Erste gemeinsame Ausstellung von Vatikan und Roms Synagoge

Menora über dem Petersplatz

Veröffentlicht am 15.05.2017 um 15:10 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Die Menora steht als Symbol für das Judentum. Warum der Vatikan und Roms Synagoge dem siebenarmigen Leuchter jetzt eine gemeinsame Ausstellung widmen, erklärt Arnold Nesselrath, Direktor in den Vatikanischen Museen.

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Zum ersten Mal veranstalten der Vatikan und die jüdische Gemeinde Roms eine gemeinsame Ausstellung. Das Thema: "Die Menora. Kult, Geschichte und Mythos". Die Ausstellung wurde am Montag eröffnet und ist bis zum 23. Juli zu sehen. Arnold Nesselrath, Direktor in den Vatikanischen Museen hat die Ausstellung geplant und vorbereitet. Er  spricht im Interview über die Konzeption und verrät, was es mit dem Gerücht auf sich hat, das verschollene Original aus 35 Kilo Gold befinde sich in den Händen des Vatikan.

Frage: Professor Nesselrath, zum ersten Mal flattert eine Fahne mit der Menora an den Kolonnaden des Petersplatzes. Was bedeutet das?

Nesselrath: Für mich hat es eine ungeheure symbolische Strahlkraft, das älteste Symbol der Menschheit, den Siebenarmigen Leuchter aus dem Tempel in Jerusalem, bekannt als Menora, neben der Fassade des Petersdoms zu sehen. Es zeigt, dass die Wurzeln des Christentums im Judentum zuhause sind – eine zumindest, die andere ist die klassische Antike. Und damit bietet sich Rom als Ort für eine Ausstellung zur Menora ganz besonders an. Die Übertragung dieses jüdischen Symbols durch die römischen Kaiser nach Rom bedeutete auch gleichsam eine Vereinigung der beiden Wurzeln des Christentums. Und um diesen Dialog zwischen den Religionen geht es uns in dieser Ausstellung - in einer Zeit, wo Religionen immer wieder als Anlass von Krisen und Konflikten missbraucht werden.

Arnold Nesselrath  im Porträt
Bild: ©KNA

Arnold Nesselrath ist Direktor in den Vatikanischen Museen.

Frage: Es ist die erste gemeinsame Ausstellung von Vatikan und jüdischer Gemeinde. Was will das heißen?

Nesselrath: Das zeigt, dass sich Religionen bei allen unterschiedlichen Betrachtungsweisen auf gemeinsame Themen einigen können. Das Verständnis der Menora im Judentum ist ein anderes als im Christentum; das zeigt die Geschichte, und das führen wir in dieser Ausstellung vor. Nichtsdestotrotz ist es gelungen, dass unsere beiden Institutionen diese Ausstellung gemeinsam realisieren konnten. Und dass wir genug gemeinsame Themen gefunden haben, um hier etwa 130 Objekte zusammenzubringen. Wichtig ist daher auch, dass die Ausstellung sowohl im Vatikan - im Braccio di Carlomagno am Petersplatz – als auch im Jüdischen Museum unter der Synagoge stattfindet. Es gibt ein einheitliches Ticket, das den Zugang zu beiden ermöglicht. Diese symbolischen Gesten sind uns sehr wichtig.

Frage: Warum das Thema "Menora"? Sie bezeichneten sie als das älteste religiöse Symbol der Menschheit.

Nesselrath: Ich glaube, die Menora ist das älteste, immer noch verwendete Symbol der Menschheit. Sie ist laut Altem Testament von Gott dem Mose in Auftrag gegeben worden. Er stellte die erste Menora aus 35 Kilo Gold her, und sie wurde dann zum Inbegriff des Judentums bis heute. Sie stand immer vor der Bundeslade, kam in den ersten Tempel, wurde für den zweiten Tempel nochmals rekonstruiert. Und sie blieb das entscheidende jüdische Symbol, auch nachdem sie nach Rom überführt wurde und dann in den Kriegen und Wirren der Spätantike unterging. Man weiß nicht wohin. Nach manchen Legenden soll sie nach Nordafrika gebracht worden sein, nach anderen zurück nach Jerusalem, andere sahen sie in Frankreich – oder wollten sie hier in Rom belassen.

Frage: Ein jüdisches Symbol, das aber auch im Christentum benutzt wird.

Nesselrath: In der Tat gibt es vor allem seit karolingischer Zeit und im Hochmittelalter eine hohe Blüte siebenarmiger Leuchter in christlichen Kirchen. Ich denke an den enormen, sieben Meter hohen Trivulzio-Leuchter im Mailänder Dom oder den siebenarmigen Leuchter im Essener Münster. Für diese Ausstellung hier haben wir den wunderschönen, etwa zwei Meter hohen Leuchter aus Paderborn bekommen. Und die Tradition geht weiter. Die Menora bildet heute das Staatswappen des Staates Israel.

Ein großer verzierter Stein als Teil einer Austellung.
Bild: ©katholisch.de

Der Stein aus Magdala am See Genesaret war bisher noch nie außerhalb Israels zu sehen.

Frage: Und auf das sich auch das Christentum beruft.

