Exotischer Empfang
Neuneinhalb Stunden war der Papst unterwegs, als er um 4.30 Uhr deutscher Zeit in der Hauptstadt Colombo aus dem Flugzeug stieg. Er wirkte erschöpft. Auf dem Weg nach Sri Lanka hatte Franziskus die überflogenen islamischen Staaten des Mittleren Ostens seines Gebets versichert. Traditionsgemäß sandte er Telegramme an die Staatsoberhäupter des Iran, der Vereinigten Arabischen Emirate und des Oman. Darin bat der Papst jeweils um den "Segen des Allmächtigen für Frieden und Wohlfahrt".
Der neue Staatspräsident Maithripala Sirisena und der Erzbischof von Colombo, Kardinal Albert Malcolm Ranjith, nahmen Franziskus in Empfang. Während seiner Begrüßung rief der Papst die Bevölkerung zu Versöhnung zwischen den einstigen Bürgerkriegsparteien auf und mahnte eine historische Aufarbeitung an. Das "bittere Erbe von Ungerechtigkeit, Feindseligkeit und Misstrauen", das dieser Konflikt hinterlassen habe, müsse überwunden werden. Der Bürgerkrieg, der von 1983 bis 2009 gedauert hat, bedürfe eines Heilungsprozesses, der auch ein "Streben nach Wahrheit" umfassen müsse. Es gehe nicht um das "Aufreißen alter Wunden", sondern um ein "notwendiges Mittel zur Förderung von Gerechtigkeit, Heilung und Einheit", sagte Franziskus.
Der Papst wandte sich gegen eine fortwährende Diskriminierung der tamilischen Minderheit durch die singhalesische Bevölkerungsmehrheit. Die überwiegende Mehrheit der Singhalesen gehört dem Buddhismus an; die meisten Tamilen sind Hindus. Versöhnung könne nur gelingen, wenn eine "legitime Vielfalt" von allen respektiert werde. Verschiedenheit müsse als Bereicherung, nicht als Bedrohung gesehen werden. Hierbei könnten die Religionen eine wichtige Rolle spielen, so Franziskus.
Tropische Temperaturen in Sri Lanka
Staatspräsident Sirisena, der am Donnerstag gewählt worden war und Montag seine Arbeit aufgenommen hatte, bekannte sich in seiner Begrüßungsansprache zu Toleranz und einem friedlichen Zusammenleben der verschiedenen Gesellschaftsgruppen in dem multiethnischen und multireligiösen Land. Zudem sprach er sich für eine engere Zusammenarbeit zwischen Sri Lanka und dem Vatikan aus. Der Besuch solle dem Frieden und der Entwicklung Sri Lankas dienen. Franziskus ist der erste ausländische Gast Sirisenas.
Die 28 Kilometer vom Flughafen in die Innenstadt Colombos legte Franziskus anschließend bei tropischen Temperaturen im offenen Geländewagen zurück. Zahlreiche Menschen hießen den Papst entlang des Weges willkommen; immer wieder kam es dabei zu kleinen Stopps. Mitreisende Journalisten erklärten, die Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt von Colombo habe viel länger gedauert als erwartet. Ursprünglich sollte der Papst bereits am Vormittag (Ortszeit) in seinem Quartier in der Vatikanbotschaft eintreffen und eine private Messe feiern, bevor er zwei Stunden später zum Sitz des Erzbischofs von Colombo aufbrechen wollte. Eine einstündige Begegnung mit 180 Priesterseminaristen und den 20 Bischöfen des Landes wurde mittlerweile abgesagt. Der Vatikan gab zunächst keine Gründe für die kurzfristige Änderung an.
Am Nachmittag steht eine Unterredung mit Sirisena in dessen Amtssitz auf dem Programm. Anschließend will der Papst im Konferenzzentrum von Colombo mit Vertretern der verschiedenen Religionsgemeinschaften Sri Lankas zusammentreffen und eine Rede halten. Daran nehmen nach Veranstalterangaben mehrere tausend Angehörige und Repräsentanten der unterschiedlichen Glaubensrichtungen teil. Katholiken bilden in Sri Lanka laut dem Vatikan eine Minderheit von 7 Prozent. 70 Prozent bekennen sich zum Buddhismus, knapp 13 Prozent sind Hindus und knapp 10 Prozent Muslime.
Der größte Programmpunkt in Sri Lanka wird die Heiligsprechungsmesse für den Missionar Joseph Vaz (1651-1711) am Mittwoch in Colombo sein. Anschließend reist Franziskus als erster Papst in den vorwiegend von Tamilen bewohnten Norden. Dort will er bei einem Friedensgebet mit tamilischen und singhalesischen Familien zusammenkommen, die Opfer des Bürgerkriegs von 1983 bis 2009 wurden. Am Donnerstag reist der Papst weiter auf die Philippinen. (mit Material von KNA)
Von Björn Odendahl