Frage: Wie könnte eine Lösung aussehen? Sonderwege für einzelne Teile der Weltkirche sind doch kaum denkbar….
Herkert: Ich sehe beim derzeitigen Papst durchaus Bewegungen in diese Richtung. Franziskus sagt, wir müssen nicht immer alles gleichzeitig und überall gleich machen. Die Aufgabe der Familiensynode könnte es also sein, zu formulieren, wo wir als Weltkirche gemeinsam hin wollen – da wäre es die Aufgabe des Papstes, Vorschläge zu machen. Wie das dann konkret ausgestaltet wird, da sind die Diözesen gefragt. Das Bistum ist ja nicht die kleinste Einheit einer römischen Zentralkirche, sondern es ist die Kirche vor Ort. Deswegen geht es auch nicht, sich hinter der Weltkirche zu verstecken, die vermeintlich bremst. Die Bistümer müssen sich ihren Herausforderungen stellen. Schließlich geht es hier um Menschenrechte. Wenn zum Beispiel in Russland oder in Afrika mediale Hetzjagden auf Schwule oder Lesben veranstaltet werden, dann muss die Kirche dort die Stimme erheben und sagen, dass das mit Christentum nichts zu tun hat.
Frage: Ein Thema, das in Deutschland oft angesprochen wird, sind Segnungen für homosexuelle Paare. Wie können Priester mit solchen Anfragen umgehen?
Herkert: Die katholische Kirche ist sehr darauf bedacht, die sakramentale Ehe zu schützen. Deswegen ist eine Segnung ausgeschlossen, die einer Eheschließung nachempfunden ist. Es ist aber nicht ausgeschlossen, Lesben oder Schwulen eine kirchliche Begleitung für ihren Lebensweg anzubieten. Da geht es um ein anderes Verständnis von Segnung. Wir Christen glauben daran, dass Gott seinen Segen allen getauften und gefirmten Menschen bereits zugesprochen hat – ein für alle Mal. Und das gilt dann eben auch für Menschen, die ihr Leben in einer homosexuellen Beziehung in Verantwortung und Liebe miteinander gestalten. Diese Art von Segen kann in einem Gottesdienst durchaus zum Ausdruck kommen. Aber das ist etwas völlig anderes als der kirchenrechtliche Akt der Eheschließung und kann daher eigentlich auch nicht verwechselt werden.
Frage: Könnten pastorale Mitarbeiter nicht doch in Konflikte kommen, wenn sie einen solchen Gottesdienst feiern? Schließlich hat der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst einem Kreispolitiker genau das erst vor kurzem verweigert – mit dem Argument, dass in der Öffentlichkeit der Unterschied zu einer sakramentalen Trauung von Mann und Frau nicht wahrgenommen werde.
Herkert: Die Probleme entstehen erst da, wo solche Feiern zu nah an die Form der sakramentalen Eheschließung gehen. Ich kann zwar statistisch nicht belegen, wie häufig solche liturgischen Feiern sind. Aber ich weiß von sehr vielen Seelsorgern, die mit entsprechenden Anfragen verantwortungsvoll umgehen. In dem konkreten Fall im Bistum Rottenburg-Stuttgart schien es mir doch auch um ein Politikum zu gehen. Wenn der Eindruck entsteht, dass es einem Paar bei einer solchen Anfrage um eine öffentlichkeitswirksame Aktion oder gar Provokation geht, dann ist es auch klar, dass es eine entsprechende Reaktion gibt. Dabei ist es wichtig, dass beide Seiten aufeinander zugehen und miteinander reden, bevor sie an die Medien gehen…
Frage: Was heißt das?
Herkert: Es wäre gut, wenn auch homosexuelle Frauen und Männer sehen, dass eine so große Glaubensgemeinschaft wie die katholische Kirche Ungleichzeitigkeiten birgt, auf die man Rücksicht nehmen muss. Das ist nicht sehr populär, aber da werbe ich einfach um Geduld. Die Kirche ist ja kein monolithischer Block. Die Bischöfe stehen unter vielen Zwängen, trotzdem gibt es unter den Gläubigen und im Klerus sehr viele, die mit dem Thema Homosexualität differenziert umgehen. Ich bitte Schwule und Lesben, auch das zu sehen. Im Erzbistum Freiburg sind wir etwa gerade im Gespräch mit unserem Bischof Stephan Burger zu der Frage, ob und wie er zur gottesdienstlichen Feiern für diese Paare Stellung bezieht. Das würde den Seelsorgerinnen und Seelsorgern schon sehr helfen.