Nesselrath: Wenn man sich in die Tradition des Judentums stellt, ist es folgerichtig, dass das Christentum das Symbol der Menora aufgreift – und auch uminterpretiert. Es wurde transformiert, ist etwa zur Wurzel Jesse geworden, mit pflanzlichen Symbolen – dazu haben wir in der Ausstellung hier eine Zeichnung. Es ist ein lebendiges Symbol, das im Christentum ein Eigenleben entfacht und auf das sich das Judentum in anderer Weise immer noch bezieht. Das ist auch ein Zeichen für die Macht der Bilder, für die Kraft solcher Embleme. Darauf wollen wir hinweisen, dazu gibt es unterschiedliche Perspektiven. Und das kann man auch konstruktiv und dialogmäßig wahrnehmen.

Frage: Was ist bei der Ausstellung zu sehen?

Nesselrath: Wir haben zunächst einmal erklärt, was die Menora ist, was der Kult bedeutet, wie der Tempel eingerichtet war, mit der Bundeslade, dem Schaubrottisch, den Trompeten und eben der Menora. Dann haben wir uns bemüht - da es die Menora selbst ja nicht mehr gibt - so viele authentische Belege zu bekommen wie möglich. Dazu gehört der sogenannte Stein aus Magdala am See Genesaret, der 2009 ausgegraben worden ist und bisher nie außerhalb Israels zu sehen war. Sein Relief der Menora entstand zur Zeit, als diese sich noch im Tempel von Jerusalem befand (also vor dessen Zerstörung im Jahr 70 durch Titus). Dann haben wir einen Abguss vom Relief des Titusbogens, der den Moment des Transports der Kriegsbeute nach Rom zeigt. Dann präsentieren wir die entsprechenden Texte: Von Flavius Josephus, der den Jüdischen Krieg von Titus und Vespasian beschreibt, und von Prokop über den Untergang der Antike und die Barbareneinfälle, denen die Menora irgendwie zum Opfer fiel.

Schließlich zeigen wir das Nachleben der Menora im Judentum wie im Christentum. Eine der Nachbildungen des siebenarmigen Leuchters vom Titusbogen stammt aus dem 14. Jahrhundert aus dem Pilgerheiligtum von Mentorella in den Abruzzen. Ein Jahrhundert jünger sind zwei Leuchter aus Pistoia und Prato - aus dem Umkreis von Donatello. Dann haben wir aus der Albertina die Kopie einer Vorzeichnung Raffaels für sein Stanzen-Fresko "Die Vertreibung des Heliodor aus dem Tempel in Jerusalem", wo diese wunderbare Tempelszene mit dem ganzen Rauch, mit Lampen, mit den religiösen Funktionen von Raffael fast filmisch wiedergegeben wird. Es folgen Darstellungen bis in die Moderne hinein, Poussin, Silvestre, Chagall. Weiter können wir eine Vorzeichnung des Graffitos mit dem Relief des Titusbogen auf der Böschungsmauer des römischen Tiber von William Kentridge ausstellen. Schließlich hat ein jüdischer Goldschmied eigens für die Ausstellung ein siebenarmiges floreales Ornament hergestellt – womit die Ausstellung bis heute reicht.

Frage: Immer wieder taucht die These auf, die Menora existiere noch – sie sei gar im Vatikan versteckt. Was halten Sie davon?

Nesselrath: Ich glaube, dass diese Legende von Papst Nikolaus IV. (1288-1292) in die Welt gesetzt worden ist. Er hat im Lateran, seiner Bischofskirche, eine drei Meter hohe Inschrift anbringen lassen, auf der er sagt, dass die Menora und die anderen Beutestücke aus dem Jerusalemer Tempel jetzt unter dem Altar der Lateran-Basilika begraben seien. - Die Grabungen unter dem Lateran haben natürlich gezeigt, dass da nichts ist. Aber wir haben von dieser Inschrift einen Abguss machen lassen und damit der jüdischen Gemeinde gleichsam schriftlich gegeben, was wir von der Menora im Vatikan wissen und gefunden haben. Aber sie ist und bleibt verschwunden. Im Vatikan ist sie sicher nicht.

Ausstellungsstücke der Ausstellung "Menora" im Vatikan
Bild: ©KNA

Ausstellungsstücke der Ausstellung "Menora" im Vatikan, darunter eine Menora (vergoldetes Holz, Florenz, 18. Jahrhundert).

Frage: Aber vielleicht wurde sie ja in den Tiber geworfen…

Nesselrath: Das ist eine andere These. Im 19. Jahrhundert hat man begonnen, im Tiber nach der Menora zu fischen und zu baggern. Auch da hat man nichts gefunden. Aber zu diesem Anlass gab es ein Relief, dass an diese Geschichte anschließt, eine Fälschung jener Zeit. Auch die zeigen wir in der Ausstellung.

Wir wollen das Thema Menora in seiner ganzen Breite abdecken, wie der Titel besagt: Kult, Geschichte und Mythos. Dabei geht es letztlich um die ideelle Menora, die Tradition der Menora, die fortschreitet. Und deshalb erscheint mir auch dieses Symbol, dass die Menora über den Petersplatz strahlt, und im Poster sogar vergoldet ist, von einer  Bedeutung, die man nicht unterschätzen sollte und die natürlich gewaltig ist. Sie will ein Zeichen des interreligiösen Dialogs und des Friedens setzen.

Von Johannes Schidelko