Wegen sexuellem Missbrauch angeklagter früherer Vatikanbotschafter tot in Wohnung aufgefunden

Ex-Nuntius Wesolowski gestorben

Veröffentlicht am 28.08.2015 um 11:48 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Jozef Wesolowski, wegen sexuellen Missbrauchs angeklagter früherer Vatikanbotschafter in der Dominikanischen Republik, wurde am am Freitag in seiner vatikanischen Wohnung tot aufgefunden. Die Behörden leiteten umgehend eine Untersuchung ein.

  • Teilen:

Die vatikanischen Behörden leiteten umgehend eine Untersuchung ein, wie das Presseamt am Vormittag mitteilte. Diese deute auf eine natürliche Todesursache hin. Der Staatsanwalt habe eine Autopsie eingeleitet; deren Resultate sollten möglichst bald bekanntgegeben werden. In der Regel werden solche Untersuchungen nicht im Vatikan, sondern in der römischen Gemelli-Klinik durchgeführt. Ein Termin für die Bekanntgabe der Ergebnisse war am Mittag noch nicht zu erfahren.

Der polnische Ex-Geistliche wartete im Vatikan auf seinen Prozess. Nach einem kirchenrechtlichen Prozess hatte der Vatikan ihn bereits im Juni 2014 in den Laienstand versetzt, also aller priesterlichen Rechte und Pflichten enthoben.

Im Juli war Wesolowski aufgrund gesundheitlicher Probleme in ein Krankenhaus eingeliefert, jedoch im gleichen Monat wieder entlassen worden. Dem Vernehmen nach litt er an einer Herzschwäche. Der ebenfalls im Juli beginnende Prozess musste wegen des Krankenhausaufenthaltes schon nach wenigen Minuten vertagt werden. Seither hielt sich Wesolowski unter ärztlicher Beobachtung im Vatikan auf.

Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche

Der Missbrauchsskandal erschütterte die katholische Kirche in ihren Grundfesten. Seit 2010 die ersten Fälle bekannt wurden, bemüht sich die Kirche um Aufarbeitung der Geschehnisse. Katholisch.de dokumentiert die wichtigsten Etappen.

Nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe war Wesolowski im August 2013 von seinem Posten als Papstbotschafter in der Dominikanischen Republik abberufen worden. Nach einer ersten gerichtlichen Anhörung im Vatikan wurde er im September 2014 auf persönliche Anordnung von Papst Franziskus unter Hausarrest gestellt. Dieser hatte den Fall von Anfang an zur Chefsache gemacht. Es gebe keine Ausnahmen für Bischöfe, sagte er kurz nach Bekanntwerden der Anschuldigungen. Außer sexuellem Missbrauch wurde Wesolowski auch zur Last gelegt, für "schwere psychologische Schäden" seiner Opfer verantwortlich zu sein.

Es war das erste Mal, dass ein vormals ranghoher kirchlicher Würdenträger wegen sexuellen Missbrauchs vor einem weltlichen Strafgericht des Vatikanstaates stand. Staatsanwalt Gian Piero Milano warf Wesolowski unter anderem vor, in der Dominikanischen Republik mehrere Jungen im Alter von 13 bis 16 Jahren sexuell missbraucht zu haben. In mindestens einem Fall soll dies in der Öffentlichkeit geschehen sein. Zudem wurde Wesolowski beschuldigt, eine "enorme Menge" kinderpornografischen Materials besessen zu haben. Von einer Inhaftierung hatte die vatikanische Justiz wegen seines schlechten Gesundheitszustands abgesehen.

Als früherer Diplomat des Heiligen Stuhls war Wesolowski vatikanischer Staatsbürger. Daher verzichteten die Dominikanische Republik und sein Heimatland Polen auf einen Auslieferungsantrag. Rechtliche Grundlage des Verfahrens war das vatikanische Strafrecht. Seit einer Gesetzesverschärfung 2013 ist der Besitz von Kinderpornografie darin ein eigener Straftatbestand. (gho/KNA)

28.08.2015, 14.30 Uhr: um weitere Details ergänzt.

Update: Autopsie bestätigt natürlichen Tod

Der am Freitag tot aufgefundene frühere Vatikan-Botschafter Jozef Wesolowski ist laut Autopsie eines natürlichen Todes gestorben. Der polnische Kirchenmann habe bereits am Donnerstagabend einen Herzinfarkt erlitten, heißt es in einem Kommunique des vatikanischen Presseamtes vom Samstag. Die Autopsie sei vom vatikanischen Staatsanwalt angeordnet und von einer Kommission aus drei Experten unter Leitung des Professors für Rechtsmedizin an der römischen Universität "Tor Vergata", Giovanni Arcudi, durchgeführt worden. Die Untersuchung am Freitagnachmittag habe einen Herzstillstand als natürliche Todesursache ergeben. (KNA)