Missbrauchsexperte nennt Kardinal Pell "unhaltbar"

Vatikan nimmt Kurienkardinal Pell in Schutz

Veröffentlicht am 01.06.2015 um 11:45 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Missbrauch

Sydney ‐ Peter Saunders von der vatikanischen Kinderschutzkommission bezeichnete Kurienkardinal George Pell wegen seiner Rolle im Missbrauchsskandal Australiens als "unhaltbar" im Vatikan. Nun widerspricht ihm Vatikansprecher Federico Lombardi.

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Der Vatikan nahm Pell gegen diesen Angriff in Schutz. Das Kommissionsmitglied Peter Saunders spreche selbstverständlich nicht im Namen des Gremiums, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi am Montag. Die Verteidigung von Kardinal Pell gegen Vorwürfe hinsichtlich seines Umgang mit Missbrauchsfällen verdiene "Respekt". Pell habe stets "genau und wohlbegründet" auf Anklagen und Fragen der australischen Behörden geantwortet.

Lombardi betonte, es sei im Übrigen nicht Aufgabe der Kinderschutzkommission, Nachforschungen anzustellen und Urteile zu einzelnen Fällen zu äußern. Der Brite Saunders ist eines von zwei Missbrauchsopfern in dem 17 Mitglieder zählenden Gremium, das den Papst im Kampf gegen Missbrauch berät.

Saunders bezeichnet Pell als "hart, kaltherzig, fast soziopathisch"

Saunders hatte den früheren Erzbischof von Sydney und heutigen Präfekten des vatikanischen Wirtschaftssekretariats als "hart, kaltherzig, fast soziopathisch" bezeichnet. Pell sei mit mehreren, teils später zurückgezogenen Leugnungen, von Missbrauchsfällen gewusst zu haben, ein "massiver Stachel im Fleisch" des Papstamtes. Franziskus solle "auf die strengstmögliche Weise gegen ihn vorgehen" und den Kardinal aus dem Vatikan entfernen. "Ich persönlich denke, dass er unhaltbar ist", sagte Saunders.

Ein Sprecher Pells nannte die Anschuldigungen "falsch und irreführend". Saunders habe sich sein Urteil gebildet, "ohne jemals mit Seiner Eminenz gesprochen zu haben". Pell sei als Erzbischof von Anfang an "energisch gegen sexuellen Missbrauch von Kindern vorgegangen" und habe eine unabhängige Untersuchung ermöglicht.

Pell verteidigt sich gegen Vorwürfe

In der vergangenen Woche hatte Kurienkardinal Pell angeboten, sich vor einer australischen Missbrauchskommission persönlich gegen den Vorwurf einer Schweigegeld-Zahlung zu verteidigen. Dabei soll Pell dem sexuell missbrauchten Neffen des später verurteilten pädophilen Priesters Gerald Ridsdale Geld angeboten haben, wenn er seine Anschuldigungen fallenlasse. Diese Darstellung hatte Pell bereits zuvor zurückgewiesen.

Der 73-jährige Pell ist seit Februar 2014 Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariates und damit eine Art Finanzminister des Vatikan. Zudem gehört er der von Papst Franziskus eingesetzten Kardinalskommission für eine Reform der römischen Kurie an. (luk/KNA)

1. Juni 2015, 15:40 Uhr: Um die Aussagen des Vatikansprechers ergänzt

Zur Person: George Pell

Kurienkardinal George Pell (73) ist seit 2014 Präfekt des neugegründeten vatikanischen Wirtschaftssekretariates und damit eine Art "Finanzminister des Papstes". Er wurde am 8. Juni 1941 in Ballarat im australischen Bundesstaat Victoria geboren und mit 25 Jahren zum Priester geweiht. Sein Weiterstudium in Rom und Oxford führte ihn zur Promotion im Fach Kirchengeschichte. Nach mehreren Stationen in Seelsorge und Hochschule ernannte ihn 1987 Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zum Weihbischof und 1996 zum Erzbischof in Melbourne. 2001 wurde Pell nochmals befördert, nach Sydney, der Hauptstadt des australischen Libertinismus. Von hier aus meldete er sich immer wieder mit konservativen Statements über Themen wie Homosexualität, Bioethik und Umwelt zu Wort. Ins weltkirchliche Rampenlicht trat er als Gastgeber des Weltjugendtags in Sydney 2008. Als Mitglied der Römischen Glaubenskongregation (1990-2000) gehörte Pell zu den engsten Beratern des damaligen Präfekten Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI. Unter den Kandidaten für dessen Nachfolge im Amt des Präfekten wurde 2005 auch sein Name genannt. (KNA)