Franziskus dreht sein Personalkarussell
Sicher wird noch lange gerätselt, warum der Papst dem deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller eine zweite Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation verweigert hat. Inwieweit waren theologische Differenzen über den kirchlichen Öffnungskurs, über das Eheverständnis nach "Amoris laetitia" ausschlaggebend? Oder stimmte einfach die Chemie zwischen den beiden nicht? Störte sich Franziskus an allzu offenen Worten seines obersten theologischen Mitarbeiters, an seiner Kritik über die Entlassung von drei Kongregationsklerikern? Oder kam das ehemalige "Heilige Offizium" in letzter Zeit zu oft wegen angeblicher oder tatsächlicher Skandale ins Gerede?
Franziskus baut das Spitzenpersonal weiter um
Müller selbst hält sich an das formale Argument, dass der Papst nun die alte Regel streng anwenden will, wonach Kurienchefs nur fünf Jahre im Amt bleiben sollen; und bei ihm habe er eben angefangen. Unbestritten ist, dass Franziskus mit diesem "Erdbeben" seinen Personalumbau an der Vatikanspitze fortgesetzt hat. Viele Schlüsselpositionen sind inzwischen durch ihn neu besetzt worden. Er wählt dabei vorzugsweise Leute seines Vertrauens aus, die auch sein Kirchenbild teilen, oft muss der Papst aber auch vatikanischen Sachzwängen Rechnung tragen.
Von den neun Präfekten der Kongregationen sind vier von Franziskus ernannt worden. Sehr bald nach seinem Amtsantritt hatte er den machtbewussten Präfekten der Kleruskongregation Mauro Piacenza auf das eher zweitrangige Leitungsamt der Pönitentiarie, dem kirchlichen Beichtgericht, abgeschoben und durch den Chef der Diplomaten-Akademie, Beniamino Stella, ersetzt. Der US-amerikanische Papstkritiker Kardinal Raymond Leo Burke, Chef der Apostolischen Signatur und damit des obersten Kirchengerichts, wurde für den Malteserorden zuständig.
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Die Nachricht machte am Freitagabend die Runde. Papst Franziskus verlängert die Amtszeit von Kardinal Müller als oberstem Glaubenshüter der Kirche nicht. Was hat zur Entscheidung des Papstes geführt?Auf den wichtigen Leitungsposten bei der Bischofssynode berief der Papst unterdessen Lorenzo Baldisseri, den er rund um das Konklave kennen- und schätzen gelernt hatte. Zu seinem Stellvertreter im Bistum Rom machte Franziskus den aus Süditalien stammenden Angelo De Donatis. Vorsitzender der wichtigen Italienischen Bischofskonferenz wurde der von ihm protegierte Kardinal Gualtiero Bassetti aus Perugia.
Die wichtigste Personalentscheidung seines Pontifikats war aber zweifellos die des vatikanischen Staatssekretärs. Mit Pietro Parolin benannte Franziskus als sein "Alter Ego" einen Seelenverwandten, der höchste Kompetenz und diplomatisches Geschick mit bescheidenem Auftreten verbindet. Ähnliches gilt für den neuen Außenminister des Heiligen Stuhls, den Briten Paul Gallagher. Als enger Vertrauter des Papstes gilt auch der Chef der neuen Super-Behörde für Laien, Familie und Leben, der Ire Kevin Farell. Gleiches gilt für Dario Edouardo Vigano, der als Präfekt des neuen Kommunikationssekretariats die neun vatikanischen Medien zusammenführen soll – und sich dabei nicht nur Freunde macht.
Die Kurienreform lässt ehemalige Chefs auf der Straße stehen
In etlichen Fällen musste der Papst bei seinen Personalentscheidungen freilich auch die Folgen seiner eigenen Kurienreform auffangen. Manche Behörden wurden aufgelöst oder fusionierten mit anderen, sodass zahlreiche Chefs plötzlich auf der Straße standen. Wie etwa Kardinal Giuseppe Versaldi von der einstigen Wirtschaftspräfektur, der nun Chef der Bildungskongregation wurde. Kardinal Robert Sarah, der eher konservative Chef des aufgelösten Rates "Cor unum", wechselte an die Spitze der Gottesdienstkongregation. Vincenzo Paglia, Präsident des früheren Familienrates und Mitglied der vom Papst geschätzten Gemeinschaft Sant‘Egidio, wurde Präsident der Akademie für das Leben. Der polnische Präsident des Laienrates Stanislaw Rylko erhielt – freilich nach einer Wartephase von vier Monaten – das Amt des Erzpriesters von Maria Maggiore.
Das Personalkarussell dreht sich weiter – und zwar unabhängig davon, ob der Papst die Fünfjahres-Grenze künftig auch so konsequent anwendet wie im Falle Müllers. Kardinal Francesco Coccopalmerio vom Rat für Gesetzestexte etwa ist mit 79 Jahren bereits weit über der Pensionsgrenze, ebenso Angelo Amato von der Heiligsprechungskongregation. In dessen Behörde hatten Beobachter zunächst die künftige Wirkungsstätte des ehemaligen Glaubenspräfekten vermutet. Da jedoch gleichzeitig mit Müllers Verabschiedung am Samstag nichts über eine künftige Verwendung mitgeteilt wurde, spricht im Moment nicht viel dafür. Noch weniger vermutet man ihn künftig in der Nachfolge des 78-jährigen US-amerikanischen Kardinals Edwin Frederick O‘Brien als Großmeister der Grabesritter. Und auch für die Spitze des Wirtschaftssekretariats – falls der zu einem Gerichtstermin in Australien beurlaubte Kardinal George Pell (76) länger ausfallen sollte – dürfte der Theologe von Weltrang kaum in Frage kommen.
Tatsache ist, dass mit Müller ein relativ junger Kurienkardinal zunächst einmal ohne konkrete Folgebeauftragung ist. Nach eigenem Bekunden will er in Rom bleiben, theologisch arbeiten, und weiter Kardinalsaufgaben wahrnehmen. Seine Mitarbeit in derzeit sechs anderen vatikanischen Kurienbehörden dürfte größtenteils – da amtsgebunden – ebenfalls von seinem Nachfolger Luis Francisco Ladaria Ferrer übernommen werden.
Ist Ladaria nur eine Übergangslösung?
Dass Franziskus den bereits 73-jährigen Sekretär Ladaria nachrücken lässt, deutet auf ein Interesse an Kontinuität. Zudem kommen die meisten Kurienpräfekten aus Reihen der Sekretäre – sei es der eigenen oder einer anderen Behörde. Vielleicht wollte sich Franziskus mit der Berufung des gemäßigt konservativen Jesuiten Ladarias auch bewusst für eine "softe" Übergangslösung entscheiden: bevor er nach einiger Zeit einen Mann von außen in diese Schlüsselposition holt.