Ehemaliger Bundestagspräsident sprach zum Reformationstag in Rom

Lammert kritisiert fortdauernde Kirchenspaltung

Veröffentlicht am 01.11.2017 um 10:36 Uhr – Lesedauer: 
Ökumene

Rom ‐ Nach Auffassung des ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert gibt es keine wirklichen Glaubensunterschiede mehr, die eine Spaltung der Kirchen bei Eucharistie und Abendmahl rechtfertigen würden.

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Für den ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert wäre "versöhnte Verschiedenheit" als Ziel der Ökumene nur "eine verkappte Kapitulation" der Kirchen. "Wenn die Religionen der Welt versöhnt verschieden leben könnten, wäre das ein riesiger Schritt für die Menschheit", so Lammert. Den Christen aber sei von Christus aufgegeben, "eins zu sein". Bei seiner Rede am Reformationstag am Dienstag in Rom wiederholte er seine "persönliche Kritik" an einem fehlenden Willen der Christen zur vollständigen Einigung.

Den Vorwurf hatte Lammert bereits im September bei einem Ökumenetreffen in Bochum geäußert, was ihm Widerspruch aus beiden Kirchen eingetragen hatte. Nach Auffassung Lammerts gibt es keine wirklichen Glaubensunterschiede mehr, die eine Spaltung der Kirchen bei Eucharistie und Abendmahl rechtfertigten. So müssten unterschiedliche Verständnisse von Kirche und Amt "für die Spaltung herhalten". Das Beharren von Institutionen aber und ihrer Vertreter, "sich für wichtiger zu halten als den Zweck, dem sie dienen", sei "ein Skandal". Den gebe es allerdings nicht nur im kirchlichen Bereich, so der CDU-Politiker. Lammert sprach zum Ende des Reformationsgedenkjahres auf Einladung der Deutschen Botschaft in der deutschsprachigen Gemeinde Santa Maria dell'Anima aber auch über Politik und Religion.

Grundgesetz ist "tief religiös geprägter Text"

Entgegen einem "europäischen Missverständnis", so Lammert, seien Moderne und Religion keine Gegensätze. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts seien zwei Entwicklungen zu beobachten: Einerseits die politische Instrumentalisierung von Religion zum Machterhalt, ein Verfahren, so Lammert, das manche islamische Gesellschaften von den Europäern der Neuzeit übernommen hätten. Andererseits gebe es die Meinung, religiöse Überzeugungen seien irrelevant. Diesem Irrtum verfielen mitunter jene, die sich mit Recht gegen religiösen Fundamentalismus wendeten.

Ander als einzelne Menschen "kann der moderne Staat nicht auf religiöse Bezüge und Begründungen verzichten", betonte Lammert. Das deutsche Grundgesetz sei nicht nur wegen des Gottesbezuges ein "tief religiös geprägter Text". Der Katalog der Grundrechte, dem Zugriff des Staates entzogen, beruhe auf Glaubensgrundsätzen, die sich aus dem Erbe von Judentum und Christentum speisten. Die entscheidende, immer wieder auszutarierende Frage laute: "Wie viel Religion verträgt die aufgeklärte Gesellschaft, und wie viel Religion braucht der moderne Staat?". (KNA)