Wie die Bistümer auf den Papst-Appell zur Aufnahme von Flüchtlingen reagieren

"Franziskus rennt offene Türen ein"

Veröffentlicht am 07.09.2015 um 17:45 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Bonn ‐ Der Appell von Papst Franziskus, jede kirchliche Einrichtung in Europa möge mindestens eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen, fällt in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Katholisch.de zeigt Beispiele kirchlichen Engagements für Flüchtlinge.

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"Der Papstaufruf rennt bei uns offene Türen ein", hieß es etwa aus der Pressestelle des Erzbistums München.  Kardinal Reinhard Marx, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, habe schon vor zwei Wochen alle Kirchengemeinden angeschrieben und um Hilfe gebeten, sagte ein Sprecher. "Wir bekommen darauf immer noch neue Rückmeldungen." Schon jetzt seien in der Erzdiözese rund 1.000 Flüchtlinge in kirchlichen Gebäuden untergebracht. Erst am Samstag hatte Marx zusammen mit seinem evangelischen Amtskollegen Heinrich Bedford-Strohm am Münchener Hauptbahnhof persönlich Flüchtlinge willkommen geheißen.

In anderen Bistümern sieht die Situation ähnlich aus, wie ein stichprobenartiger Überblick zeigt: Am Montag veröffentlichte etwa der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker einen Brief an die Kirchengemeinden seines Bistums. Darin bittet er die Pfarreien, zu prüfen, ob sie über Wohnungen oder andere Immobilien verfügten, die für Wohnzwecke hergerichtet werden können, "oder ob sogar ein nicht mehr für die Pastoral benötigtes Kirchengebäude als Unterkunft benutzt werden kann". Im Erzbistum gibt es den Angaben zufolge bereits Beispiele, bei denen Pfarrheime in Wohnungen umgewandelt wurden. Doch trotz aller bisherigen Anstrengungen gebe es immer mehr Notlagen und Engpässe.

Kardinal Reinhard Marx spricht am Münchener Hauptbahnhof mit einem Flüchtling.
Bild: ©KNA

Kardinal Reinhard Marx spricht am Münchener Hauptbahnhof mit einem Flüchtling.

Auch im Bistum Fulda haben schon mehrere Pfarreien Flüchtlinge aufgenommen, ebenso das Priesterseminar. Die Gemeinden seien weiterhin aufgerufen, Immobilien zu benennen, die mit Flüchtlingen belegt werden könnten, erklärte Bistumssprecher Christof Ohnesorge. 40 von Kirchengemeinden zur Verfügung gestellte Unterkünfte werden im Bistum Trier laut Sprecher Andre Uzulis derzeit für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. Und auch hier sind die Pfarreien nach dem Papst-Appell aufgefordert, weitere Unterbringungsmöglichkeiten anzubieten.

Im Bistum Mainz werde Generalvikar Dietmar Giebelmann die Pfarreien des Bistums anschreiben und sie ermutigen, den Aufruf des Papstes umzusetzen, teilte das Bistum mit. Die Diözese werde den Einsatz der Pfarreien weiterhin mit Mitteln aus seinem Flüchtlingsfonds unterstützen.

Per E-Mail bat Münsters Bischof Felix Genn die Gemeinden seiner Diözese am Montag, nach Möglichkeiten zu suchen, "damit sich Flüchtlinge in unserem Bistum gut aufgenommen fühlen". Laut Bistumssprecher Stephan Kronenburg gibt es bereits zahlreiche Beispiele, in denen Kirchengemeinden eigene Räume für Flüchtlinge vorbereiten. So sollten etwa in einigen Orten Pfarrhäuser zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden.

Caritas: Es läuft sehr viel vor Ort

Bambergs Erzbischof Ludwig Schick rief "alle Kirchengemeinden und alle anderen kirchlichen Einrichtungen" dazu auf, noch einmal zu überprüfen, wo Flüchtlinge aufgenommen werden könnten. "Wir müssen kreative Lösungen suchen", sagte dazu Generalvikar Georg Kestel. Das Erzbistum Köln sieht sich nach dem Papst-Aufruf in seinem Engagement bestärkt: Schon seit November 2014 laufe als zentrale Initiative die "Aktion Neue Nachbarn", in der sich Tausende überwiegend ehrenamtlich für Flüchtlinge engagierten, sagte ein Sprecher des Erzbistums.

