Tobias Dienst empfängt mit seiner katholischen Frau regelmäßig die Kommunion

Evangelischer Ehemann: Ja, es ist eine Notlage

Veröffentlicht am 16.06.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kommunionstreit

Heidelberg/Bonn ‐ Sie empfangen regelmäßig zusammen die Kommunion: Der evangelische Theologe Tobias Dienst berichtet aus erster Hand über das gemeinsame Glaubensleben mit seiner katholischen Ehefrau – und den Schaden, den der Kommunionstreit angerichtet habe.

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Ich gehöre zu den Menschen, über die in den letzten Wochen intensiv berichtet, diskutiert und gestritten wurde. Ich bin ein evangelischer Christ, der mit seiner katholischen Ehepartnerin regelmäßig die Heilige Kommunion einnimmt, so wie meine Frau auch am Abendmahl meiner evangelischen Ortsgemeinde teilnimmt. Es erschiene mir geradezu widersinnig, am Mahl einer Gemeinschaft, die ich als Teil der Kirche Jesu Christi anerkenne, nicht teilnehmen zu wollen. Dies gilt umso mehr für eine Gemeinde, in der meine Frau als Kommunionhelferin tätig ist und die ich mittlerweile auch als meine Gemeinde betrachte. Insofern empfinde ich meine Position in der oft bespöttelten kirchenrechtlichen Formulierung tatsächlich als "Notlage". Dies abzustreiten wäre zynisch, wie mir spätestens klar wurde, als mich vor mehreren Jahren ein Priester in einer im Stuhlkreis begangenen Eucharistiefeier aufgrund meiner Konfessionszugehörigkeit möglichst unauffällig überging.

Mit meinem lutherischen Abendmahlsverständnis "bejahe" ich in meinen Augen die Eckpfeiler der katholischen Eucharistielehre, die mir als Theologe gut bekannt ist. Nach meinen Erfahrungen bejahe ich diese Lehre sogar mehr als ein großer Teil selbst der regelmäßigen Gottesdienstbesucher unter den katholischen Christen. In einem individuellen seelsorgerlichen Gespräch mit dem Ortspfarrer habe ich meinen Wunsch zur Teilnahme an der Kommunion geäußert – ein Vorgehen, das einerseits längst gängige Praxis in Deutschland ist, und das andererseits von den meisten Paaren als irritierend, antiquiert oder gar bevormundend wahrgenommen und sehr häufig übersprungen wird.

Zunehmendes Befremden

Die Diskussionen der vergangenen Wochen habe ich mit großem Interesse, aber zunehmendem Befremden aufgenommen. Das Hin und Her kirchlicher Institutionen kam für Betroffene einem emotionalen Wechselbad gleich. Der Gipfelpunkt war mit Schlagzeilen wie "Papst gegen Teilnahme protestantischer Ehepartner an Kommunion" (Spiegel Online, 4.6.2018) in großen Reichweitenmedien erreicht. Natürlich verkürzen diese Schlagzeilen den Sachverhalt und stellen weder die Position des Vatikans noch der deutschen Bischöfe um Kardinal Woelki dar. Der Schaden ist dennoch angerichtet, die Verantwortung für ihn lässt sich nicht einfach auf unzureichend informierte Journalisten abschieben. Bei sehr vielen gemischtkonfessionellen Ehepaaren ist nämlich eine Botschaft angekommen, die von keinem der Kirchenverantwortlichen beabsichtigt war: dass sie an der Kommunionbank, ja in der Gemeinde nicht erwünscht sind.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger". Die Zeichentrickserie erklärt auf einfache und humorvolle Art zentrale Begriffe aus Kirche und Christentum. In dieser Folge geht es um die Eucharistie und ihre Bedeutung im christlichen Glauben.

Ist der unselige Streit durch das Machtwort aus Rom nun beendet? War diese Grenzsetzung tatsächlich "zum Wohle der Kirche", wie etwa katholisch.de-Redakteur Kilian Martin meint? Ob das alte Diktum Roma locuta, causa finita ("Rom hat gesprochen, der Fall ist geschlossen") je mehr als ein hehres Ideal war, sei dahingestellt – heute ist so keine Kirche mehr zu machen. Aufgrund der widersprüchlichen Signale aus dem Vatikan scheint mir die Sache eher verworren als beendet: Roma locuta, causa perturbata!

Was mich ratlos macht

Einfach nur ratlos macht mich die Tatsache, dass nicht einmal Kardinal Woelki und seine Mitstreiter Menschen wie mir die Teilnahme an der Kommunion wirklich verwehren wollen. Rühmen sich katholische Theologen und Kirchenmänner nicht immer wieder damit, dass ihre Kirche im Gegensatz zur Evangelischen konsequente Rechtsgrundsätze aufstellen und einhalten würde? Woher dann die Angst vor der pastoralen Regelung eines kirchenrechtlichen Graubereichs, die von der Realität längst eingeholt wurde? Worin liegt der Gewinn, eine zumindest in Deutschland sehr hohe Zahl an Fällen weiterhin als individuelle Ausnahmefälle zu behandeln? Im Interesse glaubwürdiger, konsequenter und an den Menschen orientierter Kirchenleitung ist es in meinen Augen nicht.

Was ich jedoch am meisten bedaure, ist die Tatsache, dass in den letzten Wochen über uns zwar unentwegt gesprochen wird, dass aber kaum mit uns und nicht einmal zu uns gesprochen wird. Es hat mich zwar persönlich gefreut, dass mehrere deutsche Bischöfe – darunter mein (!) Ortsbischof Peter Kohlgraf (Mainz) – sich auch nach dem vermeintlichen römischen Schlussstrich zu Wort gemeldet haben. Was mir fehlt, ist die klare und direkte Ansprache an alle gemischtkonfessionellen Paare mit einer Botschaft, der ja offenbar alle ausnahmslos zustimmen: dass die bestehende Regelung – sei es auch nur als individuelle Ausnahmeregelung – weiterhin gilt und kein evangelischer Christ neben dem katholischen Ehepartner an der Kommunionbank abgewiesen wird. Diese Botschaft muss bei allen Ehepaaren ankommen, die danach verlangen, trotz unterschiedlicher Kirchenzugehörigkeit gemeinsam die Kommunion einzunehmen. Bei Menschen also, die sich nicht nur einer Ortsgemeinde zugehörig fühlen und die sich nicht selten auch in der Gemeinde ihres Ehepartners engagieren und einbringen.

Von Tobias Dienst

Der Autor

Tobias Dienst ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Reformationsgeschichte und Neuere Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg.