"Ich habe nichts gewusst"
Erzbischof Karl-Josef Rauber war sehr überrascht, als ihm die Schönstatt-Schwestern, in deren Haus er als Seelsorger wohnt, erklärten, er sei zum Kardinal ernannt worden. Im Gespräch mit katholisch.de sieht der 80-jährige frühere Vatikan-Diplomat seinen neuen Titel entspannt. Er verrät, ob sich sein Leben im Ruhestand nun überhaupt ändert, wer ihm bereits gratuliert hat und spricht offen über sein Verhältnis zu den beiden Päpsten. Auch zum früheren Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone hat er eine klare Meinung.
Frage: Herr Erzbischof, wie haben Sie von ihrer Ernennung zum Kardinal erfahren?
Karl-Josef Rauber: Ich habe erst durch die Schwestern, in deren Haus ich hier lebe, davon erfahren. Die wiederum wurden von anderen Schönstatt-Schwestern informiert, die am Sonntag im Vatikan beim Angelus-Gebet dabei waren und es daher vom Papst selbst gehört hatten. Bis dahin habe ich nichts davon gewusst.
Frage: Man hat Sie nicht vorher informiert?
Rauber: Nein, hat man nicht (lacht).
Frage: Können Sie sich vorstellen, wie Papst Franziskus auf ihren Namen gekommen ist?
Rauber: Ich habe zwar im vergangenen Mai in Rom bei einer Messe des Papstes konzelebriert und im Anschluss ganz kurz mit ihm gesprochen. Er hat zu mir gesagt: "Beten Sie für mich." Aber näher kenne ich den Papst auch nicht. Er wird sich wahrscheinlich über meine Person informiert haben, zum Beispiel bei den Mitarbeitern der verschiedenen Nuntiaturen, in denen ich tätig war. Vielleicht hat er auch von der Beilegung des Streits im Bistum Chur in der Schweiz gehört, an der ich beteiligt war. Ich jedenfalls hab ihm nichts davon erzählt (lacht). Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie der Heilige Vater auf mich gekommen ist. Das hat mich sehr überrascht.
Frage: Wer hat ihnen denn schon alles zur Ernennung gratuliert?
Rauber: Das waren schon sehr viele. Vor allem die Menschen, mit denen ich in den Nuntiaturen zusammengearbeitet habe, zum Beispiel meine früheren Sekretäre. Aber auch die Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan, hat schon angerufen. Gleich als Erster hat sich allerdings Kardinal Karl Lehmann gemeldet. Mit dem Bistum Mainz bin ich ja noch immer sehr verbunden. Der hat gesagt: "Du, ich hab da etwas gehört. Du sollst Kardinal werden. Wusstest du vorher etwas davon?" Und ich habe "Nein" geantwortet. Da meinte Karl: "Vielleicht ist es ja doch nur eine Ente."
Frage: War es dann ja am Ende doch nicht. Was bedeutet ihnen persönlich der Kardinalsrang?
Rauber: Es ist natürlich eine Freude für mich. Besonders, weil ich damit nicht gerechnet und ja auch in Rom nie irgendwelche Vorstöße in diese Richtung gemacht habe. Ich war zufrieden mit dem, was ich bis dahin erreicht hatte. Ich war ja bis 2009 Nuntius in Belgien und bin dann hierher gekommen, damit ich noch weiter seelsorgerisch tätig sein kann.
Frage: Zu ihrer Zeit in Belgien sollen Sie so ihre Probleme mit Papst Benedikt XVI. gehabt haben. Stimmt das?
Rauber: Ich habe kein Problem mit ihm gehabt, ganz im Gegenteil. Ich habe ihm auch zu meinem Abschied noch persönlich geschrieben und er hat mir geantwortet, dass er sich sehr darüber gefreut habe. Die Probleme hatte ich mit Kardinal Tarcisio Bertone. Der war Benedikt zwar ein treuer Diener als Sekretär in der Glaubenskongregation, aber vielleicht etwas überfordert als Kardinalstaatssekretär.
Frage: Und wie schätzen Sie den jetzigen Papst ein?
Rauber: Vieles, was der neue Papst beginnt, ist zukunftsweisend. Man muss sich von einigem Traditionellen verabschieden, aber nicht von der Tradition. Das ist ein Unterschied. Ich meine beispielsweise Dinge, die den Papst selbst, die Person anbelangen. Er muss – und das tut er ja auch – den Eindruck erwecken, dass er bei allen Menschen sein will. Auch wenn er natürlich nicht jeden Gläubigen empfangen kann. Kirche muss vereinfacht und natürlicher gestaltet werden, indem sie den Menschen in Barmherzigkeit und Liebe entgegentritt.
Lebenslauf Erzbischof Karl-Josef Rauber
11. April 1934: geboren in Nürnberg 1959: Priesterweihe in Mainz 1962-1966: Studium des Kirchenrechts in Rom, parallel Ausbildung für den diplomatischen Dienst an der Päpstlichen Diplomatenakademie. Anschließend Tätigkeit im Staatssekretariat des Vatikan. 1982-1990: Diplomatischer Dienst in Uganda, zunächst als Geschäftsträger, anschließend als Pro-Nuntius 1983: Bischofsweihe in Rom 1990: Berufung zum Präsidenten der Päpstlichen Diplomatenakademie durch Papst Johannes Paul II. 1993: Apostolischer Nuntius in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein 1997: Apostolischer Nuntius in Ungarn und Moldawien 2003: Apostolischer Nuntius in Belgien und Luxemburg 2009: Emeritierung aus dem diplomatischen Dienst des Heiligen StuhlsFrage: Das klingt nach dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sie haben von 1962 bis 1966 in Rom studiert. Hat das Konzil, das in diesem Jahr sein 50. Jubiläum feiert, Sie und ihren Glauben geprägt?
Rauber: Das Konzil hat natürlich einen großen Eindruck auf mich gemacht. Wir waren damals so voller Freude, dass die Kirche künftig mehr in unsere Zeit passt. Und dass vieles überwunden wird, was den Menschen gegenüber hinderlich war. Es war eine absolute Aufbruchsstimmung, auch wenn am Ende auch einiges nicht so gut gelaufen ist für die Kirche.
Frage: Jetzt sind Sie seit 2009 bereits im Ruhestand. Wie sieht ihr Alltag aus?
Rauber: Mein Leben ist jetzt dadurch geprägt, für die Bedürfnisse der Schwestern zu sorgen. Ich bereite die Predigten vor, feiere die Heilige Messe mit ihnen oder nehme ihnen die Beichte ab. Das ist eine recht spezielle Seelsorge, die auf die Schwestern zugeschnitten ist und sich daher ein wenig von dem Aufgabenbereich in einer Pfarrei unterscheidet. Außerdem spende ich in der Diözese Rottenburg-Stuttgart noch das Sakrament der Firmung.
Frage: Ändert sich ihr Leben als Kardinal nun?
Rauber: Nein, das tut es nicht. Es ist ja jedem selbst überlassen, ob er sich mit dem Titel auch ändert oder nicht. Und ich möchte, dass es so bleibt, wie es vorher war. Ich möchte weiter Seelsorger sein, Gottesdienste feiern und im Beichtstuhl sitzen.
Frage: Aber im Februar werden Sie zur Kardinalserhebung nach Rom reisen?
Rauber: Ja, das muss ich wohl. Sonst klappt das nicht mit dem Birett. Da muss ich meinen Kopf schon selbst hinhalten (lacht).
Das Interview führte Björn Odendahl