In der Tradition des Konzils
"Es ist wahr, dass die Offenheit für das Leben eine Voraussetzung für das Sakrament der Ehe ist", so Franziskus bei der Pressekonferenz während des Rückflugs von seiner Pastoralreise nach Asien. "Ein Mann kann dieses Sakrament einer Frau nicht spenden und die Frau wiederum kann es ihm nicht spenden, wenn sie sich in diesem Punkt nicht einig sind, offen für das Leben zu sein." Damit wiederholte Franziskus einen wesentlichen Punkt der kirchlichen Ehelehre.
Gaudium et Spes: Ohne Kinderwunsch keine gültige Ehe
Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Pastoralkonstitution "Gaudium et Spes" formuliert: "Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet" (GS 50). Dieser Satz wurde später sogar wörtlich in das Kirchenrecht überführt. So gilt: Ohne Kinderwunsch gibt es keine gültige Ehe. "Die Ehe ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt", betont das Konzil zugleich. Die gegenseitige Liebe der Partner müsse ihren eigenen, angemessenen Platz haben. Im nachfolgenden Abschnitt führt "Gaudium et Spes" weiter aus: "Wo nämlich das intime eheliche Leben unterlassen wird, kann nicht selten die Treue als Ehegut in Gefahr geraten und das Kind als Ehegut in Mitleidenschaft gezogen werden."
Mit seinem Vergleich spielte Franziskus vor allem auf eine andere Frage der Familienplanung an. Besonders in vielen armen Ländern der Erde ist das Bevölkerungswachstum ein nicht zu unterschätzendes Problem. Viele Kinder werden in Familien geboren, die absehbar nicht für die Kinder werden sorgen können. Was bedeutet das für die Kinderzahl in einer katholischen Ehe? Ist eine Geburtenrate von über drei Kindern von einer Mutter wie auf den armen Philippinen vertretbar? Und wie sieht es mit den niedrigen Geburtenraten in Westeuropa aus, die zu einem kaum aufzuhalten demografischen Wandel führen? "Das Schlüsselwort in dieser Frage ist jenes, das die Kirche und auch ich immer verwenden: Verantwortliche Elternschaft", so Papst Franziskus.
Verwantwortliche Elternschaft
Mit der "verantwortlichen Elternschaft" greift Franziskus einen Begriff auf, der in kirchlichen Ehelehre seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine zentrale Rolle spielt. Die Konstitution Gaudium et Spes spricht von einer "menschlichen und christlichen Verantwortlichkeit", die die Ehepartner bei der Frage der Nachkommenschaft haben. Dabei sollen sie das Wohl der Kinder im Blick haben, aber auch ihre eigenen Verhältnisse. Und die Konstitution sagt auch: "Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fällen."
Aber noch ein weiteres, berühmtes Kirchenpapier schwingt in den Aussagen Franziskus' über die Kinderzahl der Ehe mit: Die Enzyklika " Humanae Vitae ". Über den Autor des Schreibens sagte Franziskus bei der Pressekonferenz: "Paul VI. war kein Rückständiger, kein Verschlossener. Nein, er war ein Prophet." In seinem Rundschreiben aus dem Jahr 1968 widmete dieser dem Begriff der "verantwortlichen Elternschaft" einen eigenen Abschnitt. "Die Liebe fordert von den Ehegatten, dass sie ihre Aufgabe verantwortlicher Elternschaft richtig erkennen", heißt es dort.
Diese Aufgabe sei, so heißt es in "Humanae Vitae", unter vier Aspekten zu betrachten: Erstens müssten Eheleute ausreichende Kenntnisse über die Biologie der Fortpflanzung haben. Zweitens müssten "psychologische Triebe und Leidenschaft" durch Vernunft und Willen beherrscht werden. Drittens bedeute "verantwortungsvolle Elternschaft", sich unter Abwägung der eigenen Situation entweder "hochherzig zu einem größeren Kinderreichtum" zu entschließen, oder aber "zeitweise oder dauernd auf weitere Kinder zu verzichten". Und viertens müssten verantwortungsbewusste Eltern "ihre Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, gegenüber ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft anerkennen."
Franziskus: Gerade für Arme sind Kinder ein Schatz
Für Papst Franziskus scheinen gerade die letzten beiden Punkte besonderes Gewicht zu haben. Bei seiner Flugzeug-Pressekonferenz erzählte er von einer Begegnung mit einer siebenfachen Mutter, die erneut schwanger war. "Willst Du sieben Waisen hinterlassen?", habe er diese gefragt. Die achte Schwangerschaft sei verantwortungslos und würde Gott herausfordern, so Franziskus. Gott gebe dem Menschen die Möglichkeit, verantwortungsvoll zu handeln.
Zugleich zeigte Franziskus jedoch auch Verständnis für den Kinderwunsch vieler Menschen: "Für die ärmsten Menschen ist ein Kind ein Schatz. Vielleicht sind einige nicht umsichtig, das ist wahr. Aber man muss auch auf die Selbstlosigkeit des jeweiligen Papas und der jeweiligen Mama schauen, die in diesem Kind einen Schatz sehen."
Von Kilian Martin