Wie der Sozialdienst katholischer Frauen jungen Familien hilft

Stützende Hände

Veröffentlicht am 22.09.2015 um 00:01 Uhr – Von Thomas Schnieders – Lesedauer: 
Eine Mutter mit ihrem Sohn.
Bild: © KNA
Familien-Themenwoche

München ‐ Eine Schwangerschaft stellt Familien vor Herausforderungen. In dieser Situation und später können Eltern eine helfende Hand gut gebrauchen. Dafür sorgt etwa der Sozialdienst katholischer Frauen.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Mama Thao steht auf und seufzt dieses Mütterseufzen. "Wir gehen gleich noch ein bisschen raus auf den Spielplatz", sagt sie zu ihm und seiner zwei Jahre älteren Schwester Maya*. Die Vierjährige hatte am frühen Morgen etwas Bauchschmerzen und ist deshalb nicht in den Kindergarten gegangen. Vermutlich machen sie auch noch einen Abstecher in den Mütterladen, eine Mischung aus Nachbarschaftstreff und Kinderbetreuung.

Dass Thao dort anfangs mit Maya und nun mit Nick hingeht, hat viel mit dem Münchner Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) zu tun. Thao nahm bei dem Verband Beratungsangebote während und nach der Schwangerschaft wahr; seit zwei Jahren hat sie zudem eine Familienpatin. In diesem Projekt vermittelt der SkF Ehrenamtliche in Familien, damit sie diese entlasten können. Sie helfen, indem sie etwa mit Geschwisterkindern spielen, bei Schulaufgaben zur Seite stehen oder bei Behördengängen begleiten. Was aber meist noch wichtiger ist: Sie werden Bezugspersonen, Vertraute und im besten Fall noch mehr. Fast zwei Jahre kennt Thao ihre Familienpatin mittlerweile und sagt: "Ich bin so froh, dass ich sie habe. Sie ist wie eine Freundin."

Hilfe beim Start ins Leben

Seit zehn Jahren lebt Thao Nguyen in München, Kontakte knüpfen fiel ihr anfangs schwer. Es gibt keine große vietnamesische Gemeinschaft wie in Berlin, die sie hätte aufnehmen können. "Die Sprache war für mich schwierig, auch deshalb war ich schüchtern." An ihrer Arbeitsstelle in einem Restaurant lernte sie ihren Mann kennen, doch während der Schwangerschaft mit Maya kam es zu Problemen - ihr Mann trennte sich sogar von ihr. "Ich hatte von einer Freundin von der Schwangerenberatung gehört und ich habe gemerkt: Ich schaffe es nicht alleine." Ihre Beraterin hat ihr die Vermittlung in das Projekt "Start ins Leben" angeboten. Dort helfen Sozialpädagoginnen, Anträge für Behörden auszufüllen, eine neue und größere Wohnung zu finden und begleiten auch zum Frauenarzt. Die Berater kommen für die Gespräche auch zu den Klienten nach Hause, was für die jungen Mütter eine große Erleichterung ist.

Themenseite: Themenwoche "Liebe leben"

Dieser Artikel ist Teil der Familien-Themenwoche "Liebe leben", die vom Katholischen Medienverband initiiert wurde. Die Themenwoche, die von katholischen Medien in ganz Deutschland getragen wird und vom 20. bis 27. September 2015 stattfindet, will im Vorfeld der Bischofssynode im Vatikan auf die Synode und den Themenkomplex Ehe und Familie aufmerksam machen. Katholisch.de bildet auf einer Themenseite ausgewählte Inhalte der Themenwoche ab.

"Wir begleiten eine Mutter in der Regel für sechs bis neun Monate", sagt Petra Bahr, wenn es notwendig ist, aber auch länger. Bahr ist Sozialpädagogin beim SkF und arbeitet bei "Start ins Leben". "Man sollte eher nicht zu lange begleiten, sonst lehnt sich jemand zu schnell zurück." Es sei wichtig, Eltern zu zeigen, wie sie selbstständig und auch selbstbewusst handeln könnten. "Kompetenzerweiterung" heißt das in der Fachsprache, aber natürlich stehen die Mitarbeiter auch später noch für Fragen zur Verfügung. In welchem Umfang und für welchen Zeitraum jemand Unterstützung braucht, ist sehr unterschiedlich. Vielen helfen ehrenamtliche Familienpaten, die sich auf Wunsch an dieses Projekt anschließen können, aber auch losgelöst davon vermittelt werden. 2009 wurden die ersten Patenschaften vermittelt, getragen werden die Kosten durch das Ordinariat des Erzbistums München und Freising, sagt Sozialpädagogin Petra Bahr.

