Parolin richtet "klaren Appell" an Moskau
Westliche Staatsmänner gaben sich nach Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin zuletzt wenig Mühe, die Differenzen mit diplomatischen Floskeln zu kaschieren. Der Vatikan hingegen schlug nach der Begegnung von Kardinalstaatsekretär Pietro Parolin am Mittwoch deutlich freundlichere Töne an: Das Gespräch habe in "einem positiven, herzlichen Klima von Respekt und gegenseitigem Hören" stattgefunden, teilte er nach der Begegnung in Putins Residenz in Sotschi am Schwarzen Meer mit. Worüber beide genau gesprochen haben, erfuhr man allerdings nicht. Es habe einen "offenen Meinungsaustausch" zu verschiedenen internationalen und bilateralen Themen gegeben, so der Vatikan. Nach Kreml-Angaben würdigte auch Putin den "vertrauensvollen und konstruktiven Dialog" zwischen Russland und dem Heiligen Stuhl und begrüßte den Dialog zwischen katholischer und russisch-orthodoxer Kirche.
Das Gespräch mit Putin bildete den Abschluss der viertägigen Russland-Reise Parolins, die am Donnerstag endete. Beobachter werteten sie schon vor Antritt als historische Mission. Denn es war der erste Besuch eines Kardinalstaatssekretärs in Russland seit 1999. Ein Papst war noch nie in Moskau. Parolin hatte angekündigt, dass er im Konflikt zwischen Russland und dem Westen vermitteln wolle.
Klarer Appell an Moskau
Dass der Vatikan trotz aller freundlichen Worte nicht bereit ist, die russische Aggression gegenüber der Ukraine und seine Militärhilfe für das Assad-Regime in Syrien einfach hinzunehmen, zeigte sich am Dienstag nach einem Treffen Parolins mit Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Der Kardinalstaatsekretär richtete nach vatikanischen Angaben "den klaren Appell" an Moskau, "sich für das Allgemeinwohl, für Gerechtigkeit und das Völkerrecht einzusetzen". Die Wahrheit der Fakten müsse respektiert und dürfe nicht manipuliert werden. Lawrow selbst zeichnete ein harmonischeres Bild. Die Positionen des Heiligen Stuhls und Russlands zur "friedlichen Beilegung" von internationalen Konflikten und der "Abwehr von Terrorismus und Extremismus" lägen nahe beieinander, resümierte er.
Der Kardinalstaatsekretär bat Russland nach eigenen Angaben auch um Vermittlung in Venezuela. Der Vatikan hatte in dem Konflikt zwischen Staatspräsident Nicolas Maduro und der Opposition selbst zu vermitteln versucht, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Er denke, dass Russland bei der Lösung der Krise in Venezuela helfen könne, weil es eng mit dem südamerikanischen Land verbunden sei, sagte Parolin nach der Begegnung mit Lawrow. "Eng verbunden" heißt konkret: Russland ist zweitgrößter Gläubiger Venezuelas. Zudem soll der russische Ölkonzern Rosneft einen Betrag in Milliardenhöhe an das am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehende südamerikanische Land überwiesen haben, um sich Zugang zu den größten Ölreserven der Welt zu sichern.
Kein Besuch von Franziskus
Ein Russland-Besuch von Papst Franziskus scheint nach dem Besuch Parolins kaum näher gerückt zu sein. Nach dem Treffen Parolins mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. teilte das Patriarchat mit, dass nicht über ein zweites Treffen zwischen Kyrill I. und Franziskus gesprochen worden sei. Ein Papstbesuch in Russland ohne ein solches Treffen mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen wird es aber nicht geben.
Im Februar 2016 war es in Kubas Hauptstadt Havanna erstmals in der Geschichte zu einem Treffen zwischen einem russisch-orthodoxen Patriarchen und einem Papst gekommen. Diese Begegnung habe eine "neue Etappe in der Entwicklung unserer Beziehungen" eingeläutet, sagte Kyrill am Dienstag zu Beginn des Treffens mit Parolin. Konkreter wurde er nicht.
Parolin ließ erkennen, dass der Dialog zwischen Rom und Moskau weiter ein schwieriges Unterfangen bleibt. Sein Besuch in Moskau solle als ein "kleiner Ziegelstein" die neuen Beziehungen zwischen den beiden Kirchen voranbringen. Er fügte hinzu: Geduld sei eine christliche Tugend.