Hat die Kirche die Digitalisierung verschlafen?
Frage: Herr Büsch, in der "Zeit" wurde jüngst die These vertreten, die evangelische Kirche in Deutschland habe die Digitalisierung verschlafen. Kann man das auch für die katholische Kirche sagen?
Büsch: Ich denke nicht, dass man das für die katholische Kirche sagen kann. Ich sehe das ja als Mitglied der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz. Dort debattieren wir das Thema mindestens seit 2006. In einem medienethischen Papier von 2011 haben wir das Phänomen der Digitalisierung erstmals umfassend in den Blick genommen. Mit der Arbeitshilfe "Medienbildung und Teilhabegerechtigkeit" haben wir 2016 dann nochmal deutlich nachgelegt. Die Kirche hat das Phänomen also nicht verschlafen. Ich würde allenfalls konstatieren, dass die Reaktionen vielleicht jeweils etwas zeitversetzt sind.
Frage: Ist die katholische Kirche – diese Frage sei auch im ökumenischen Reformationsjahr erlaubt – also auf diesem Feld weiter als die evangelische?
Büsch: Das würde ich wiederum nicht sagen. Ich kenne auch viele Kolleginnen und Kollegen der evangelischen Kirche. Ich glaube, wir haben tatsächlich in beiden Kirchen relativ große Ungleichzeitigkeiten. Was sowohl katholischerseits als auch evangelischerseits noch in den Kinderschuhen steckt, ist eine theologische Reflexion der Digitalisierung. Da ist noch ganz viel zu tun.
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Weitere Informationen zum Katholischen Medienkongress finden Sie auf der offiziellen Internetseite der Veranstaltung.Frage: Papst Franziskus ist auf Twitter unter den Top 50. In den unteren kirchlichen Etagen hat man allerdings nicht unbedingt den Eindruck, dass die Social-Media-Aktivität explodiert ...
Büsch: Was die Präsenz der Institution Kirche angeht, ist sicherlich noch Luft nach oben. Ich habe 2009 eine Bestandsaufnahme gemacht, welche Bistümer schon irgendwie in Richtung Social Media gehen. Und das bekam man knapp an einer Hand zusammen. Das sieht heute allerdings schon anders aus: Es gibt eine ganze Reihe sehr guter Präsenzen, aber immer noch auch gruselige Websites, die tatsächlich State of the Art der 1990er sind. Zu begrüßen wäre, wenn noch mehr Bistümer Social-Media-Fachleute einstellen würden. Denn man muss mitkriegen, was über Kirche geredet wird in den Netzen. Der Shitstorm ist nicht das Problem. Der Shitstorm ist dann ein Problem, wenn ich ihn nicht mitbekomme.
Frage: Gibt es den katholischen Social-Media-Nerd?
Büsch: Was ich sagen kann, ist auf jeden Fall, dass es diese klassische Vorstellung "Wer da immer vor dem Rechner hockt oder auf dem Smartphone guckt, der ist ansonsten kommunikativ irgendwie ein Dropout und nicht zu sozialen Beziehungen fähig" in der Realität nicht gibt. Das ist völliger Quatsch. Es sind im Gegenteil ja gerade die Online-Engagierten, die in der Regel dann auch offline engagiert sind und umgekehrt. Es mag einen Prozentsatz geben, der Onlinekommunikation kompensatorisch nutzt, aber das ist sicherlich im geringeren Bereich. Ich glaube auch, dass wir im Kontext von Kirche eher weniger mit den sicherlich vorhandenen Missbrauchsgefahren – also extreme, exzessive Mediennutzung bis hin zur Mediensucht – zu tun haben.
Frage: Was kann die katholische Kirche auf diesem Gebiet leisten?
Büsch: Bildung, Bildung, Bildung – das ist für mich der Schlüssel. Und das heißt, dass wir Eltern, Pädagogen, Erzieher und Multiplikatoren stark machen müssen, qualifizieren müssen und da hat Kirche einen Auftrag und da ist sie ja nun auch, wie die beiden eingangs genannten Schriften der Bischofskonferenz belegen, sehr klare Verpflichtungen eingegangen.
Frage: Sind denn Glaube und Kirche im Netz überhaupt noch Thema?
Büsch: Wenn Sie das letzte MDG-Milieuhandbuch ernst nehmen, sind Glaube und Religiosität in allen Milieus ein Thema. Nicht unbedingt kirchlich gebunden, aber es ist ein Thema. Und meine Wahrnehmung ist durchaus, dass das bei Jugendlichen auch so ist. Ob diese Religiosität mit dem, was katholische Kirche im Angebot hat, jeweils kompatibel ist, ist noch mal eine separate Frage.