"Ein großer Steuermann"
Der Gottesdienst mit rund 70.000 Menschen auf dem Petersplatz bildete zugleich den Abschluss der Bischofssynode, die seit dem 5. Oktober über Fragen zu Ehe und Familie beraten hatte. Unter den Teilnehmern war auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. Er kam in Begleitung seines Privatsekretärs Erzbischof Georg Gänswein und wurde auf dem Petersplatz mit Applaus begrüßt. Während der Zeremonie und dem anschließend Gottesdienst saß er in der ersten Reihe unter den Kardinälen. Franziskus begrüßte ihn mit einem kräftigen Händedruck.
Der emeritierte Papst ist einer von drei noch lebenden kirchlichen Würdenträgern, die von Paul VI. ins Kardinalskollegium aufgenommen wurden. Paul VI. verlieh dem damaligen Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger am 27. Juni 1977 die Kardinalswürde. Benedikt XVI. hatte im April auch der Heiligsprechung der beiden Päpste Johannes XXIII. (1958-1963) und Johannes Paul II. (1978-2005) beigewohnt. Zuletzt war er Ende September öffentlich aufgetreten, als er an einer Begegnung des Papstes mit Senioren auf dem Petersplatz teilnahm. Bei seinem Rücktritt im Februar 2013 hatte er angekündigt, fortan zurückgezogen im Vatikan leben zu wollen.
Langer Applaus bei Enthüllung des Porträts
Langer Applaus kam auf, als Franziskus die offizielle Erhebungsformel sprach und am Petersdom ein Porträt enthüllt wurde, das Paul VI. mit rotem Umhang und ausgebreiteten Armen zeigt. Dazu wurden Reliquien des neuen Seligen zum Altar getragen: ein blutbeflecktes Hemd, das Paul VI. 1970 bei einem Attentatsversuch auf den Philippinen getragen hatte. Damals wurde er von einem offensichtlich geistesgestörten Mann mit einem Messer verletzt.
Paul VI. sei der "große Steuermann" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) gewesen, sagte Franziskus. "Während sich eine säkularisierte und feindliche Gesellschaft abzeichnete, hat er es verstanden, weitblickend und weise - und manchmal einsam - das Schiff Petri zu steuern, ohne jemals die Freude am Herrn und das Vertrauen auf ihn zu verlieren." Der neue Selige habe es "verstanden, Gott zu geben, was Gott gehört, indem er sein ganzes Leben der heiligen, gewaltigen und äußerst gewichtigen Aufgabe widmete, die Sendung Christi in der Zeit fortzuführen und über die Erde auszudehnen".
Der 26. September soll künftig der Gedenktag für den neuen Seligen Paul VI. sein, verkündete der Papst im Anschluss. Im Unterschied zu Heiligen wird der Gedenktag eines Seligen zunächst nur regional begangen. Im Falle eines Papstes ist das neben dem Bistum Rom meist seine Heimatdiözese und langjährige Wirkungsstätten. Der Todestag Pauls VI., der 6. August, ist im katholischen Kalender bereits durch das Fest "Verklärung des Herrn" belegt.
Paul VI. hat die vom Konzil angestoßenen Kirchenreformen umgesetzt
Paul VI. hatte nach seiner Wahl am 21. Juni 1963 das neun Monate zuvor eröffnete Zweite Vatikanische Konzil fortgeführt und die dort angestoßenen Kirchenreformen umgesetzt. Als erster Papst der Neuzeit reiste er Anfang 1964 ins Heilige Land. Seine Begegnung mit Patriarch Athenagoras leitete eine Neuaufnahme von Beziehungen mit er orthodoxen Kirche ein.
Während des Zweiten Weltkriegs setzte sich Giovanni Battista Montini, wie Paul VI. mit bürgerlichem Namen hieß, als leitender Mitarbeiter des vatikanischen Staatssekretariats für die Bergung von Juden in kirchlichen Gebäuden ein. Als Papst veröffentlichte er die Sozialenzyklika "Populorum progressio" und das Lehrschreiben "Humanae vitae" (1968), mit dem er die Ablehnung künstlicher Empfängnisverhütung bekräftigte. (bod/KNA)