Frischer Wind im Presseamt des Vatikan
Junge Gesichter vor altehrwürdiger Fassade: Es wirkte wie eine Frischzellenkur, als im vergangenen Sommer die Leitung des vatikanischen Presseamtes auf den US-Amerikaner Greg Burke und seine spanische Stellvertreterin Paloma Garcia Ovejero überging. Inzwischen hat das Team einige nicht ganz alltägliche Situationen zu bestehen gehabt. Aufmüpfige Kardinäle im Nachgang zum Papstschreiben "Amoris laetitia" etwa, den Besuch von US-Präsident Donald Trump oder ein Krisentreffen mit der Spitze der Venezolanischen Bischofskonferenz.
Burke und Garcia wissen, was Korrespondenten brauchen
Die Bilanz des ersten Jahres: Es wird lockerer. Burke, ein juveniler 57-Jähriger aus Saint Louis, hat Hemdsärmeligkeit ins Presseamt gebracht. Zu Briefings erscheint er ohne Jackett und spricht mit den Medienvertretern auf Augenhöhe statt vom Podium herab. Häufiger bietet man jetzt auch Interviews mit Kurialen oder Vatikangästen an. Burke und seine 41-jährige Kollegin Garcia waren lange genug selbst Journalisten, um zu wissen, was Korrespondenten brauchen.
Um die Tragweite der Neuerungen ermessen zu können, muss man sich die kurze Geschichte des päpstlichen Presseamtes vor Augen halten: Als eigene Einrichtung wurde es 1966 ins Leben gerufen, angesichts des Medieninteresses während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Als erste Direktoren wirkten ein Priester und nachmaliger Bischof, ein Literaturwissenschaftler, dann ein Vatikandiplomat, der nach acht Jahren im "Pressesaal des Heiligen Stuhls" auf Botschafterposten in Westafrika und im Iran wechselte.
1984 begann die Ära von Joaquin Navarro-Valls, Arzt, Journalist und Opus-Dei-Mann. Er war die Stimme von Johannes Paul II. (1978-2005) - und mehr noch: ein Spin-Doctor; einer, der das Bild des Papstes in der Öffentlichkeit gezielt formen wollte. Nach ihm kam Federico Lombardi: knorrige Jesuiteneiche, nüchtern, unbestechlich, fair. Er verstand, dass man Journalisten die wundersame Welt des Vatikan erst mal erklären muss.
Altgediente Korrespondentinnen erinnern sich, ihre ersten Interviews im Vatikan im langen dezenten Rock, mit gehörigem Sicherheitsabstand und einem klerikalen Aufpasser geführt zu haben. Vor diesem Hintergrund wirken eine sommerlich-elegante Vizesprecherin oder ein Presseamtsleiter, der im Radlerdress sein Mountainbike aus dem Büro trägt, wie Gestalten der Apokalypse.
Auch im Vatikan dreht sich die Nachrichtenwelt schneller
Der Ton ist salopper geworden. Burke, auch Mitglied des Opus Dei, kann schnippisch und ironisch sein. Wenn man ihn im Scherz fragt, ob der Vatikan endlich das (bestenfalls von Verschwörungstheoretikern für existent gehaltene) "Vierte Geheimnis von Fatima" veröffentlicht, kann Burke mit bierernster Mine antworten: "Ich hab's dem Kollegen von Reuters gegeben. Ist aber noch unter Sperrfrist." Bis jetzt sind solche Frozzeleien gutgegangen.
Auch beim Vatikan dreht sich die Nachrichtenwelt schneller, wird komplexer und internationaler. Mit Burke und Garcia sind neben dem Italienischen auch Englisch und Spanisch Arbeitssprachen geworden. Manches bleibt aus Sicht der Korrespondenten unbefriedigend dröge - ohne dass das den Boten selbst anzulasten wäre. Etwa, dass Bischofsrücktritte ohne Angabe von Gründen mitgeteilt werden.
Wie sich der Informationsfluss zwischen dem Presseamt und der Leitungszentrale, dem Staatssekretariat, entwickelt, muss die Praxis zeigen. Früher lag hier eine Ursache für mediale GAUs wie die Aufhebung der Exkommunikation für den holocaustleugnenden Traditionalisten-Bischof Richard Williamson. Mit 20 Mitarbeitern, Pförtner eingeschlossen, ist der Stab des Presseamtes weiter sehr klein.
Antworten kommen praktisch zu jeder Zeit
Im vatikanischen Organigramm bildet es eine von fünf sogenannten Direktionen des neuen Mediensekretariats unter dem brasilianischen Geistlichen Dario Vigano. Nach eigenem Bekunden arbeitet es relativ autonom. Neuerdings werden selbst Bischöfe und Kardinäle angehalten, bei Pressekonferenzen keine seitenlangen Referate zu halten. Künftig soll es sogar Medientrainings für die Kirchenmänner geben - eine neue Erfahrung für manchen, der meint, seit seinem Predigtseminar vor 50 Jahren hinreichend redegewandt zu sein.
Den Dienst für den Papst sehen Burke und Garcia als Motivation für ihren Dienst an den Journalisten. Feste Arbeitszeiten kennen sie nicht. Antworten auf Anfragen kommen prompt und zu praktisch zu jeder Zeit, sei es per E-Mail oder WhatsApp. Dabei wollen sie selbst ein niedriges Profil bewahren. Ein bisschen schützende Fassade, scheint es, muss bleiben.