Eine Patin der ersten Stunde ist Heike Becker*. Als sie in der Zeitung von einem Patenschaftsprojekt für Kinder psychisch kranker Eltern las, wollte sie sich dafür engagieren. Zu diesem Zeitpunkt wurde dort zwar niemand gesucht, aber man schlug ihr das neu gestartete Familienpaten-Projekt und die Patenschaft für eine Mutter aus Afrika vor. "Ich wollte mich für eine fremde Welt engagieren", sagt sie darüber heute. Zudem hätten ihr Mann und sie keine eigenen Kinder. "Vor dem ersten Treffen hatte ich schon ziemliche Angst, schließlich kommt man in eine fremde Familie", erzählt sie. Begleitet wurde sie bei diesem ersten Treffen von der Projektleiterin des SkF, die vorher nicht nur die Patin durch Gespräche kennengelernt, sondern auch die alleinerziehende Mutter besucht hatte. Sie brachte beide nun zusammen. Heike Beckers Nervosität war unbegründet: "Es war ein Vertrauen von der ersten Sekunde an."

Mittendrin in der Familie

"Damals dachte ich, es ist eine überschaubare Geschichte. Rausgekommen ist heute eine richtige Beziehung", erzählt sie. Sie sei vielleicht nicht Teil dieser Familie geworden, aber doch mittendrin. Im vergangenen Jahr bekam die Mutter das dritte Kind - vom dritten Mann - und vielleicht ist Heike Becker deshalb für die beiden älteren Töchter zu einer festen Größe geworden. Das gilt vor allem für die mittlere, die heute acht Jahre alt ist. Sie kennen sich seitdem das Mädchen zwei ist - aus der angepeilten Patenschaft von erstmal einem Jahr sind mittlerweile über fünf Jahre geworden. Einladungen zu Geburtstagsfeiern inklusive. Auch zur 12-jährigen Tochter hat sie ein enges Verhältnis. "Sie erzählt mir auch die Probleme, die sie mit ihrer Mutter hat." Es ist ein großer Vertrauensbeweis, vor allem in der Pubertät, wenn das Verhältnis zwischen Jugendlichen und Erwachsenen nicht so einfach ist. In diesem Moment piepst Beckers Handy. Das Mädchen schreibt ihr, dass es an diesem Abend mit dem geplanten Besuch in der Pizzeria klappt. Mehrmals mussten sie das Essen verschieben. "Ich freu mich!", schließt die Nachricht, die Becker laut vorliest. Sie freut sich auch.

Eine Familie fotografiert ihren Schatten.
Bild: ©picture alliance

Familien in Not können in Familienberatungsstellen kompetente Hilfe erhalten.

Es sind aber nicht nur Ausflüge wie diese, die sie mit den Kindern unternimmt. "Es ist eine größere Verantwortung als in einem anderen Ehrenamt", sagt sie. Sie unterstützt die Familie auch im schulischen Bereich: Sie hilft bei Hausaufgaben, begleitet die Mutter zu Elternabenden und hat diese bei der Auswahl der weiterführenden Schulen beraten. "Klar ist natürlich, dass ich nichts ohne die Mutter mache", bekräftigt sie. Die Mutter habe in ihrem Heimatland selbst Abitur gemacht, eine gute Schulbildung für ihre Kinder sei ihr wichtig. Doch ein anderes Schulsystem in einem anderen Land birgt Stolperfallen. An der Entwicklung der Kinder liegt der Patin viel und ihr ist klar, dass sie den Kindern auch Dinge ermöglicht, die die Mutter sich nicht leisten kann. Verpflichtet ist sie dazu natürlich nicht, aber Heike Becker macht das freiwillig und gerne. Ihre Stimme klingt stolz, wenn sie erzählt, dass die achtjährige Tochter ihren Mann in den Golfclub begleitet: "Sie ist sehr ballbegabt."

