Neuer Papsterlass birgt Risiko des "Bischofsbashings"

Kirchenrechtler fürchtet Denunziationen

Veröffentlicht am 08.06.2016 um 14:55 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Köln ‐ Durch einen neuen Papsterlass können Bischöfe ihr Amt verlieren, wenn sie etwa Missbrauchsfälle vertuschen. Der Beschluss sei gut, berge aber auch Risiken, sagt der Kirchenrechtler Thomas Schüller.

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"Ich sehe das positiv, aber ich habe eine Sorge, wenn man das Gesetz dann genauer liest, dass natürlich das auch Tür und Tor öffnet für Denunziationen", sagte Schüller am Mittwoch im Deutschlandfunk: "Da müssen wir mal abwarten, wie das geht. Es kann nicht sein, dass jetzt ein Bischofsbashing beginnt und jeder, der irgendwo mal nur einen Fehler macht, seines Amtes enthoben wird. Das wäre fatal."

Schüller verwies dabei auf seine Zeit als Mitarbeiter des damaligen Limburger Bischofs Franz Kamphaus: "Da kamen jeden Tag von rechter und linker Seite Denunziationen, der Bischof würde sein Amt nicht sachgerecht ausüben." Trotz dieser Gefahr aber begrüßte Schüller die neuen Präzisierungen von Papst Franziskus, denn damit nehme dieser "die Bischöfe in die Pflicht, nicht wie Feudalherren zu herrschen, sondern wirklich ihr Amt ernst zu nehmen".

Zeichen eines ausgeprägten Machtbewusstseins

Der neue Erlass ist aus Schüllers Sicht auch Zeichen eines ausgeprägten Machtbewusstseins: "Sympathisch, wie Papst Franziskus rüberkommt - und das ist gut für die Kirche, damit da kein falscher Zungenschlag reinkommt - aber er regiert zum ersten Mal wirklich mit der Gewalt, die er hat." Er führe die Kirche, so Schüller weiter, "wie ein absolutistischer Herr, das muss man so deutlich sagen". Und diese Macht übe er auch aus, "stärker und strenger noch als seine bedeutenden Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI.". So freundlich und jesuitisch Franziskus nach außen wirke, so entschieden sei er und auch sehr klar "in der Ausschöpfung seiner Machtfülle".

Darüber hinaus begrüßte der Kirchenrechtler die Entscheidung des Papstes für eine neue Kurienbehörde, in der die Zuständigkeiten für Laien, Familie und Lebensschutz zusammengefasst werden. Auch dass hohe Posten dieser Behörde von Laien besetzt werden können, sei ein Fortschritt: "Er macht Ernst mit seiner Ankündigung, Laien stärker in die Verantwortung zu übernehmen." Den Klerikern sei er ein sehr kritischer Begleiter: "Er stützt sie zwar in ihrem Dienst, aber er sagt deutlich: Ihr dient den Gläubigen und ihr seid keine Herrscher über sie."

Mit den neuen Strukturen stärke Franziskus zudem den Einfluss von Frauen in den höchsten Leitungsämtern, betonte Schüller weiter: "Aber wir sind ja noch an den Rändern des Machtzentrums in Rom. Ich wäre erst zufrieden, wenn zum ersten Mal eine Theologieprofessorin Präfektin der Glaubenskongregation wird und Kardinal Müller ihr Untersekretär wäre." (KNA)