Warten auf Rauch
Wer dem abgetretenen Benedikt XVI. auf dem Stuhl Petri folgt, auf den warten die vielen Baustellen der Weltkirche: Oberhirte und Top-Manager muss er sein, die Kirche nach dem Bewahrer Joseph Ratzinger in die Moderne führen.
Die Sixtinische Kapelle ist abgeriegelt wie eine Festung. Nichts von dem, was hier während der Papstwahl hinter verschlossenen Türen besprochen wird, soll an die Öffentlichkeit dringen. Handys und Internet sind verboten, ein Faradayscher Käfig soll Abhöraktionen verhindern. Geheimhaltung ist das oberste Gebot - wer es verletzt, dem droht sogar die Exkommunizierung. Wen die 115 wahlberechtigten Kardinäle hier ab Dienstag zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche wählen, soll ein gut gehütetes Geheimnis bleiben - bis mit einem "Habemus Papam" der neue Papst der Welt präsentiert wird.
Zu festen Zeiten auf den Schornstein blicken
Bis dahin richten sich die Blicke der Öffentlichkeit gespannt auf den Schornstein auf dem Dach der sixtinischen Kapelle . Steigt hier weißer Rauch auf, ist ein neuer Papst gewählt. Nach dem Beginn des Konklaves werden die Pilger auf dem Petersplatz in Rom jeden Tag mehrfach den Atem anhalten: Kommt Rauch aus dem Schornstein und wenn ja, welche Farbe hat er?
Am Dienstag kommt es voraussichtlich zu einem ersten Wahlgang - gegen 20.00 Uhr wird mit dem ersten Rauchzeichen dieses Konklaves gerechnet, allerdings noch nicht mit einem weißen. In den folgenden Wahltagen sind je zwei Wahlgänge am Vormittag und am Nachmittag vorgesehen. Solange kein Papst gewählt ist, wird stets nach zwei Wahlgängen gegen 12.00 Uhr und gegen 19.00 Uhr schwarzer Rauch aufsteigen. Sollte aber die Entscheidung gefallen sein, steigt direkt nach dem betreffenden Wahlgang weißer Rauch auf. Das wäre dann auch um 10.30 Uhr nach dem ersten Wahlgang jedes Wahltages oder um 17.30 Uhr nach dem dritten Wahlgang des Tages möglich.
"Das geht einem schon durch Mark und Bein." So beschreibt der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, bereits bei der Wahl Benedikts 2005 mit dabei, das Gefühl bei der Stimmabgabe. Im Gespräch mit Radio Vatikan erinnert er daran, dass alle unter dem Jüngsten Gericht, dem grandiosen Gemälde Michelangelos, diesen Satz sagen müssen: "Ich versichere, dass ich dem meine Stimme gegeben habe, den ich am meisten geeignet nach dem Willen Gottes finde." Das legt doch jedem Kardinal eine schwere Bürde auf. Nervös ist Lehmann gar nicht, glaubt er, und meint dann: "Freuen wäre zu viel gesagt." Ernst ist gefragt.
Bislang keine eindeutigen Favoriten
Ist ein neuer Papst gefunden, läuten die Glocken des Petersdoms. Viele Gläubige machen sich dann auf den Weg in Richtung Petersplatz, wo sich das neue Oberhaupt der Katholiken erstmals der Öffentlichkeit zeigt. Wer dann den Segen "Urbi et Orbi" erteilen wird, scheint auch kurz vor Beginn der Wahl noch unklar. Eindeutige Favoriten gibt es nicht . Am Montag tauschten sich die Kardinäle ein letztes Mal darüber aus, welche Eigenschaften ihr neuer Oberhirte mitbringen müsste.
Als Favoriten werden oft der Mailänder Erzbischof Angelo Scola (71) und Odilo Pedro Scherer (63) aus Brasilien genannt. Medien in Italien spekulierten schon darüber, wie viele Stimmen die beiden beim ersten Urnengang, der als Testwahl gilt, bekommen und wie sie dann die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit gewinnen könnten. Manche Kardinäle wollten sich aber gar nicht gern auf der Favoritenliste sehen. Denn es gibt die Redewendung, wonach derjenige, der als Papst in das Konklave geht, doch nur als Kardinal wieder herauskommt.
Bis zuletzt spekulierten jedenfalls die Vaticanisti, rechneten schon Stimmenverhältnisse aus. Die römische "La Repubblica" etwa hob noch rasch den New Yorker Erzbischof Timothy Dolan (63) hervor. Er sei neben Scola der "Schattenkandidat" für jene Front, die mit der verkrusteten Kurie in Rom aufräumen wolle. "Alles ist noch möglich", verstärkten dagegen mehrere Kardinäle die Spannung. Viele von ihnen sollen durchaus noch unentschlossen sein, wem sie ihre Stimme geben.
Eine Woche lang haben sich die Kardinäle in Rom gründlich ausgetauscht , die Wahl vorbereitet und hinter verschlossenen Türen um die Zukunft der Kirche gerungen. Einige zeigten sich dabei auch modern und weltlich - etwa der französische Kardinal Philippe Barbarin, der zu den Treffen mit dem Fahrrad kam, oder der Italiener Giovanni Lajolo, der ganz bescheiden am Steuer eines weißen Kleinwagens vorfuhr. Vielleicht zieht doch frischer Wind in den Vatikan ein, womöglich in Gestalt eines jüngeren Kirchenführers?
Von Miriam Schmidt und Hanns-Jochen Kaffsack (dpa)