Theologische Einordnung des Papst-Satzes über die Kaninchen

In der Tradition des Konzils

Veröffentlicht am 20.01.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
In der Tradition des Konzils
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Theologie

Bonn ‐ Ein Satz von Papst Franziskus geht seit gestern um die Welt: "Einige glauben, dass man – verzeihen Sie die Ausdrucksweise – um ein guter Katholik zu sein, wie ein Kaninchen sein muss." Manche sehen in dieser auf die Fortpflanzung bezogenen Äußerung einen neuen Kurs des Papstes bei der katholischen Ehelehre. Bei der " fliegenden Pressekonferenz " am Ende seiner Asienreise nutzte Franziskus jedoch nur die Gelegenheit um alte Lehrsätze der Kirche in ein neues Gewand zu kleiden.

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"Es ist wahr, dass die Offenheit für das Leben eine Voraussetzung für das Sakrament der Ehe ist", so Franziskus bei der Pressekonferenz während des Rückflugs von seiner Pastoralreise nach Asien. "Ein Mann kann dieses Sakrament einer Frau nicht spenden und die Frau wiederum kann es ihm nicht spenden, wenn sie sich in diesem Punkt nicht einig sind, offen für das Leben zu sein." Damit wiederholte Franziskus einen wesentlichen Punkt der kirchlichen Ehelehre.

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Papst Franziskus schaut aus dem Fenster eines Flugzeugs.

Gaudium et Spes: Ohne Kinderwunsch keine gültige Ehe

Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Pastoralkonstitution "Gaudium et Spes" formuliert: "Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet" (GS 50). Dieser Satz wurde später sogar wörtlich in das Kirchenrecht überführt. So gilt: Ohne Kinderwunsch gibt es keine gültige Ehe. "Die Ehe ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt", betont das Konzil zugleich. Die gegenseitige Liebe der Partner müsse ihren eigenen, angemessenen Platz haben. Im nachfolgenden Abschnitt führt "Gaudium et Spes" weiter aus: "Wo nämlich das intime eheliche Leben unterlassen wird, kann nicht selten die Treue als Ehegut in Gefahr geraten und das Kind als Ehegut in Mitleidenschaft gezogen werden."

Mit seinem Vergleich spielte Franziskus vor allem auf eine andere Frage der Familienplanung an. Besonders in vielen armen Ländern der Erde ist das Bevölkerungswachstum ein nicht zu unterschätzendes Problem. Viele Kinder werden in Familien geboren, die absehbar nicht für die Kinder werden sorgen können. Was bedeutet das für die Kinderzahl in einer katholischen Ehe? Ist eine Geburtenrate von über drei Kindern von einer Mutter wie auf den armen Philippinen vertretbar? Und wie sieht es mit den niedrigen Geburtenraten in Westeuropa aus, die zu einem kaum aufzuhalten demografischen Wandel führen? "Das Schlüsselwort in dieser Frage ist jenes, das die Kirche und auch ich immer verwenden: Verantwortliche Elternschaft", so Papst Franziskus.

Verwantwortliche Elternschaft

Mit der "verantwortlichen Elternschaft" greift Franziskus einen Begriff auf, der in kirchlichen Ehelehre seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine zentrale Rolle spielt. Die Konstitution Gaudium et Spes spricht von einer "menschlichen und christlichen Verantwortlichkeit", die die Ehepartner bei der Frage der Nachkommenschaft haben. Dabei sollen sie das Wohl der Kinder im Blick haben, aber auch ihre eigenen Verhältnisse. Und die Konstitution sagt auch: "Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fällen."

Papst Paul VI. (1963-1978).
Bild: ©picture-alliance / dpa/Publifoto

Papst Paul VI. (1963-1978).

Aber noch ein weiteres, berühmtes Kirchenpapier schwingt in den Aussagen Franziskus' über die Kinderzahl der Ehe mit: Die Enzyklika " Humanae Vitae ". Über den Autor des Schreibens sagte Franziskus bei der Pressekonferenz: "Paul VI. war kein Rückständiger, kein Verschlossener. Nein, er war ein Prophet." In seinem Rundschreiben aus dem Jahr 1968 widmete dieser dem Begriff der "verantwortlichen Elternschaft" einen eigenen Abschnitt. "Die Liebe fordert von den Ehegatten, dass sie ihre Aufgabe verantwortlicher Elternschaft richtig erkennen", heißt es dort.

Diese Aufgabe sei, so heißt es in "Humanae Vitae", unter vier Aspekten zu betrachten: Erstens müssten Eheleute ausreichende Kenntnisse über die Biologie der Fortpflanzung haben. Zweitens müssten "psychologische Triebe und Leidenschaft" durch Vernunft und Willen beherrscht werden. Drittens bedeute "verantwortungsvolle Elternschaft", sich unter Abwägung der eigenen Situation entweder "hochherzig zu einem größeren Kinderreichtum" zu entschließen, oder aber "zeitweise oder dauernd auf weitere Kinder zu verzichten". Und viertens müssten verantwortungsbewusste Eltern "ihre Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, gegenüber ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft anerkennen."

