Vatikan beschämt über Missbrauchsbericht aus den USA
Mit einer ersten Stellungnahme hat der Vatikan am Donnerstagabend auf den jüngsten Bericht über Missbrauchsfälle im US-Bundesstaat Pennsylvania reagiert. Für die Gefühle nach der Lektüre des ausführlichen Berichts der Staatsanwaltschaft gebe es "nur zwei Worte: Scham und Trauer", heißt es in einer Erklärung von Vatikansprecher Greg Burke.
Der Vatikan verfolge die Arbeit der Untersuchungskommission mit großer Ernsthaftigkeit, heißt es darin weiter. Er betone die Notwendigkeit, sich an staatliche Gesetzesvorgaben zu halten, einschließlich der Verpflichtung, Fälle von Missbrauch zu melden. Die in dem Bericht geschilderten Fälle seien "verbrecherisch und moralisch verwerflich", heißt es weiter in der etwa halbseitigen Erklärung. Die Opfer sollten wissen, dass der Papst auf ihrer Seite stehe.
Vatikan: Mehrzahl der Fälle vor 2002
Zudem weist der Vatikan darauf hin, dass die große Mehrzahl der in dem Bericht geschilderten Fälle aus den Jahren vor 2002 stamme; nur sehr wenige aus der Zeit danach. Dieser Befund der Kommission decke sich mit anderen Studien, denen zufolge die von der US-Kirche ergriffenen Maßnahmen die Zahl der Fälle von Missbrauch durch Kleriker drastisch gesenkt hätten. Dennoch ermutige der Heilige Stuhl zu weiteren Reformschritten und steter Wachsamkeit.
Der am Dienstag vorgestellte Pennsylvania-Bericht einer staatlichen Jury beschuldigt rund 300 zumeist verstorbene Priester, in den vergangenen 70 Jahren mindestens 1.000 Kinder und Jugendliche missbraucht zu haben. In den untersuchten Diözesen des Bundesstaates habe eine "Kultur des Vertuschens" durch ranghohe Kirchenobere geherrscht, die massenhaften Missbrauch erst ermöglicht habe.
Nach der Veröffentlichung des Berichts hatte es Kritik gegeben, weil der Vatikan zunächst nicht darauf reagierte. Wie der US-Sender CNN berichtete, hatte Pennsylvanias Generalstaatsanwalt Josh Shapiro am 25. Juli einen Brief an den Papst geschickt, in dem er ihn auf das Ergebnis der Untersuchung hinwies und dringend notwendige Maßnahmen forderte. Bis Mitte dieser Woche habe Shapiros Büro keine Antwort des Vatikan erhalten, so CNN am Donnerstag.
Deutsche Bischöfe weisen Kritik des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung zurück
Unterdessen warf der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, der katholischen Kirche in Deutschland unzureichende Aufklärung sexuellen Missbrauchs vor. Für eine entsprechende Studie der Deutschen Bischofskonferenz hätten leider nicht alle Bistümer ihre Archive geöffnet, sagte Rörig der Funke Mediengruppe (Freitag). Aufarbeitung werde wohl noch zu oft als Gefahr für die eigene Institution gesehen.
Um Missbrauchsfälle in Deutschland aufzuarbeiten, hatten die Bischöfe 2014 das Projekt "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sollen im Ende September bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda vorgestellt werden. "Es sind nicht nur Einzelfälle oder Einzeltäter - es sind immer auch strukturelle Probleme, die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ermöglichen", so Rörig.
Die Deutsche Bischofskonferenz wies die Kritik Rörigs an mangelnder Aufarbeitung zurück. "Woher Herr Rörig die Information nimmt für seine Behauptung, dass nicht alle Bistümer dazu 'ihre Archive geöffnet' hätten, entzieht sich meiner Kenntnis", erklärte Bischof Stephan Ackermann, der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, am Freitag auf Anfrage in Bonn. "Ich jedenfalls habe dazu keine Anhaltspunkte", so der Trierer Bischof weiter.
Mit Blick auf die aktuelle Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im US-Bundesstaat Pennsylvania sagte Rörig, es sei wichtig, dass in jedem Bistum und in jedem Orden aufgearbeitet werde - "auch proaktiv und nicht erst, wenn Betroffene sich zu Wort melden".
US-Bischofskonferenz kündigt Reformen an
Die katholische US-Bischofskonferenz hat derweil angesichts des jüngsten Missbrauchsskandals tiefgreifende Reformen angekündigt. Zudem bittet sie den Vatikan, das Geschehene im Rahmen einer sogenannten Visitation zu untersuchen. Die katholische Kirche in den USA stehe vor einer "moralischen Katastrophe", so der Konferenzvorsitzende Kardinal Daniel DiNardo am Donnerstag. Er kündigte für November einen umfassenden Reformplan an, "damit sich die Sünden und Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen".
Demnach sollen etwa "neue und vertrauliche Kanäle" geschaffen werden, um Beschwerden gegen Bischöfe vorzubringen, die Missbrauch selbst begangen oder vertuscht haben. Opfern müsse es leichter gemacht werden, Fehlverhalten von Kirchenoberen anzuzeigen. Den Vorwürfen müsse künftig auch schneller, effizienter und transparenter nachgegangen werden, so Kardinal DiNardo.
Belastete Bischöfe dürften nicht mehr die Möglichkeit haben, die kircheninternen Ermittlungen gegen sie zu behindern, sondern müssten den "höchsten Standards an Transparenz und Verantwortlichkeit" gerecht werden. Im Kampf gegen Missbrauch will die Bischofskonferenz außerdem stärker auf die Expertise von Laien setzen. Diese sollten an führender Stelle in die Reformen eingebunden werden. Die katholische Kirche in den USA hatte nach dem Missbrauchsskandal 2002 weitreichende Maßnahmen zu Prävention und Ahndung von sexuellem Missbrauch durch Priester getroffen. Sie gilt im kirchlichen Bereich schon jetzt als weltweit führend auf diesem Gebiet.
Untersuchung des Falls McCarrick
Desweiteren beschlossen die Bischöfe laut der Erklärung auch eine umfassende Untersuchung der Affäre um den früheren Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick (88). Ihm wird der Missbrauch von Seminaristen und mindestens zwei Minderjährigen vorgeworfen.
DiNardo, der Erzbischof von Galveston-Houston ist, kündigte einen Besuch im Vatikan an, wo er über die geplanten Maßnahmen beraten und weitere Hilfe erbitten wolle. Dazu zählt aus Sicht der Bischofskonferenz auch die Durchführung einer Visitation durch die Kirchenspitze. (tja/luk/KNA)
17.8.2918, 14:55 Uhr: ergänzt um die Reaktion des Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz auf Rörig