Ein Kommentar zur Debatte um Bodo Ramelow als möglichen ersten linken Ministerpräsidenten

Kein Grund zum Feiern

Veröffentlicht am 03.11.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kommentar

Greifswald ‐ Bundespräsident Joachim Gauck sagt, dass er und viele andere seines Alters sich "ganz schön anstrengen" müssen, um zu akzeptieren, dass bald ein Linker Ministerpräsident von Thüringen wird. Nur Menschen seines Alters? Nein, auch ich tue mich schwer mit der Vorstellung, dass die Nachfolgepartei der SED ein Bundesland regiert.

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Meine Familie hat die Auswirkungen der Diktatur zu spüren bekommen. Mit Gefängnis, Bespitzelung, der Verweigerung von Abitur und Studium und alltäglicher Gängelei, weil wir uns als Katholiken nicht anpassen wollten an den real existierenden Sozialismus.

Markus Kremser im Porträt
Bild: ©Markus Kremser

Markus Kremser ist freier Journalist.

Stasi machte die Menschen ohnmächtig

Ich ging als Schüler nicht zu den Thälmann-Pionieren, nicht zur FDJ und selbstverständlich zur Erstkommunion und nicht zur Jugendweihe. Die Quittung war eine vom Unrechtsstaat verordnete Chancenlosigkeit. Ja, die DDR war ein Unrechtsstaat. Bundespräsident Gauck erinnert in im fraglichen Interview daran, dass es keine Verwaltungsgerichte gab, vor denen man sich gegen staatliche Willkür hätte wehren können. Es gab kein Verfassungsgericht. Und es gab die "allmächtige Staatssicherheit, die bis in die privatesten Sphären der Leute hinein Ohnmacht schuf".

Die Staatssicherheit war nur das "ausführende Organ". Angeordnet wurde die Bespitzelung, der Schießbefehl, die Inhaftierung von Oppositionellen, die Zwangsadoptionen, die Enteignungen von Bauern und Gewerbetreibenden nicht von der Stasi sondern von den Funktionären der SED.

Die ließ man nach der Wende größtenteils unbehelligt. Ein paar Alibi-Prozesse wurden gegen einige Mitglieder des Zentralkomitees geführt. Wo sind die SED-Bürgermeister hunderter Orte heute? Was passierte mit den SED-Leitungen der Bezirke, mit den Bonzen, die in den Kreisleitungen das Sagen hatten? Nichts! Nichts passierte.

Linke fordert Abschaffung religiöser Symbole

Viele der Funktionäre sind heute alt. Die meisten von ihnen sind aber noch Mitglied der Partei "die Linke". Und sie bestimmen das Parteiprogramm dieser Partei mit. Das ist deutlich antikirchlich und wendet sich – wie ich meine – sogar gegen die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit. Die flächendeckende Abschaffung "religiöser Symbole wie das Kruzifix" in staatlichen Schulen fordert die Partei ebenso wie die Streichung jedes Gottesbezuges aus dem Grundgesetz und den Länderverfassungen.

25 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur sehe ich nicht, dass "die Linke" sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt. Im Gegenteil: Im persönlichen Gespräch äußern mir gegenüber ehemalige Verantwortungsträger und jetzige Mitglieder der Linken noch heute ihr Bedauern über das Scheitern des Sozialismus. Fehler erkennen sie allenfalls darin, dass sie nicht aggressiver gegen die Feinde des Sozialismus – also uns – vorgegangen sind. 25 Jahre ist der Fall der Mauer her. Mir ist jede Lust zum Feiern vergangen.

Von Markus Kremser

Zur Person

Markus Kremser ist in der DDR aufgewachsen und berichtet als freier Journalist aus dem Osten Deutschlands vorwiegend über kirchliche Themen. Auch für katholisch.de schreibt er regelmäßig Texte.