Franziskus: Gerade für Arme sind Kinder ein Schatz

Für Papst Franziskus scheinen gerade die letzten beiden Punkte besonderes Gewicht zu haben. Bei seiner Flugzeug-Pressekonferenz erzählte er von einer Begegnung mit einer siebenfachen Mutter, die erneut schwanger war. "Willst Du sieben Waisen hinterlassen?", habe er diese gefragt. Die achte Schwangerschaft sei verantwortungslos und würde Gott herausfordern, so Franziskus. Gott gebe dem Menschen die Möglichkeit, verantwortungsvoll zu handeln.

Zugleich zeigte Franziskus jedoch auch Verständnis für den Kinderwunsch vieler Menschen: "Für die ärmsten Menschen ist ein Kind ein Schatz. Vielleicht sind einige nicht umsichtig, das ist wahr. Aber man muss auch auf die Selbstlosigkeit des jeweiligen Papas und der jeweiligen Mama schauen, die in diesem Kind einen Schatz sehen."

Von Kilian Martin

Dokumentation: Humanae Vitae, 10

Verantwortliche Elternschaft Deshalb fordert die Liebe von den Ehegatten, daß sie ihre Aufgabe verantwortlicher Elternschaft richtig erkennen. Diese Aufgabe, auf die man heute mit gutem Recht ganz besonderen Wert legt, muß darum richtig verstanden werden. Sie muß aber unter verschiedenen berechtigten, miteinander zusammenhängenden Gesichtspunkten betrachtet werden. Was zunächst die biologischen Vorgänge angeht, bedeutet verantwortungsbewußte Elternschaft die Kenntnis und die Beachtung der mit ihnen zusammenhängenden Funktionen. So vermag der Mensch in seinen Fortpflanzungskräften die biologischen Gesetze zu entdecken, die zur menschlichen Person gehören. Was dann psychologisch Trieb und Leidenschaft betrifft, so meint verantwortungsbewußte Elternschaft ihre erforderliche Beherrschung durch Vernunft und Willen. Im Hinblick schließlich auf die gesundheitliche, wirtschaftliche, seelische und soziale Situation bedeutet verantwortungsbewußte Elternschaft, daß man entweder, nach klug abwägender Überlegung, sich hochherzig zu einem größeren Kinderreichtum entschließt, oder bei ernsten Gründen und unter Beobachtung des Sittengesetzes zur Entscheidung kommt, zeitweise oder dauernd auf weitere Kinder zu verzichten. Endlich und vor allem hat verantwortungsbewußte Elternschaft einen inneren Bezug zur sogenannten objektiven sittlichen Ordnung, die auf Gott zurückzuführen ist, und deren Deuterin das rechte Gewissen ist. Die Aufgabe verantwortungsbewußter Elternschaft verlangt von den Gatten, daß sie in Wahrung der rechten Güter- und Wertordnung ihre Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, gegenüber ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft anerkennen. Daraus folgt, daß sie bei der Aufgabe, das Leben weiterzugeben, keineswegs ihrer Willkür folgen dürfen, gleichsam als hinge die Bestimmung der sittlich gangbaren Wege von ihrem eigenen und freien Ermessen ab. Sie sind vielmehr verpflichtet, ihr Verhalten auf den göttlichen Schöpfungsplan auszurichten, der einerseits im Wesen der Ehe selbst und ihrer Akte zum Ausdruck kommt, den anderseits die beständige Lehre der Kirche kundtut. (Quelle: vatican.va)

Dokumentation: Gaudium et Spes, 50

Die Fruchtbarkeit der Ehe Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. Kinder sind gewiß die vorzüglichste Gabe für die Ehe und tragen zum Wohl der Eltern selbst sehr viel bei. (…) Ohne Hintansetzung der übrigen Eheziele sind deshalb die echte Gestaltung der ehelichen Liebe und die ganze sich daraus ergebende Natur des Familienlebens dahin ausgerichtet, daß die Gatten von sich aus entschlossen bereit sind zur Mitwirkung mit der Liebe des Schöpfers und Erlösers, der durch sie seine eigene Familie immer mehr vergrößert und bereichert. In ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend mit der Liebe Gottes des Schöpfers und gleichsam als Interpreten dieser Liebe. Daher müssen sie in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit ihre Aufgabe erfüllen und in einer auf Gott hinhörenden Ehrfurcht durch gemeinsame Überlegung versuchen, sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden. Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder - der schon geborenen oder zu erwartenden - achten; sie müssen die materiellen und geistigen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens zu erkennen suchen und schließlich auch das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen. Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fällen. (…) Die Ehe ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt, sondern die Eigenart des unauflöslichen personalen Bundes und das Wohl der Kinder fordern, daß auch die gegenseitige Liebe der Ehegatten ihren gebührenden Platz behalte, wachse und reife. Wenn deshalb das - oft so erwünschte - Kind fehlt, bleibt die Ehe dennoch als volle Lebensgemeinschaft bestehen und behält ihren Wert sowie ihre Unauflöslichkeit. (Quelle: vatican.va)