Eine ähnlich enge Beziehung zu ihrer Patenschaftsfamilie wünscht sich auch Maria Behle. Im Juni lernte sie eine Familie mit zwei Kindern kennen. Die 31-Jährige wollte gerne ein Ehrenamt übernehmen, "bei dem ich nah am Menschen sein kann". Über eine Ehrenamtsagentur, wie es sie in vielen Städten gibt, erfuhr sie von den Familienpatenschaften. "Ich fand es reizvoll, eine muslimische Familie kennenzulernen. Mein eigener Freundeskreis ist eher christlich und westlich geprägt", erzählt sie. Auch diese Familie hatte selbst den Wunsch, einen Paten zu bekommen, und musste ein Jahr warten, bis der SkF ihnen Maria Behle vorstellte. Die Mutter ist in erster Linie Hausfrau und kümmert sich um die beiden drei- und fünfjährigen Kinder. Der Vater hat sich kürzlich selbstständig gemacht und arbeitet entsprechend viel. Im Moment geht es Behle vor allem darum, etwas mit der Mutter und den Kindern zu unternehmen. "Als das Wetter im Sommer gut war, waren wir zusammen im Park und an der Isar. Da gibt es ja auch Stellen, an denen man gut und sicher baden kann. Zusammen macht es einfach mehr Spaß, etwas zu unternehmen", befindet die Münchnerin.

Aus der Patin ist eine Freundin geworden

Sie habe zwar auch schon bei einem Behördenformular geholfen und selbst festgestellt, das Amtsdeutsch kaum verstanden zu haben. Aber in erster Linie gehe es ihr und der Familie um dem Kontakt zueinander. "Wir wachsen zusammen", ist sie sich sicher. "Ich teile aus meinem Leben und wachse hoffentlich in ihr Leben hinein." Noch sind sie bei ihren Ausflügen zu viert, aber wenn das gegenseitige Vertrauen größer geworden ist, will Behle vorschlagen, auch allein mit den Kindern etwas zu unternehmen. "Die Kinder freuen sich immer, wenn sie mich sehen", erzählt die Vorstandsassistentin eines mittelständischen Unternehmens. Wichtig ist ihr aber auch die praktische Unterstützung der Mutter: Im Moment suchen sie nach einem Kindergartenplatz für die dreijährige Tochter - in München, wie in so vielen Städten, kein leichtes Unterfangen. Auch ihre Patenschaft ist erstmal auf ein Jahr geschlossen, doch Behle denkt schon weiter: Sie sei bereit, sich langfristig zu binden. Zwei Stunden Zeit pro Woche sollten sich die Paten nehmen, schlägt der Sozialdienst katholischer Frauen als Richtwert vor. Aber natürlich entscheiden Ehrenamtliche und Familien selbst, wie oft und wie viel Zeit sie miteinander verbringen und wie sie diese gestalten. Auslagen erstattet der Dienst, wobei ein Besuch des Spielplatzes oder an der Isar nichts kostet. Bei Heike Becker scheint es, als fände sie den Gedanken völlig abwegig, sich eine Einladung zum Pizzaessen bezahlen zu lassen. Den beiden Patinnen geht es um mehr als bloßes Engagement: Die Familien wurden und werden zu Vertrauten.

Das gilt auch für Thao Nguyen, die sich mit ihrer Patin, die mittlerweile ihre Freundin ist, meist einmal in der Woche trifft. Ihr konnte sie viele Dinge aus ihrer Heimat Vietnam zeigen, und hat selbst stark von den verschiedenen SkF-Programmen profitiert, an denen sie teilgenommen hat. "Ich bin mutiger geworden", erzählt sie. Formulare machen ihr keine Angst mehr und die deutsche Sprache auch nicht. Durch den Mütterladen, in dem Sohn Nick spielen kann, hat sie viele Bekannte gefunden und seit Kurzem eine stundenweise Anstellung. Schon länger hat sie sich mit ihrem Mann ausgesöhnt, der sich während der Schwangerschaft mit Tochter Maya von ihr getrennt hatte. Sie wohnen wieder zusammen und bekamen ihr zweites Kind: Nick, der nun doch wieder begeistert von seinem Honiglöffel ist und ihn quietschend vor Vergnügen ableckt.

*Namen von der Redaktion geändert.

Stichwort: Sozialdienst katholischer Frauen

Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) ist ein bundesweit tätiger Frauen- und Fachverband in der katholischen Kirche, der sich seit mehr als 100 Jahren der Hilfe für Kinder, Jugendliche, Frauen und Familien in besonderen Lebenslagen widmet. Der SkF wurde 1899 von Agnes Neuhaus zunächst als "Verein vom guten Hirten" gegründet, 1903 erfolgte die Umbennenung in "Katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder" und der Zusammenschluss der bestehenden Vereine zu einem Verband mit einer Zentrale in Dortmund. Heute zählt der Gesamtverein über 150 SkF-Ortsvereine mit rund 14.000 Mitgliedern und Ehrenamtlichen.
Von Thomas Schnieders