Papst: Kindesmissbrauch ist Krankheit
Egal ob Missbrauchsfälle, Priesternachwuchs oder Korruption im Vatikan: Bereits im November vergangenen Jahres sprach Papst Franziskus mehr als drei Stunden lang mit Ordensoberen aus aller Welt über die Probleme der Kirche. Bisher drang kaum etwas von diesem Gespräch hinter verschlossenen Türen an die Öffentlichkeit. Doch das ändert sich nun.
"Affektive Reife" muss sichergestellt sein
Denn der Jesuit Antonio Spadaro hat die Unterredung mit den Teilnehmern der 88. Generalversammlung der Vereinigung der Generaloberen transkribiert. Sie soll zwar erst am Samstag in der 4.000. Ausgabe der Jesuitenzeitschrift "Civilta Cattolica" erscheinen. Doch vorab berichtet bereits die italienische Tageszeitung "Corriere della Sera" über erste Details. Demnach hat der Papst das Thema Kindesmissbrauch erneut groß auf die Agenda geschrieben – und ihn als "Krankheit" bezeichnet.
"Wenn wir nicht davon überzeugt sind, dass er eine Krankheit ist, werden wir das Problem nicht gut lösen können", so Franziskus. Er mahnte die Ordensoberen etwa zu Vorsicht bei der Aufnahme von Personen, die anderswo abgewiesen wurden. Bei Abweisungen andernorts sollten dort ausführliche Informationen über die Gründe eingeholt werden. Auch die "affektive Reife" der Kandidaten müsse sichergestellt sein.
Sexueller Missbrauch habe häufig eine Vorgeschichte, oft seien spätere Täter früher selbst Opfer sexueller Gewalt geworden, wird der Papst zitiert. "So wird der Missbrauch der Zukunft gesät, das ist verheerend." Wenn Priester oder Ordensleute in Missbrauchsfälle verwickelt seien, sei dies ein Werk des Teufels. "Es ist klar, dass hier der Teufel präsent ist, der das Werk Jesu durch den zerstört, der es verkünden soll", so der Papst.
Mit Blick auf den Priesternachwuchs sagte Franziskus den Ordensoberen, dass bei "der Ausbildung junger Leute für das Leben" und besonders der Priesteramtskandidaten das Kriterium der "Unterscheidung" eine größere Rolle spielen müsse. Das sei im Moment eines der größten Probleme, das wir in der Priesterausbildung haben. "Wir sind in diesem Bereich an Formeln gewöhnt, an Schwarz und Weiß, aber nicht an die Grautöne des Lebens", erklärte der Papst. Aber das, was zähle, sei das Leben und nicht die Formeln. Daher sei es so wichtig, "in der Unterscheidung zu wachsen", so der Papst. "Schwarz-Weiß-Logik" führe nur zu Abstraktion. Unterscheidung bestehe hingegen darin, "im Grau des Lebens nach dem Willen Gottes vorzugehen".
Ein weltliches und fürstliches Klima
Für das Ordensleben forderte Franziskus Prophetie. Er verwies darauf, dass auch Askese weltlich statt prophetisch sein könne, "wenn ich mir damit nur demonstriere, wie gut und stark ich bin. Wahre Askese müsse die Ordensleute jedoch freier machen. In den Strukturen der Kirche gebe es manchmal "ein weltliches und fürstliches Klima", führte der Papst weiter aus. Man müsse gar nicht Kardinal werden, um sich als Fürst zu fühlen – es reiche schon, klerikal zu sein. "Das gehört zum Schlimmsten, was es in der Organisation der Kirche gibt." Ordensleute könnten daher dazu beitragen, dieses furchtbare Klima zu zerstören.
Der Papst widmete sich zudem dem Thema Korruption und betonte, dass auch der Vatikan nicht davor sicher sei. "Es gibt Korruption im Vatikan", sagte Franziskus. Er selbst lasse sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen. Wenn es ein Problem gebe, vertraue er es dem Heiligen Joseph an, indem er einen kleinen Zettel unter dessen Statue in seinem Zimmer lege, sagte Franziskus. (mit Material von KNA)