Ein Papier voller Spielräume
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Die am Wochenende beendete Weltbischofssynode hat nach Überzeugung des Berliner Erzbischofs Heiner Koch weit mehr erbracht als nur das Abschlussdokument. Das dreiwöchige Treffen nur darauf zu reduzieren, "wäre ein Fehlschluss sondergleichen", sagte der Berichterstatter der deutschen Sprachgruppe am Montag in Bonn. Die "tiefgehenden Diskussionen" in den einzelnen Sprachgruppen, die Entwicklung tieferen gegenseitigen Verständnisses, Spannungen, Beifall und Murren im Plenum, "auch das waren drei Wochen einer Geschichte, die sich allmählich entwickelt hat", so Koch. So habe es etwa "deutliche Missfallensbekundungen" im Saal gegeben, als der guineische Kurienkardinal Robert Sarah Faschismus, Kommunismus und islamistischen Fanatismus mit heutigen "westlichen Ideologien" zu Homosexualität und Genderismus verglich.
Als für ihn als Synoden-Neuling besonders spannend bezeichnete Koch die Zusammenarbeit der 13 Berichterstatter ("Relatoren") der einzelnen Sprachgruppen. Dort habe man die gesamte Bandbreite katholischer Auffassungen erfahren und ausloten können. So habe er, Koch, etwa besser verstehen gelernt, warum viele afrikanische Bischöfe so ablehnend auf westliche Reformvorschläge reagierten.
Gewinnbringende Kaffeepausen in der Synodenaula
"Wir lassen uns nicht mehr von euch beherrschen, der Kolonialismus ist vorbei", so brachte der Berliner Erzbischof afrikanische Vorbehalte zu Themen wie Homosexualität oder Abtreibung auf den Punkt. Die theologisch beschlagene deutsche Sprachgruppe habe in diesen Belangen vorsichtig handeln müssen, eben nicht "als Machthaber, die anderen ihre Meinungen überstülpen", so Koch. Zu seinen persönlichen bereichernden Erfahrungen sagte er: "Sie glauben gar nicht, was das bringt, in der Synodenaula einen Kaffee zu trinken und sich weltkirchlich miteinander auszutauschen."
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hob nach seiner Rückkehr aus Rom den "positiven Duktus" des Synodenberichts in Bezug auf Familienseelsorge hervor. Im Abschlusspapier werde deutlich, das "Kirche für Familie steht", sagte er am Montag in Osnabrück. Es werfe einen "sehr differenzierten Blick" auf unterschiedliche Arten des Zusammenlebens und werte das sexuelle und geistige Leben von Familien in erster Linie positiv. Diese "Weite des Papiers" sei viel wichtiger als mögliche Einzelentscheidungen, so Bode. Es sei Impuls für die Kirche, sich verstärkt um Familienseelsorge, Ehevorbereitung und die Begleitung von Paaren zu kümmern, "die nicht immer sofort eine Ehe anstreben".
Angesichts der kulturellen Unterschiede in der Weltkirche habe er nicht immer mit dem Zustandekommen eines gemeinsamen Papiers gerechnet, sagte Bode. "Deshalb bin ich sehr zufrieden damit, dass wir auf einen sehr offenen Weg nach vorn gekommen sind." Er hoffe, dass auch Papst Franziskus dies als "Ermutigung" auffasse, den Weg weiterzugehen. Konkrete Handlungsperspektiven werde erst das nachsynodale Schreiben des Papstes geben. Dieses könnte etwa zur Eröffnung des von Franziskus ausgerufenen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit am 8. Dezember erscheinen.
Ein großer Schritt für die Weltkirche
Das Thema Homosexualität habe eher eine Nebenrolle gespielt, sagte Bode. Die Bischöfe wendeten sich aber gegen jede Diskriminierung. Auch lasse das Abschlusspapier Handlungsspielraum für die Seelsorge. So könnte die Kirche Homosexuelle etwa im Bereich der Pastoral ähnlich behandeln wie Partner in vorehelichen Beziehungen. Das möge als kleiner Schritt erscheinen, sei aber angesichts der kulturell höchst unterschiedlichen Einordnungen von Homosexualität innerhalb der Weltkirche ein großer.