Link-Tipp: Flüchtlingshilfe

Eine Übersicht über die Flüchtlingsprojekte aller 27 deutschen Diözesen finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).

Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff lobte derweil die große Resonanz in der deutschen Kirche auf den Aufruf von Papst Franziskus, in Pfarreien und Klöstern Flüchtlingsfamilien aufzunehmen. "Der Appell fällt auf fruchtbaren Boden, bei unserer Hotline zum Beispiel rufen viele Menschen an und bieten Wohnraum an", sagte er am Dienstag im WDR: "Diese große Welle der Hilfsbereitschaft ist ein eindrucksvoller Beweis für eine gute Willkommenskultur!"

Auch Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" begrüßte den Appell des Papstes. "Es wird schon viel getan, es kann aber noch mehr getan werden", sagte die Geschäftsführerin Genia Schenke Plisch. Sie hoffe, dass Kirchengemeinden jetzt positive Erfahrungen mit Migranten machten und in besonderen Härtefällen dann auch bereit seien, Kirchenasyl zu gewähren. Auch die Sprecherin des Deutschen Caritasverbandes, Claudia Beck, betonte gegenüber katholisch.de, dass nach ihrer Erfahrung das Engagement in den einzelnen Diözesen und Gemeinden bereits heute stark ausgeprägt sei: "Es läuft sehr viel vor Ort".

Linktipp: Weitere Hilfsprojekte

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat eine Linksammlung mit kirchlichen Hilfsprojekten für Flüchtlinge zusammengestellt.

Auch einige Bundesländer hatten die Bistümer gebeten, ihnen bei der Suche nach Flüchtlingsunterkünften zur Seite zu stehen. Darauf beruft sich etwa Erzbischof Hans-Josef Becker in seinem Brief. Die Thüringer Landesregierung nutzte am Samstag gar den Nachrichtendienst Twitter für Ihren Aufruf: "Bitte leere Gebäude melden. Land prüft Eignung zur Flüchtlingsunterbringung. Formular online. Bitte retweeten", so lautete die Aufforderung an Immobilienbesitzer im Freistaat.

Angesichts der Flüchtlingstragödie in Europa hatte Papst Franziskus am Sonntag beim Angelus-Gebet alle Kirchengemeinden, Klöster und Einrichtungen in Europa dazu aufgerufen, mindestens eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Er selbst wollte mit gutem Beispiel vorangehen: So würden auch die beiden Pfarreien auf dem Gelände des Vatikan in den kommenden Tagen jeweils eine Familie aufnehmen. Die christliche Botschaft des Evangeliums sei eine Aufforderung an jeden, den geflüchteten Menschen der Nächste zu sein. Eine Familie aufzunehmen, könne diese christliche Solidarität ganz konkret zum Ausdruck bringen.

Was es bedeuten würde, wenn allein jede katholische Gemeinde in Europa eine Familie aufnehmen würde, hat die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) hochgerechnet. Nach ihren Angaben hätten dann rund 600.000 Flüchtlinge eine vorübergehende Bleibe. Diese Zahl ergibt sich aus den europaweit 142.600 Pfarreien und Seelsorgeeinheiten und einer angenommenen Größe von mindestens vier Mitgliedern pro Familie. (mit Material von KNA und dpa)

09.09.2015, 10.31 Uhr: ergänzt um das Statement Angsgar Puffs

Linktipp: Franziskus: Jede Pfarrei soll eine Familie aufnehmen

Ein klarer Auftrag von Papst Franziskus an die Kirche in Europa: Jede Pfarrei, jedes Kloster und jede kirchliche Einrichtung soll wenigstens eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. Um zu zeigen, wir ernst er es meint, will er mit gutem Beispiel vorangehen.
Von Gabriele Höfling