Petrus-Reliquien erstmals zu sehen
Über die Echtheit des Petrusgrabes und insbesondere der Knochenreste führten Wissenschaftler jahrzehntelang einen heftigen Disput. Millionen Gläubige verehren jedes Jahr das Grab des Apostelfürsten in der Vatikan-Basilika, wo Tradition und Glaube es seit fast 2.000 Jahren lokalisieren. In der Totenstadt unter der Basilika kann man die Ausgrabungen besichtigen. Aber für Archäologen und Historiker bleiben manche Fragen offen.
Unbestritten in der Fachwelt und durch Quellen ausreichend gesichert sind die Anwesenheit des Apostelfürsten Petrus in Rom und sein Tod unter Kaiser Nero im Zirkus am Vatikanhügel. Zwar klafft zwischen dem Martyrium in den Jahren 64 oder 67 und dem Bau der ersten Basilika unter Kaiser Konstantin im frühen 4. Jahrhundert eine Lücke. Aber bereits für das Jahr 160 ist hier eine archäologisch nachgewiesene Verehrungsstätte für den Apostel belegt, das "Tropaion des Gaius".
Licht in die Ursprungsgeschichte von St. Peter warfen die Ausgrabungen, die Pius XII. unter den Papstgrotten durchführen ließ. Bei der Beisetzung von Pius XI. (1923-1939) waren Arbeiter auf antike Reste gestoßen. Pius XII. (1939-1958) ließ daraufhin im Geheimen Ausgrabungen durchführen. Vier Ausgräber unter Leitung des ehemaligen deutschen Zentrumsabgeordneten Ludwig Kaas stießen 12 Meter unter der Kirche auf eine Totenstadt. Am Ende einer Gräberstraße entdeckten sie die Reste eines Monuments - eben jenes Tropaion -, das in der antiken Literatur über dem Apostelgrab beschrieben wird. Aus der Zuordnung der übrigen Gräber auf dieses zentrale Grab hin kamen sie zum Schluss, auf die Grabstätte Petri gestoßen zu sein. Pius XII. teilte im Heiligen Jahr 1950 der überraschten Öffentlichkeit mit, das Grab des Apostelfürsten sei gefunden.
Ein Teil der Gebeine befindet sich wieder in dem Seitenfach des Grabmonuments
Keine Angaben machten die Archäologen in ihren Berichten über gefundene menschliche Überreste. Aber Jahre später fand die Epigraphik-Professorin Margherita Guarducci heraus, dass man bei den Grabungen durchaus Knochenfunde gemacht habe, die Kaas jedoch zunächst beiseitegeschafft habe. Allerdings hatte Kaas diesen Fund aus einem Seitenfach des Monuments präzise beschriftet und dann in einer Kiste archiviert. Ein Teil der Gebeinereste befindet sich heute wieder in dem Seitenfach des Grabmonuments hinter Plexiglas, ein anderer im genannten Reliquiar.
Guarducci war überzeugt, bei den Knochenfunden handele es sich um die sterblichen Überreste des Apostelfürsten Petrus. Zur Begründung erstellte sie eine komplizierte Translationstheorie, nach der die Gebeine während der Christenverfolgungen im 3. Jahrhundert vorübergehend in die Sebastianskatakombe in Sicherheit gebracht wurden und später wieder in das eigentliche Grab zurückgekommen sein könnten. Die vier Archäologen, unter ihnen der Jesuit Engelbert Kirschbaum und sein erst 2003 im Alter von 104 Jahren verstorbener Mitbruder Antonio Ferrua, warnten dagegen, eine eindeutige Zuordnung von 2.000 Jahre alten Knochen zu einer bestimmten Person sei zu unsicher. Entschieden wehrten sie sich gegen Guarduccis Vorwurf, sie hätten bei den Grabungen schlampig gearbeitet oder gar manipuliert.
Vor diesem Hintergrund scheint die Aussage von Papst Benedikt XVI. zu den - vergleichbaren - Ausgrabungen am Paulusgrab in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern salomonisch. Dort waren die Experten nach einem Radiokarbon-Test zum dem Ergebnis gekommen, dass es sich um Knochen eines Menschen handelt, der zwischen dem 1. und dem 2. Jahrhundert lebte. Dazu der Papst: "Das scheint die einmütige und unbestrittene Überlieferung zu bestätigen, derzufolge es sich um die sterblichen Überreste des Apostels Paulus handelt."
Von Johannes Schidelko (KNA)