Hongkongs Altbischof warnt Rom vor Kompromissen mit Peking

"Große Gefahr, dass der Vatikan getäuscht wird"

Veröffentlicht am 21.11.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
"Große Gefahr, dass der Vatikan getäuscht wird"
Bild: © KNA
China

Hongkong ‐ Hongkongs Altbischof Joseph Zen Ze-kiun hat den Vatikan aufgefordert, Chinas Christen stärker zu unterstützen. Die Kirche sollte die Untergrundkirchen zum Widerstand ermutigen, so der Kardinal.

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Hongkongs ehemaliger Bischof Joseph Zen Ze-kiun (84), ein prominenter Kritiker der chinesischen Regierung, sieht den neu aufgenommenen Dialog zwischen dem Vatikan und der chinesischen Regierung mit großer Sorge. Der Kardinal betonte am Sonntag im Interview zugleich, dass er "niemals" Papst Franziskus kritisieren würde. Wenn dieser ein Abkommen mit Peking unterzeichne, "werde ich verschwinden", kündigte er an. Bis dahin aber werde er sich als "einsamer Rufer in der Wüste" betätigen, sagte der Ordensmann.

Frage: Herr Kardinal Zen, wie geht es Ihnen?

Kardinal Zen: Gut. Wieder gut. Im Sommer war ich krank. Ein Virus hatte sich in der Lunge festgesetzt, aber jetzt ist es wieder besser. Ich habe heute Morgen schon unterrichtet, dann war ich auf einer Beerdigung und anschließend mit einem älteren Pastor Mittag essen. Danach kamen Ordensschwestern aus China, die wollten mich sprechen. Und jetzt sind Sie hier.

Frage: Um Sie zu den Beziehungen zwischen dem Vatikan und Peking zu befragen. Nach Jahrzehnten der Feindschaft lotet eine Kommission seit einigen Monaten die Möglichkeiten einer Annäherung aus. Sie kritisieren das scharf - warum?

Zen: Wir sollten uns zunächst darauf einigen, was ein kommunistisches Regime ist. Das ist ein totalitäres Regime, das alles kontrollieren will. Auch die Kirche. Aber das können wir nicht zulassen, die Kirche darf sich von einer Regierung, von einem Regime nicht kontrollieren lassen.

Frage: Aus Sicht des Vatikan werden die Verhandlungen mit "gutem Willen" geführt.

Zen: Die Chinesen sind sehr clever. Sie können mit Worten spielen. Sie haben keine Skrupel, und sie sind nicht aufrichtig. Die Gefahr ist groß, dass der Vatikan getäuscht wird.

Bild: ©alexlmx/Fotolia.com (Symbolbild)

Zwischen der kommunistischen Regierung und dem Heiligen Stuhl laufen Verhandlungen für ein Abkommen. "Wir sind beide guten Willens", sagte Kardinalstaatssekretär Parolin.

Frage: Aber wäre eine Verbesserung des Verhältnisses, wie Befürworter argumentieren, nicht zum Wohle aller Katholiken in China? Vor allem derjenigen, die im sogenannten Untergrund beten, weil sie sich der offiziellen chinesischen Kirche, der "Patriotischen Vereinigung" nicht anschließen wollen?

Zen: Die chinesische Regierung lässt Kreuze von den Dächern reißen und verschärft mit neuen Regularien die Kontrolle über Gläubige und Pfarrer. Wie kann man da guter Hoffnung sein? Es besteht keine Hoffnung im Moment. Solange sich das Regime nicht ändert, gibt es auch keinen Grund zu hoffen.

Frage: Was ist mit Kompromissen? Muss die katholische Kirche nicht auch dazu bereit sein?

Zen: Die Kirche darf sich einem Dialog nicht verschließen, und sie kann auch Kompromisse machen. Aber es gibt Grenzen. Wir können dem Regime in Peking nicht gefällig sein. Sie wollen alles, sie wollen eine Kapitulation.

Frage: Und das sieht der Vatikan nicht?

Zen: Der Papst ist weit weg, er kennt China nicht. Und er kennt den Kommunismus in China nicht. Es gibt im Vatikan aber Menschen, die haben das Thema auf ihrer Agenda, und die wollen unbedingt Erfolg. Sie wollen den historischen Durchbruch.

Frage: Hauptstreitpunkt in den Gesprächen zwischen Vatikan und Peking ist die Ernennung der Bischöfe. Der Vatikan beansprucht dieses Recht weltweit für sich, Peking sieht dies als Einmischung in interne Angelegenheiten und hat in der Vergangenheit seine Bischöfe von der "Patriotischen Vereinigung" weihen lassen. Nachträglich haben viele dieser Bischöfe auch vom Papst ein Einverständnis erhalten. Es gibt also längst Kompromisse, oder nicht?

Zen: Es gibt viele gute Priester und Bischöfe in der chinesischen Kirche. Aber sie müssen dem Staat gehorchen, sie werden von der Regierung geführt, am Nasenring. Eines Tages werden die Gläubigen feststellen, dass dies keine Hirten sind, sondern Offizielle des Staates. Dass sie nicht dem Evangelium dienen, sondern der politischen Macht.

Linktipp: Der lange Marsch der Diplomatie

Seit mehr als 65 Jahren liegen die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China auf Eis. Nun könnten sich die Beziehungen der beiden Staaten entspannen. (Artikel vom Juni 2016)

Frage: Wenn keine Annäherung - was dann?

Zen: Die Kirche muss die Freiheit verteidigen. Wie sollen die Menschen morgen noch Hochachtung vor der Kirche haben, wenn diese nicht heute die Freiheit verteidigt und die Verfolgung der Gläubigen beendet? All die Jahre des Kompromisses haben die Position der Kirche geschwächt. Die Kirche sollte die Gläubigen ermutigen stark zu sein, Widerstand zu üben.

Frage: Viele sehen Sie als Papst-Kritiker und werfen Ihnen vor, Geistliche in China zur Revolution anzustacheln. Ist das so? 

Zen: Ich würde niemals den Papst kritisieren. Ich kritisiere den Vatikan, aber nicht in den Papst. Wenn Franziskus einem Abkommen mit Peking zustimmt, werde ich aufhören zu sprechen. Ich werde verschwinden.

Frage: Das heißt?

Zen: Ich werde meine Bücher lesen und ich werde niemals mehr öffentlich auftreten. Und das habe ich auch meinen Brüdern gesagt: Zieht euch still zurück und wartet auf bessere Zeiten.

Frage: Aber bis es so weit ist, werden Sie weiter Kritik üben?

Zen: Ich bin eine öffentliche Person. Viele mögen mich nicht, viele mögen mich. Ich bin ein Rufer in der Wüste. Aber ich werde weiter meine Meinung sagen. Weil das meine Pflicht ist und weil ich in der Position bin frei zu sprechen. Ich bin außerdem 84 Jahre alt. Da ist es schwierig, seinen Charakter noch zu ändern. Also bin ich einfach ich selbst.

Von Stefanie Ball (KNA)