Offizial Stefan Rambacher über die Neuerungen im kirchlichen Eherecht

Keine "Annullierung light"

Veröffentlicht am 09.09.2015 um 12:30 Uhr – Von Kilian Martin – Lesedauer: 
Kirchenrecht, darauf Figuren von getrennten Eheleuten
Bild: © KNA
Kirchenrecht

Bonn ‐ Kurz vor der Familiensynode hat Papst Franziskus das Eherecht reformiert. Damit hätte der Leiter des Würzburger Kirchengerichts, Offizial Stefan Rambacher, nicht gerechnet. Er ist gespannt, wie die Reformen wirken werden.

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Frage: Monsignore Rambacher, in weniger als vier Wochen beginnt im Vatikan die Familiensynode. Diese sollte sich eigentlich auch mit der Reform des kirchlichen Eherechts befassen. Hat es Sie überrascht, dass der Papst der Synode dieses Thema vorweg genommen hat?

Rambacher: In der Tat hätte ich erst nach der kommenden Bischofssynode mit einer Novellierung der Eheprozessnormen gerechnet. Aber, wie Papst Franziskus einleitend schreibt, hat sich ja schon auf der Synode im vergangenen Oktober eine deutliche Mehrheit für die jetzt vollzogene Reform abgezeichnet. Das Motu Proprio ist also sowohl aus der intensiven Vorarbeit der vom Papst eingesetzten Expertenkommission als auch aus einem breiten Konsens der Bischofssynode 2014 erwachsen.

Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Neuerungen im kirchlichen Eheprozess?

Rambacher: Die neuen Normen, die Papst Franziskus für die kirchlichen Eheprozesse erlassen hat, dienen insgesamt aus einer pastoralen Motivation der Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren. Eine entscheidende Neuerung in dieser Hinsicht ist, dass künftig bereits ein Urteil, das die Nichtigkeit einer Ehe feststellt, ausreicht, um erneut heiraten zu können. Bisher bedurfte es hierzu zweier gleichlautender Entscheidungen, also der Bestätigung des ersten Urteils in einer höheren Instanz. Zuständig für die Führung eines kirchlichen Eheverfahrens ist nun auch das Gericht des Wohnsitzes der klagenden Partei, nicht mehr nur das des Eheschließungsortes oder des Wohnsitzes der anderen Partei. Das erleichtert in manchen Fällen den Zugang zum Prozess. Neu ist auch, dass im Richterkollegium neben einem Geistlichen künftig zwei Laien mitentscheiden können, bisher war dies auf einen beschränkt. Anders als bislang  kann nun den Aussagen und Erklärungen der Parteien schon voller Beweiswert zuerkannt werden, wenn deren Glaubwürdigkeit nicht in Frage steht. Man ist also nicht mehr unbedingt auf Sachzeugen angewiesen.

Video: © Bistum Würzburg/YouTube

Offizial Stefan Rambacher erklärt im Video-Interview das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren.

Frage: Die Kirchengerichte sollen die Verfahren zukünftig deutlich schneller als bisher erledigen. Können die das überhaupt leisten?

Rambacher: Eine Beschleunigung der Verfahren ist ja schon damit gegeben, dass im Falle eines positiven Urteils künftig auf die Überprüfung  in zweiter Instanz verzichtet wird. Auch die Vereinfachung der Beweisregeln etwa zu den Parteiaussagen kann zu einer Verkürzung der Verfahren beitragen.

Frage: Es wird zusätzlich eine Art Schnellverfahren geben, bei dem der Bischof entscheidet. Wissen Sie schon, wie das aussehen soll?

Rambacher: Ja, für dieses Kurzverfahren enthält das Motu Proprio bereits genaue Normen. Es kann dann angewendet werden, wenn sich beide Parteien über die Nichtigkeitsklage einig sind und wenn die Umstände des Falles und die angebotenen Beweise die Ungültigkeit der Ehe evident erscheinen lassen. In diesem Fall kann dann der Untersuchungsrichter in einer gemeinsamen Sitzung die Beweise sammeln. Nach einer kurzen Frist, in der noch Einwände vorgetragen werden können, bespricht dann der Bischof mit dem Untersuchungsrichter und einem weiteren Beisitzer den Fall und kann, wenn die Nichtigkeit der Ehe klar erwiesen ist, sofort das Urteil fällen. Ob dieses Modell in der Praxis realisierbar ist und sich bewährt, bleibt aber noch abzuwarten.

Linktipp: Schneller, einfacher, lokaler

Das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren wird einfacher, schneller und kostenfrei. Papst Franziskus hatte eine entsprechende Reform beschlossen, die am Dienstag im Vatikan vorgestellt wurde.

Frage: Das Verfahren soll zukünftig kostenfrei sein. Waren die anfallenden Gebühren bislang ein großes Problem?

Rambacher: In Deutschland waren die Verfahrenskosten kein Problem, weil die Gebühren doch gering waren. Das hängt natürlich damit zusammen, dass bei uns die Personal- und Sachkosten für das Gericht weitgehend aus der Kirchensteuer finanziert werden können. Das ist in den meisten anderen Ländern der Welt freilich anders. Dort wird es weitaus schwieriger sein, den Aufwand des Gerichts ohne Prozesskosten zu bestreiten, besonders wenn Laien als Richter tätig sind. Hier müssen die Bischofskonferenzen eine Lösung finden.

Frage: Ist diese Reform ein Akt der Barmherzigkeit?

Rambacher: Es kommt den betroffenen Menschen, die eine kirchliche Nichtigerklärung ihrer gescheiterten Ehe anstreben, sicher  schon entgegen, wenn die Verfahren einfacher und auch schneller geführt werden können. Das ist durchaus ein pastorales Moment und ein Akt der Barmherzigkeit. Allerdings wäre es ein Missverständnis, in der Reform des Eheprozessrechts eine Art "Annullierung light" zu sehen. Das Procedere wurde vereinfacht und beschleunigt. Inhaltlich müssen die Richter auch in Zukunft aufgrund der erhobenen Beweise eine klare Gewissheit erlangen, dass die Ehe von Anfang an nicht gültig zustande kam, wenn sie ein Nichtigkeitsurteil fällen. Das heißt, an den Gründen, die zu einer ungültigen Ehe führen, hat sich nichts geändert. 

Themenseite: Familiensynode

Vom 4. bis 25. Oktober 2015 tritt die XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode unter dem Thema "Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" in Rom zusammen. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zur Synode.
Von Kilian Martin