Pop-Kantoren sollen Kirchenmusik modernisieren
Popmusik im Gottesdienst ist bislang ein eher seltenes Phänomen in der katholischen Kirche. Normalerweise begleitet die Orgel den Gesang der Gemeinde. Doch das soll sich zumindest im Bistum Essen jetzt ändern. Die beiden Pop-Kantoren Markus Galla und Chris Hees bringen moderne Klänge in die Kirchen des Ruhrbistums. "Praise and Worship", übersetzt Lob und Anbetung, heißt der entsprechende Musikstil. "Das ist Popmusik mit christlichen Texten und Inhalten", erklärt Galla. Dabei könne die musikalische Ausgestaltung von Popballaden über Rock und Jazz bis hin zu Latin reichen.
Für viele Menschen sei dies musikalisch nicht von Popmusik zu unterscheiden, sondern nur anhand der Texte, sagt Galla. "So ist es ein niederschwelliger Zugang für Menschen, die sagen, die Kirchenorgel ist für mich sonntags morgens nichts, aber mit einer anderen Musik und vielleicht auch einer anderen Liturgie könnte Kirche doch was für mich sein."
"Die Orgel ist kein Bandinstrument"
Wer zum Beispiel als Pfarrer oder Kirchenchor im Ruhrbistum etwas über die neuen Gottesdienstklänge erfahren will, kann sich beim Amt für Kirchenmusik melden und die beiden Musiker buchen: "Ein Workshop ist in der Regel zweitägig", erklärt Hees. Bei einem Coaching hingegen treffe man sich über mehrere Wochen an einem Abend in der Woche und probe für ein bestimmtes Ereignis. Allerdings kommt dabei die Königin der Instrumente, die Orgel, nicht zum Einsatz. "Sie ist kein Bandinstrument. Es ist ein anderes Musizieren, als das mit der Orgel möglich ist," erklärt der Musiker.
Die Ursprünge von "Praise und Worship" liegen laut Pop-Kantor Hees in der australischen "Hill Song Church". "Es gibt eine weltweite Tradition, die an der katholischen Kirchen in Deutschland in den letzten 30 bis 40 Jahren vorbeigegangen ist", sagt er. Die evangelische Kirche in Deutschland ist da einen Schritt weiter. Anfang Mai wurde in Witten die Evangelische Popakademie eröffnet. Bereits seit Oktober vergangenen Jahres kann dort "Kirchenmusik popular" studiert werden, wie Studienleiter Hartmut Naumann erklärt.
Eine steigende Nachfrage nach Jazz, Rock und Pop in der Kirchenmusik habe zur Einführung des Studiengangs geführt. "In vielen Gemeinden spielt mal eine Band oder es singt mal ein Gospelchor, aber es ist bisher noch nicht gelungen, so etwas in der Kirchenmusik professionell zu verankern", so Naumann.
Junge und Alte singen laut mit
Auch das Bistum Essen nimmt ein großes Interesse an populärer Gottesdienstmusik wahr. "Wir sind bis zum Jahresende ausgebucht", sagt der Leiter des Kirchenmusikamtes im Ruhrbistum, Stefan Glaser. Die Pop-Kantoren bekommen nach eigenen Angaben viele positive Rückmeldungen zu ihrer Arbeit. "Die Leute haben sich auf für sie teils sehr fremdes Liedgut eingelassen, laut mitgesungen, mitgeklatscht oder auch getanzt", berichtet Galla von einer Veranstaltung. Darunter seien nicht nur Jugendliche. "Auch Leute zwischen 60 und 80 Jahren singen laut mit", so sein Kollege Hees.
Doch über Geschmack lässt sich bekanntlich auch streiten. So habe ein Kritiker in einem Brief an Glaser seine Sorge vor dem Untergang der abendländischen Kirchenmusik angesprochen. Auch, dass die beiden Pop-Kantoren keine studierten Kirchenmusiker, sondern ausgebildete Popularmusiker seien, störe einige.
Zwischen der traditionellen Kirchenmusik und dem neuen Angebot der Pop-Kantoren soll aber keine Konkurrenz entstehen. Für Galla besteht die Aufgabe darin, "ein gesundes Miteinander zu pflegen". Hees sieht das ähnlich: "Kirche ist immer ein Abbild der Gesellschaft mit ihrer kulturellen Vielfalt und Buntheit." Da dürfe jeder Geschmack Platz haben. "Das muss man gar nicht vergleichen mit anderen Formen der Liturgie, anderen Formen des Gottesdienstes oder der Kirchenmusik - die haben alle ihren eigenen Stellenwert, aber diese moderne Musik ist jetzt da", so Hees.
Auch Naumann von der Evangelischen Popakademie sieht zwischen den Musikrichtungen keine Konkurrenz. "Unser Hauptbild für die Kirchenmusik ist das Bild der Vielfalt", sagt er. Die musikalischen Möglichkeiten, die es gibt, müssten auch in der Kirche Platz finden. "Und dabei kann auch gut gemachte Orgelmusik neben gut gemachter Bandmusik stehen".