So reagiert die Kirche auf die "Ehe für alle"
Im Streit um die "Ehe für alle" sieht das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) auch Verfassungsfragen berührt. ZdK-Präsident Thomas Sternberg sagte am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn, er bezweifele, ob ein einfaches Gesetz für eine Gleichstellung ausreiche. Das Grundgesetz sehe einen besonderen Schutz für Ehe und Familie vor. "Wenn die Mütter und Väter des Grundgesetzes darunter die Beziehung zwischen Mann und Frau und die Orientierung auf Kinder verstanden haben, kann man das nicht so einfach übergehen."
Warum muss es der Begriff der Ehe sein?
Gleichgeschlechtliche Paare, die verbindlich Verantwortung füreinander übernähmen, hätten Anspruch auf besonderen Schutz der staatlichen Ordnung und verdienten vorbehaltlose Anerkennung, fügte Sternberg hinzu. Es gebe aber keine Notwendigkeit, so verschiedene Dinge wie die Ehe und die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als gleich zu bezeichnen. Der ZdK-Präsident zeigte sich irritiert darüber, welche Bedeutung die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften bei den Parteien plötzlich erhalten habe. Angesichts der derzeitigen weltweiten Probleme sei es erstaunlich, wie ein solch "nebenrangiges Thema" plötzlich hochgezogen werde, sagte er.
Der Präsident des Familienbunds der Katholiken, Stefan Becker, sieht in einer möglichen Bundestagsentscheidung über die "Ehe für alle" auch eine Chance für die katholische Kirche. Wenn es zu einer Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare kommen sollte, böte sich die Möglichkeit, noch einmal eine breitere Debatte darüber anzustoßen, wie die Gesellschaft "gute und stabile Familienverhältnisse" fördern könne. Die Kirche müsse dann auch noch einmal verstärkt auf die Unterschiede zwischen einer zivilrechtlichen und einer kirchlichen Ehe verweisen. Dazu gehöre auch, dass die Kirche über "neue liturgische Formen" wie Segnungen für homosexuelle Paare und die Bedeutung einer "von Gott gewollten Beziehung" nachdenke. Entscheidend sei für ihn, dass Kinder in guten und stabilen Verhältnissen aufwüchsen.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hatte am Freitag eine Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft kritisiert. Dies stelle einen Bruch mit einem Jahrhunderte alten Eheverständnis dar. Eine Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare würde eine qualitative Neuausrichtung des Begriffs Ehe bedeuten, sagte der Familienbischof der Deutschen Bischofskonferenz. Koch betonte, die Position der Bischöfe sei "keinesfalls homophob motiviert". Eine Unterscheidung bedeute keine Diskriminierung; ganz im Gegenteil werde so "der Unterschiedlichkeit der Lebensformen adäquat Rechnung getragen".
Auch Merkel rückt vom klaren "Nein" ab
Zuletzt hatten SPD, Grüne und FDP vor der Bundestagswahl die völlige Gleichstellung von Homosexuellen bei der Ehe zur Bedingung für eine Koalition gemacht. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte am Dienstag in Berlin sogar, dass er noch in dieser Woche im Bundestag über die "Ehe für alle" abstimmen lassen wolle. Die Grünen waren noch vor einer Woche mit Eilanträgen beim Bundesverfassungsgericht gescheitert, mit denen der Bundestag zu einer zeitnahen Abstimmung über Gesetzesentwürfe gezwungen werden sollte.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mittlerweile von dem klaren "Nein" ihrer CDU zur "Ehe für alle" abgerückt. Am Dienstag hat sie für die von der SPD verlangte Bundestagsabstimmung über die Ehe für alle den Fraktionszwang in der Union aufgehoben. Die CDU-Chefin sagte nach Teilnehmerangaben in der Sitzung der Unionsfraktion, es gehe bei der Abstimmung um eine Gewissensentscheidung. Deswegen könnten die Abgeordneten frei abstimmen.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) rief die Unionsabgeordneten demnach auf, in möglichst großer Zahl an der Abstimmung teilzunehmen. Jene, die eine völlige Gleichstellung der sogenannten Homo-Ehe mit der Ehe von Frau und Mann ablehnten, sollten respektvoll mit der Meinung der anderen umgehen.
Zeitgleich hob auch die CSU ihren Fraktionszwang auf. Die Abgeordneten dürften "ihrem Gewissen folgend eine abweichende Entscheidung treffen", erklärte die Partei am Dienstag in München mit Verweis auf die eigene Position. Diese sehe eine "Ehe für alle" nicht vor. Die Ehe von Mann und Frau stehe zu Recht unter dem besonderen Schutz des Staates, heißt es in der Mitteilung. "Wir wenden uns gegen jegliche Relativierungsversuche." (bod/KNA/dpa)
27.06.2017, 16.00 Uhr: aktualisiert um Aufhebung des Fraktionszwangs der CDU/CSU