Kubas Revolutionsführer Fidel Castro wird 90 Jahre alt

Jesuitenschüler, Despot und Ikone der Linken

Veröffentlicht am 13.08.2016 um 12:30 Uhr – Von Alexander Pitz (KNA) – Lesedauer: 
Kuba

Havanna  ‐ Kubas Revolutionsführer Fidel Castro ist tot. Der langjährige Staatschef starb am Freitagabend im Alter von 90 Jahren. Hier können Sie unser Porträt vom August 2016 - zum damaligen 90. Geburtstag - lesen.

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Bart, dicke Zigarre, olivgrüne Uniform und stundenlange, ermüdende Reden über die Vorzüge des tropischen Sozialismus - so kannte die Welt Fidel Castro. Fast 50 Jahre lang stand er an der Spitze Kubas und regierte den Inselstaat mit harter Hand. Trotz seines Rückzugs vor zehn Jahren ist der "Maximo Lider" bis heute eine der schillerndsten Figuren der Weltpolitik; Alt-Linke verehren ihn als Ikone der Revolution.

"Beeindruckende Persönlichkeit und Choleriker"

Doch was für ein Mensch ist der Ex-Staatschef, der laut offiziellem Geburtsdatum am Samstag 90 Jahre alt wird? Boris Coloma, früherer Dolmetscher und Vertrauter Castros, äußert sich zwiespältig über den ehemaligen Vorgesetzten: Castro sei "eine beeindruckende Persönlichkeit" gewesen - mit scharfem Verstand. "Ich habe ihn aber auch als Choleriker erlebt, der Mitarbeiter obszön beschimpfte." Im Laufe der Jahre habe er mit dem Comandante "innerlich gebrochen". Coloma, der inzwischen in Berlin lebt, zieht ein bedrückendes Fazit: "Fidel hat die Revolution verraten."

Máximo Líder und Pontifex: Benedikt XVI. traf den früheren Präsidenten Kubas, Fidel Castro, am 28. März in Havanna.
Bild: ©KNA

Máximo Líder und Pontifex: Benedikt XVI. traf den früheren Präsidenten Kubas, Fidel Castro, am 28. März 2012 in Havanna.

Dabei galt Castro einst als Hoffnungsträger einer Bevölkerung, die in den 1950er Jahren vom Tyrannen Fulgencio Batista und dessen Militärs unterdrückt wurde. Als unehelicher Sohn eines spanischen Plantagenbesitzers geboren, fiel der junge Fidel schon in seiner Schulzeit in einem Jesuitenkolleg Havannas durch Ehrgeiz und schier unbezwingbaren Willen auf: Einmal soll er mit dem Fahrrad absichtlich gegen eine Mauer gerast sein - um zu beweisen, dass Angst und Schmerz ihn nicht aufhalten können.

Die Karrierehoffnungen Castros, der sich während des Jura-Studiums und später als Anwalt politisch gegen die korrupte Regierung engagierte, wurden 1952 jäh zerstört. Kurz vor den Wahlen riss der frühere Unteroffizier Batista durch einen Putsch die Macht an sich. Castro wurde zum Revolutionär. Ein von ihm organisierter Umsturzversuch scheiterte zunächst am 26. Juli 1953 bei einem dilettantischen Überfall auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba. Doch der redegewandte Guerillero versuchte es nach einem Exil-Aufenthalt in Mexiko erneut und fand schließlich so großen Zulauf, dass er 1959 siegreich unter Jubelrufen in Havanna einzog. Seither ist er für Menschen auf der ganzen Welt Vorbild oder Hassfigur - je nach Blickwinkel.

In der katholischen Kirche regte sich schon kurz nach der Machtübernahme Skepsis: "Wenn sich Dr. Fidel Castro, Dr. Manuel Urrutia und ihre Mitstreiter an den bewährten sozialethischen Prinzipien orientieren, machen sie sich um Gott und Vaterland verdient. Wenn sie es aber nicht tun, dann würden sie wenig erreichen, diese neuen Männer, in die eine übergroße Mehrheit unseres Volkes jetzt ihr Vertrauen setzt", hieß es in einem Hirtenbrief des Erzbischofs von Santiago. Schon bald darauf drängte Castro den neuen bürgerlichen Präsidenten Manuel Urrutia ins Exil. Er fing an, alle kritischen Stimmen und auch die Kirche zu unterdrücken; ließ kirchliche Schulen schließen, ordnete die Verbannung von Nonnen und Priestern an. Insgesamt mussten in den 60er Jahren rund 2.500 Priester und Ordensleute die Insel verlassen.

Der Gesprächsfaden zur Kirche riss dennoch nie ganz ab. Nach dem Untergang seines Hauptgeldgebers Sowjetunion unternahm Castro vorsichtige Annäherungsversuche. 1996 traf er in Rom Johannes Paul II. Zwei Jahre später besuchte der polnische Papst Havanna. Dabei ließ der gealterte Revolutionsführer im dunklen Zweireiher kaum eine Gelegenheit aus, sich bei Reden des Papstes in der ersten Reihe zu zeigen. Der Besuch blieb nicht ohne Wirkung: Auf Kuba wurde ein Weihnachtsfeiertag wieder eingeführt, politische Gefangene gelangten in Freiheit. Und die Annäherung ging in kleinen Schritten weiter.

Historische Fortschritte

Fidels jüngerer Bruder Raul Castro (85), der 2006 die Regierung übernahm, setzt diesen Kurs fort. Papst Benedikt XVI. (2012) und Franziskus (2015) reisten nach Kuba. Letzterer erzielte durch seine Vermittlermission zwischen den USA und Kuba historische Fortschritte. Der gesundheitlich angeschlagene Fidel hat sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Beobachter schätzen seinen politischen Einfluss mittlerweile als gering ein. Zuletzt sorgte er beim Kongress der Kommunistischen Partei für Aufsehen, als er sitzend im Trainingsanzug über seinen nahenden Tod sinnierte. Vor einem zu Tränen gerührten Publikum bemerkte er treffend: "Wir alle kommen an die Reihe."

Von Alexander Pitz (KNA)