„Sie glauben gar nicht, was das bringt, in der Synodenaula einen Kaffee zu trinken und sich weltkirchlich miteinander auszutauschen.“
Auch Erzbischof Koch betonte, Rom sei "kein Seelsorgeamt". Es gehe nun darum, das in der Synode Besprochene – "in Solidarität mit der Weltkirche" - auch in der deutschen Kirche umzusetzen. "Nun sind wir dran, daran weiterzuarbeiten", so der Berliner Erzbischof. Er bezog sich dabei jedoch ausdrücklich nicht auf "diese beiden Dinge", die die Schlagzeilen in Deutschland bestimmten, nämlich den Umgang der Kirche mit Homosexuellen und wiederverheirateten Geschiedenen. Die Synode habe auch vieles andere behandelt, das konkrete Auswirkungen auf kirchliche Einrichtungen wie Seniorenheime, Kindergärten, Schulen oder Flüchtlingsunterkünfte habe. "Die Arbeit muss in den Gemeinden weitergehen", so Koch.
Bode: Franziskus handelt, wie er es fordert
Bode lobte auch die Rolle von Papst Franziskus. Dieser habe sie immer wieder herausgefordert, vor allem die positive Seite im Zusammenleben der Menschen zu sehen. Darüber hinaus habe er die Teilnehmer behandelt wie eine Familie, in der es natürlich Meinungs- und Charakterunterschiede, Streit und Mutlosigkeit gebe, in der aber niemand ausgestoßen werde. "All das, was er an Seelsorge gegenüber der Familie fordert, hat er an uns getan", so Bode.
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, äußerte sich am Montag in München noch einmal zur Synode. Er sei zunächst froh, dass der Abschlussbericht mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet wurde, so Marx. Mit dem Ergebnis sei er "zufrieden, wenn auch nicht euphorisch". Mögen manche meinen, man sei nur auf der Stelle getreten, so sieht der Münchner Kardinal doch ein Weitergehen. Der Text löse nicht einfach Probleme, sondern sei ein Impuls für die Seelsorge. Zugleich habe er nicht einen solchen Schwung wie eine Predigt. Das liege aber an der "literarischen Gattung", die viele einbinden wolle.
Die Abschlussansprache von Papst Franziskus bezeichnete Marx als "Interpretationsschlüssel", um den Bericht richtig zu lesen. Der Weg der Synode sei noch nicht zu Ende, sondern erst, wenn der Papst alles zusammengefasst habe. Wann mit einem solchen Papier zu rechnen sei, stehe bislang nicht fest, so der Kardinal. Er könne sich jedoch vorstellen, dass dies zum "Jahr der Barmherzigkeit" passieren könne. Erst dann werde auch die Deutsche Bischofskonferenz ihr Hirtenwort zu Ehe und Familie veröffentlichen, an dem sie bereits seit längerem arbeite.
Marx räumte ein, dass die Diskussionen bei der Synode anstrengend gewesen seien. Es habe auch harte Auseinandersetzungen gegeben, jedoch stets in einem Geist der Brüderlichkeit. Erschwert habe die Arbeiten im Plenum eine "Statement-Kultur" ohne direkte Diskussion; dagegen sei in den Arbeitskreisen intensiv debattiert worden. Der Vorteil in der deutschsprachigen Gruppe, der neben Marx auch die deutschen Kardinäle Gerhard Ludwig Müller und Walter Kasper, der Berliner Erzbischof Heiner Koch sowie der Wiener Kardinal Christoph Schönborn angehörten, sei gewesen, dass jeder gute theologische Argumente habe mitbringen müssen. So hätten viele an einem Wochenende unter anderem Thomas von Aquin noch mal nachgelesen. (kim/bod/KNA)
26.10.2015, 17.30 Uhr: aktualisiert um das Statement von Kardinal Reinhard Marx