Emeritierter Kurienkardinal über Herausforderungen der Ökumene

Kasper: Kircheneinheit ist möglich

Veröffentlicht am 13.03.2016 um 13:00 Uhr – Lesedauer: 
Ökumene

Stuttgart/Vatikanstadt ‐ Der Weg zur Einheit der christlichen Kirchen ist für den emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper zwar grundsätzlich möglich, aber "lang und steil". Derzeit fehle es jedoch an Visionen und dem gemeinsamen Willen.

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Mit Blick auf das Gedenken an die Reformation vor 500 Jahren betont der frühere Rottenburg-Stuttgarter Bischof: "Wir sind 2017 nicht mehr wie nach 1517 auf dem Weg zur Trennung, sondern auf dem Weg zur Einheit." Viele Christen erwarteten, dass das Gedenken die Kirchen dem Ziel der Einheit einen Schritt näherbringen werde. Diese Erwartung dürfe nicht enttäuscht werden, so Kasper in dem knapp 100-seitigen Buch über "Martin Luther".

Der heutigen "säkulare Ökumene" seien konfessionelle Unterschiede gleichgültig, so der frühere Theologie-Professor. Die Kirchen könnten es sich nicht leisten, gegeneinander oder selbstgenügsam nebeneinander zu stehen; sie müssten miteinander leben und aufeinander zugehen. Die beste ökumenische Idee für 2017 sei ein gemeinsames Christusfest, wie es der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, vorgeschlagen hatte.

Die Rede von Luther als Bahnbrecher der Geistesfreiheit und Bannerträger der Neuzeit hat nach Kaspers Worten zwar "viel Richtiges, wirft aber auch viele Fragen auf". Die Moderne sei "nicht aus einem einzigen Ursprung und Prinzip zu erklären", sie habe viele Väter und auch viele Mütter. Schon die Reformation lasse sich nicht einseitig auf Luther hin fokussieren. Der Kardinal erinnert in dem Buch "an den humanistisch gesinnten Melanchthon".

Begriff Barmherzigkeit selbst lange "übersehen"

In einem Interview mit "Radio Vatikan" vom Sonntag verriet Kasper, der als theologischer Vordenker von Papst Franziskus' Kurs der Barmherzigkeit gilt, dass er diesen Begriff selbst lange "übersehen" habe. Zum dritten Jahrestag der Wahl von Franziskus sagte er: "Ich muss gestehen, dass ich beim Schreiben meines Buches über die Barmherzigkeit noch mal gelesen habe, was ich selber geschrieben habe, und da kommt die Barmherzigkeit auch kaum vor." Das sei in den vergangenen Jahrzehnten "nicht drin" gewesen. Nun sei es jedoch wichtig, dass Barmherzigkeit wieder zum Vorschein komme.

Der frühere Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen hatte 2012 ein Buch über Barmherzigkeit als Schlüsselbegriff des Evangeliums geschrieben. Franziskus lobte das Werk zu Beginn seines Pontifikats öffentlich. Insgesamt habe die katholische Theologie die Barmherzigkeit in den vergangen Jahrzehnten "ziemlich vergessen", so Kasper weiter. Das zeige ein Blick in die Lehrbücher. Daher habe es auch eine "gewisse Verwunderung" darüber gegeben, "dass der Papst sie jetzt sozusagen wieder hervorholt und dadurch das Zentrum der Botschaft Jesu wieder ins Bewusstsein rückt", so der deutsche Kardinal. (bod/KNA)