann"

Veröffentlicht am 19.10.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Seligsprechung

Vatikanstadt ‐ Mit einer Festmesse im Vatikan hat Papst Franziskus am Sonntag seinen Vorgänger Paul VI. (1963-1978) seliggesprochen. Dieser habe es in einer schwierigen Phase verstanden, weitblickend, weise "und manchmal einsam" die Kirche zu leiten, sagte Franziskus. Paul VI. sei ein großer Papst, ein mutiger Christ und ein unermüdlicher Apostel, dem die Kirche Dank schulde.

  • Teilen:

Der Gottesdienst mit rund 70.000 Menschen auf dem Petersplatz bildete zugleich den Abschluss der Bischofssynode, die seit dem 5. Oktober über Fragen zu Ehe und Familie beraten hatte. Unter den Teilnehmern war auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. Er kam in Begleitung seines Privatsekretärs Erzbischof Georg Gänswein und wurde auf dem Petersplatz mit Applaus begrüßt. Während der Zeremonie und dem anschließend Gottesdienst saß er in der ersten Reihe unter den Kardinälen. Franziskus begrüßte ihn mit einem kräftigen Händedruck.

Bild: ©KNA

Franziskus begrüßt den emeritierten Papst Benedikt XVI. bei der Seligsprechung von Paul VI. auf dem Petersplatz.

Der emeritierte Papst ist einer von drei noch lebenden kirchlichen Würdenträgern, die von Paul VI. ins Kardinalskollegium aufgenommen wurden. Paul VI. verlieh dem damaligen Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger am 27. Juni 1977 die Kardinalswürde. Benedikt XVI. hatte im April auch der Heiligsprechung der beiden Päpste Johannes XXIII. (1958-1963) und Johannes Paul II. (1978-2005) beigewohnt. Zuletzt war er Ende September öffentlich aufgetreten, als er an einer Begegnung des Papstes mit Senioren auf dem Petersplatz teilnahm. Bei seinem Rücktritt im Februar 2013 hatte er angekündigt, fortan zurückgezogen im Vatikan leben zu wollen.

Langer Applaus bei Enthüllung des Porträts

Langer Applaus kam auf, als Franziskus die offizielle Erhebungsformel sprach und am Petersdom ein Porträt enthüllt wurde, das Paul VI. mit rotem Umhang und ausgebreiteten Armen zeigt. Dazu wurden Reliquien des neuen Seligen zum Altar getragen: ein blutbeflecktes Hemd, das Paul VI. 1970 bei einem Attentatsversuch auf den Philippinen getragen hatte. Damals wurde er von einem offensichtlich geistesgestörten Mann mit einem Messer verletzt.

Paul VI. sei der "große Steuermann" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) gewesen, sagte Franziskus. "Während sich eine säkularisierte und feindliche Gesellschaft abzeichnete, hat er es verstanden, weitblickend und weise - und manchmal einsam - das Schiff Petri zu steuern, ohne jemals die Freude am Herrn und das Vertrauen auf ihn zu verlieren." Der neue Selige habe es "verstanden, Gott zu geben, was Gott gehört, indem er sein ganzes Leben der heiligen, gewaltigen und äußerst gewichtigen Aufgabe widmete, die Sendung Christi in der Zeit fortzuführen und über die Erde auszudehnen".

Der 26. September soll künftig der Gedenktag für den neuen Seligen Paul VI. sein, verkündete der Papst im Anschluss. Im Unterschied zu Heiligen wird der Gedenktag eines Seligen zunächst nur regional begangen. Im Falle eines Papstes ist das neben dem Bistum Rom meist seine Heimatdiözese und langjährige Wirkungsstätten. Der Todestag Pauls VI., der 6. August, ist im katholischen Kalender bereits durch das Fest "Verklärung des Herrn" belegt.

Paul VI. hat die vom Konzil angestoßenen Kirchenreformen umgesetzt

Paul VI. hatte nach seiner Wahl am 21. Juni 1963 das neun Monate zuvor eröffnete Zweite Vatikanische Konzil fortgeführt und die dort angestoßenen Kirchenreformen umgesetzt. Als erster Papst der Neuzeit reiste er Anfang 1964 ins Heilige Land. Seine Begegnung mit Patriarch Athenagoras leitete eine Neuaufnahme von Beziehungen mit er orthodoxen Kirche ein.

Während des Zweiten Weltkriegs setzte sich Giovanni Battista Montini, wie Paul VI. mit bürgerlichem Namen hieß, als leitender Mitarbeiter des vatikanischen Staatssekretariats für die Bergung von Juden in kirchlichen Gebäuden ein. Als Papst veröffentlichte er die Sozialenzyklika "Populorum progressio" und das Lehrschreiben "Humanae vitae" (1968), mit dem er die Ablehnung künstlicher Empfängnisverhütung bekräftigte. (bod/KNA)

Zur Person: Papst Paul VI.

Papst Paul VI. war von 1963 bis 1978 Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Als Erzbischof von Mailand gehörte Kardinal Giovanni Battista Montini zu den Vertrauten des Konzilspapstes Johannes XXIII. (1958-1963), der das Zweite Vatikanum (1962-1965) einberief. Als dessen Nachfolger führt Paul VI. die größte Kirchenversammlung des 20. Jahrhunderts zu Ende. Das Konzil leitet eine Erneuerung der katholischen Kirche ein, die nichtsdestoweniger an Einfluss in der Gesellschaft verliert. Dies prägt auch die Amtszeit Pauls VI. Geboren am 26. September 1897 als Sohn eines norditalienischen Rechtsanwalts, schlägt Montini die Priester- und Diplomatenlaufbahn ein. Seit 1937 ist er engster Mitarbeiter von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, später Papst Pius XII. (1939-1958). 1954 ernennt dieser Montini zum Mailänder Erzbischof. Als Paul VI. wird er der erste "Reisepapst" der Neuzeit; er bereist alle Kontinente. Vor den Vereinten Nationen in New York mahnt er vor dem Hintergrund des Vietnam-Kriegs zum Frieden. In der Sozialenzyklika "Populorum progressio" (1967) fordert er einen Ausgleich zwischen reichen und armen Ländern. Seine Enzyklika "Humanae vitae" (1968) bekräftigt die Ablehnung künstlicher Empfängnisverhütung. Darauf wird er als "Pillen-Paul" geschmäht. Paul VI. setzt im Zuge des Konzils die Liturgiereform ins Werk und modernisiert den katholischen Gottesdienst. Der Vatikan beginnt eine eigene Ostpolitik und führt Geheimverhandlungen mit mehreren Ostblockstaaten. 1975 bezeichnet Paul VI. den Bruch zwischen der christlichen Botschaft und der modernen Kultur als das "Drama unseres Zeitalters". Im August 1978 stirbt er im Alter von 80 Jahren. (KNA)