DBK und Vatikan zur europäischen Migrationspolitik

Marx fordert umfassende Teilhabe von Migranten

Veröffentlicht am 30.11.2017 um 15:00 Uhr – Lesedauer: 
Kardinal Reinhard Marx spricht am Münchener Hauptbahnhof mit einem Flüchtling.
Bild: © KNA
Gesellschaft

Genf ‐ "Migranten, Asylbewerber und Flüchtlinge sollten nicht als passive Bittsteller betrachtet werden", sagt Kardinal Reinhard Marx. Der Vatikan warnt unterdessen vor Gleichgültigkeit und Ängsten.

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe von Migranten angemahnt. "Wir sind aufgerufen, die Entwicklung jeder Person zu fördern - unabhängig von ihrem jeweiligen Status", sagte Marx am Donnerstag in Genf. Zu diesem Zweck sei ein Perspektivwechsel notwendig: "Migranten, Asylbewerber und Flüchtlinge sollten nicht als passive Bittsteller betrachtet werden, sondern als Menschen, die einen Neubeginn wagen", so Kardinal Marx. Dabei seien Sprache, Bildung und Arbeit Schlüssel zu gelingender Integration.

Marx äußerte sich bei einem Fachgespräch im Palais des Nations, die als Begleitveranstaltung zur 108. Ratssitzung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) stattfand. Organisiert wurde das Fachgespräch vom Ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, der Vertretung des Souveränen Malteserordens, der Internationalen Katholischen Migrationskommission (ICMC), Caritas Internationalis und der Stiftung Caritas in Veritate.

Marx: Beide Seiten sind gefordert

"Sowohl unter Einheimischen als auch unter Zuwanderern muss sich eine gemeinsame Verantwortung für das Gemeinwohl entwickeln", betonte Marx. Gefordert sei ein Gemeinschaftssinn, der auf "gegenseitiger Anerkennung und gegenseitiger Wertschätzung" beruhe. Auf beiden Seiten bedürfe es "einer Bereitschaft, sich auf bislang unbekannte Sichtweisen, Erfahrungen und Gewohnheiten einzulassen".

Kardinal Marx erinnerte auch an den Beitrag der Kirche zu Fragen der Integration. Gerade die Katholische Soziallehre mache empfindsam für die Befindlichkeiten des Einzelnen. "Wenn wir wirklich die Würde eines jeden Menschen anerkennen, können wir sie nicht zu einem Leben in Untätigkeit zwingen oder ohne ihre Familien zu leben." Deshalb sei es notwendig, jene Hürden abzubauen, die unter Zuwanderern für Gefühle der Frustration und Aussichtslosigkeit führten. Unter ethischen Gesichtspunkten sei es geboten, jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, seine Fähigkeiten zu entfalten.

Bild: ©picture alliance/ZB

Kardinal Reinhard Marx und der Vertreter des Heiligen Stuhls, Erzbischof Ivan Jurkovic, sprachen am Donnerstag vor der Internationalen Organisation für Migration in Genf.

Der Vatikan forderte unterdessen "kreative Lösungen" und breitere Möglichkeiten für eine sichere und legale Einreise von Migranten. Auch Rückführungen in deren Heimatländer müssten in der Regel freiwillig und "unter gerechten und sicheren Bedingungen" stattfinden, betonte der Vertreter des Heiligen Stuhls, Erzbischof Ivan Jurkovic. Wer immer vor Konflikten, Hunger, Diskriminierung, Verfolgung, extremer Armut, Naturkatastrophen oder Umweltzerstörung fliehe, verdiene Aufnahme und Schutz, so der Erzbischof. Es stehe immer "schiere Not" dahinter, wenn Menschen ihre Heimat verließen. Besorgt äußerte sich der Vatikandiplomat vor allem über die wachsende Rolle von umwelt- und klimabedingten Migrationsbewegungen.

Jurkovic: Gleichgültigkeit und Ängste überwinden

Jurkovic mahnte, Gleichgültigkeit und Ängste gegenüber Migranten zu überwinden. Wer an die Tür klopfe, verdiene sicheren Aufenthalt und Zugang zu Basisdienstleistungen sowie Schutz vor Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt. Weiter verlangte er die Förderung menschenwürdiger Lebensbedingungen in den Herkunftsländern und die Möglichkeit für Zuwanderer, in den Aufnahmestaaten ihren Lebensunterhalt zu verdienen und Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung zu erhalten. Auch dürfe Integration nicht auf Anpassung hinauslaufen, sondern müsse ein Prozess in zwei Richtungen sein.

Papst Franziskus rufe politische Vertreter, die Zivilgesellschaft und Religionen zu einer gemeinsamen Antwort auf die Migration auf, sagte Jurkovic. Er verwies dabei auf einen 20-Punkte-Katalog des Vatikan für die Global Compacts zu Flüchtlingen und Migranten, die Ende 2018 von den Vereinten Nationen verabschiedet werden sollen. (bod/KNA)