Das Kardinalskollegium verändert unter Franziskus deutlich sein Gesicht

Wohin steuert der "Senat" der Kirche?

Veröffentlicht am 22.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Johannes Schidelko – Lesedauer: 
Wohin steuert der "Senat" der Kirche?
Bild: © KNA
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Das Kardinalskollegium nimmt in der vatikanischen Struktur eine herausragende Stellung ein. Unter Franziskus hat es sich bereits deutlich verändert. Welchen kirchenpolitischen Kurs fährt der Papst dabei?

  • Teilen:

Deutlich aufgewertet hat Franziskus auch die Bischofssynode. Der Kardinalsrat für die Kurienreform - der K9-Rat - wurde zum wichtigen Gremium weit über vatikanische Strukturfragen hinaus. Davon unberührt ist jedoch die herausragende Stellung des Kardinalskollegiums. Der "Senat" der Kirche hat - mit seinen Mitgliedern, die jünger als 80 Jahre sind - nicht nur für die Papstwahl zu sorgen, sondern leistet dem Pontifex "in der täglichen Sorge für die Gesamtkirche Hilfe", wie das Kirchenrecht sagt. Will heißen: Es sind seine obersten Berater.

Papst Franziskus misst der Berufung in dieses ehrwürdige Kollegium allerhöchste Bedeutung zu. Und an der Auswahl werden in besonderer Weise die Anliegen seines Pontifikats deutlich. Schon zweimal seit seinem Amtsantritt hat er den Kreis der Kardinäle ergänzt und erweitert. Klassisches Datum für diese Konsistorien ist der 22. Februar, das liturgische Fest der "Kathedra Petri". 2014 kreierte er dabei 19 und im Folgejahr 20 neue Kardinäle. Mit Blick auf das Heilige Jahr verzichtete er bislang allerdings auf neue Erhebungen.

Bislang 31 neue Kardinäle unter Franziskus

Schon mit seinen ersten beiden Konsistorien hat Franziskus ein gutes Viertel der möglichen Papstwähler neu bestimmt: Von den derzeit 112 unter 80 Jahre alten Kardinälen gelangten 31 in seinem Pontifikat in diesen erlesenen Kreis. 57 wurden von Benedikt XVI. (2005-2013) berufen, 26 von Johannes Paul II. (1978-2005). Der Brasilianer Paolo Evaristo Arns stammt sogar noch aus der Ära Pauls VI. (1963-1978), hat jedoch - wie weitere 100 Kardinäle - die Altersgrenze von 80 Jahren überschritten und könnte nicht mehr an einer Papstwahl teilnehmen.

Papst Franziskus
Bild: ©dpa

Papst Franziskus misst der Berufung in das Kardinalskollegium allerhöchste Bedeutung zu. Und an der Auswahl der Mitglieder werden in besonderer Weise die Anliegen seines Pontifikats deutlich.

Bei der Auswahl der Kandidaten hielt sich Franziskus bislang weitgehend an die Linie seiner Vorgänger, freilich setzt er auch neue Akzente. So reduzierte er die Erhebung von Kurialen - nicht jedes leitende Vatikanamt müsse mit dem Kardinalpurpur ausgestattet sein, lautet seine Maxime. Das wiederum ließ ihm mehr Raum für die Auszeichnung von Diözesanbischöfen und Ortskirchen. Allerdings überging er dabei bislang traditionelle Kardinalssitze wie Turin oder Venedig, aber auch etliche große US-Diözesen. Stattdessen rückten Außenseiter wie der für die Flüchtlingsinsel Lampedusa zuständige Erzbischof oder der Oberhirte der bislang wenig auffälligen Adria-Diözese Ancona in den Kirchensenat ein.

Insgesamt setzt Franziskus die seit dem Konzil forcierte Internationalisierung des Heiligen Kollegiums weiter fort. Erstmals zogen 2015 Kardinäle aus Panama, Uruguay, Äthiopien, den Kapverden, Myanmar und Tonga ein - aus Ländern, die bislang weiße Flecken auf der Kardinalskarte bildeten. Der Anteil der Europäer sank dadurch deutlich unter die 50-Prozent-Marke, liegt aber nach wie vor weit über dem Anteil seiner Katholiken.

Auch Franziskus hat bislang noch nicht das oft beschworene Ziel erreicht, das Kollegium müsse die Weltkirche im Kleinen widerspiegeln. Die größte katholische Nation Brasilien (166 Millionen Katholiken) entsendet nur vier Papstwähler, die zweitgrößte Nation - Mexiko (102 Millionen) - zwei, ebenso wie die Philippinen (80 Millionen). Die USA mit ähnlich vielen Katholiken stellen dagegen sieben potenzielle Wahlmänner, und Indien mit knapp 20 Millionen Katholiken sogar fünf.

Galerie: 8 Bilder

Dabei bemühte sich freilich auch Franziskus um eine gewisse Zahlensymmetrie. Afrika, Asien und Nordamerika stellten zuletzt je 13 Papstwähler. Daneben entfielen auf Lateinamerika 17 und auf Ozeanien drei. Aber weiterhin bilden die Europäer mit etwa 45 Prozent das größte Kontingent. Und darin stellen wiederum die Italiener knapp die Hälfte, nämlich 25 von 53. Auch für Europa ließ sich bislang eine gewisse Zahlensymmetrie ablesen. Die "großen" katholischen Nationen wie Frankreich, Spanien und Polen sind mit jeweils vier Kardinälen im Wahlgremium vertreten.

Derzeit nur drei deutsche Papstwähler

Aus Deutschland, das früher mit bis zu sieben papstwahlberechtigten Kardinälen gut bedacht war, kommen derzeit nur noch drei (neben sieben Über-80-Jährigen; siehe Bildergalerie): Reinhard Marx aus München, Rainer Maria Woelki aus Köln sowie Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation. Ob Berlin Kardinalssitz bleibt scheint im Moment offen. Und unklar ist auch, ob darüber hinaus ein weiterer deutscher Bischof - wie zuletzt Karl Lehmann - aufgrund außerordentlicher Verdienste den Kardinalspurpur erhält.

Bei einem nächsten Konsistorium - sei es im November zum Ende des Kirchenjahres oder im kommenden Februar - könnte Franziskus mindestens 13 neue Kardinäle kreieren. Vermutlich wird er aber erneut die Obergrenze von 120 überschreiten. Dazu dürften einzelne neue Kurienleiter gehören - denn in der Zwischenzeit wurden neue Behörden begründet und mehrere Kurienchefs haben die Altersgrenze überschritten. Vor allem aber wird der Papst den Kardinalspurpur an Leiter von Ortskirchen übergeben, die seinem Bischofsprofil entsprechen. Und danach wird fast die Hälfe der potentiellen Papstwähler seinem Pontifikat und seiner Personalpolitik entstammen.

Von Johannes Schidelko