Kritik an Käßmanns Luther-Bild
Diese Darstellung könne sich auch negativ auf das Verhältnis zur katholischen Kirche auswirken. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen nennt als Beispiel die Spezialausgabe des Magazins "chrismon" vom 31. Oktober.
Das Titelbild zeigt in Anlehnung an den historisch nicht verbürgten Thesenanschlag von 1517 die Umrisse Luthers, der einen Hammer schwingt, darunter die Textzeile: "Er kann nicht anders: Martin Luther. Vielen Dank für ein Stück Freiheit." Käßmanns Editorial beginnt mit dem Luther zugeschriebenen Zitat "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen."
Lutherlegenden statt Reformationsforschung
"Einem Historiker wie mir fällt auf, dass beide Episoden, der Thesenanschlag wie der angebliche Satz auf dem Wormser Reichstag, aus dem Arsenal der Lutherlegenden stammen", so Lehmann. Wer 2012 die Darstellung des Thesenanschlag undifferenziert übernehme, "vergibt die Chance, das Gespräch mit der katholischen Kirche über eine weitere Annäherung zu intensivieren."
Es gehe nicht nur darum, "dass die Reformationsbotschafterin Ergebnisse der Reformationsforschung ignoriert und sich stattdessen auf populäre Lutherlegenden beruft", betont Lehmann. "Ebenso bedenklich ist, dass sie bisher mit dem Verweis auf polemisch-abgrenzende Projektionen Chancen vergibt, die im Interesse aller Christen liegen."
Lehmann ist Autor des Buchs "Luthergedächtnis 1817 bis 2017", in der er sich kritisch mit den Reformationsfeiern vergangener Jahrzehnte auseinandersetzt.