Innerkirchlich und politisch
In 100 kurzen Artikeln schildern sie etwa die große Bedeutung der Treffen für die Entwicklung der Sozialgesetzgebung und der sozialen Marktwirtschaft sowie die Verankerung der Demokratie im katholischen Bevölkerungsteil. Die Katholikentage waren die Bühne für die Auseinandersetzung der katholischen Laien mit dem preußischen Staat, Bismarck oder Hitler. Skizziert werden auch die innerkirchlichen Konflikte um die Unfehlbarkeit des Papstes, die Sexuallehre oder Abtreibung und Zölibat.
Die Geschichte der Katholikentage beginnt 1848. Im Jahr der deutschen Revolution beanspruchten auch die deutschen Katholiken bürgerliche Rechte wie Versammlungs-, Vereins- und Pressefreiheit, Gewissens- und Religionsfreiheit. Am 23. März 1848 wurde in Mainz der "Pius-Verein für religiöse Freiheit" gegründet. Ein gutes halbes Jahr später tagte dort die erste Generalversammlung neugegründeter katholischer Vereine. Dieses Treffen ging als erster deutscher Katholikentag in die Geschichte ein.
1868 beschloss der Bamberger Katholikentag die Bildung des "Zentralkomitees der deutschen Katholikentage", das künftig die "Generalversammlungen der katholischen Vereine" vorbereiten sollte. Seit den 50er Jahren bezeichnet sich dieses Gremium als Zentralkomitee der deutschen Katholiken.
Die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts standen im Übrigen im Zeichen des Kulturkampfs und der innerkirchlichen Auseinandersetzung um das vom Ersten Vatikanischen Konzil beschlossene Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes. Die Versammlung wies jede Kritik am Unfehlbarkeitsdogma "mit Abscheu" zurück.
Keine Katholikentage während der NS-Zeit
Sowohl während des Deutsch-Französischen Krieges 1870 als auch im Umfeld des Ersten Weltkriegs - von 1914 bis 1920 - und während der gesamten Nazi-Zeit gab es keine Katholikentage. 1933 wurde das Treffen im oberschlesischen Gleiwitz abgesagt, weil Ministerpräsident Hermann Göring eine "Treueerklärung" zu Führer und Reich zur Bedingung gemacht hatte. Erst 1948, drei Jahre nach dem Ende des Krieges, kamen Deutschlands Katholiken wieder in großem Rahmen zusammen - und 100 Jahre nach dem ersten Anstoß trafen sie sich erneut in Mainz.
Seit 1950 findet in der Regel alle zwei Jahre ein Katholikentag statt - im Wechsel mit evangelischen Kirchentagen und unterbrochen durch die beiden gemeinsamen Christentreffen, die Ökumenischen Kirchentage von 2003 in Berlin und 2010 in München.
Bis heute gelten Katholikentage als "Fest der Begegnung" und als "Glaubenstage", aber auch als Zeitansage, Momentaufnahme und Spiegelbild der katholischen Kirche in Deutschland. Es gab von innerkirchlichem Streit geprägte Katholikentage: 1968 etwa galt - im Zeichen des Aufbruchs des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Studentenunruhen - als turbulentester Katholikentag aller Zeiten. Es gab sogar Rücktrittsforderungen an den Papst, der kurz zuvor die Enzyklika "Humanae Vitae" über Sexualität, Pille und Verhütung veröffentlicht hatte.
Treffen kreisten um politische Streitfragen
In anderen Jahren kreisten die Treffen um politische Streitfragen: Friedensbewegung und Anti-Atom-Protest hatten in den 1980er Jahren auch bei Katholiken Hochkonjunktur. Danach dominierten die Folgen der deutschen Wiedervereinigung. 1990 fand das 90. Treffen in der noch geteilten Stadt Berlin statt. Kurz darauf war Dresden 1994 Austragungsort und thematisierte die großen Herausforderungen der Einheit. Noch 2006 in Saarbrücken setzte man unter dem Motto "Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht" einen gesellschaftspolitischen Schwerpunkt.
Seither fokussieren sich die Treffen wieder mehr aufs Innerkirchliche: Mit dem Slogan "Einen neuen Aufbruch wagen" für Mannheim 2012 war die innerkirchliche Reformdebatte um Missbrauchsskandal, Kirchenfinanzen und Gemeindereformen endgültig wieder im Zentrum der Katholikentage angekommen.