Wie deutsche Jesuiten nach Japan kamen - und blieben

Zentrum des katholischen Tokio

Veröffentlicht am 10.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 
Japan

Tokio ‐ Die Sophia-Universität der Jesuiten in Tokio ist heute ein veritabler Wirtschaftskomplex. Den Anfang aber machten vor über 100 Jahren Bismarck und die Spielschulden eines japanischen Fürsten.

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Das durfte nicht sein, erst recht nicht angesichts der einst so erfolgreichen Japan-Mission der Jesuiten im 16./17. Jahrhundert. Dahlmann schaltete Papst Pius X. (1903-1914) ein. Und der damalige Jesuitenobere schmiedete einen Plan, an dem letztlich der deutsche Reichskanzler Bismarck Schuld war: Vor dem Kulturkampf waren alle deutschen Jesuiten in die Niederlande geflohen. Im grenznahen Valkenburg saßen sie alle auf einem Haufen. Also setzte der Ordensgeneral, der Deutsche Franz Xaver Wernz, 1908 vor allem deutsche und deutschstämmige Jesuiten aus den USA für die japanische Neugründung in Marsch.

Wie die Jesuiten im Winter 1911/12 an ihr riesiges Grundstück gleich in der Nähe des Kaiserpalastes kamen, erzählt Pater Günther Kerkmann genüsslich: In der Zeit des "Sakoku", der Selbstisolation Japans (1639-1853), mussten die lokalen Herrscher, die Daimyos, ständig einen Teil ihrer Familie als Faustpfand in der Kaiserstadt Edo unterbringen, dem heutigen Tokio. So waren sie unter Kontrolle und hatten zudem kostspielige Ausgaben für die Haushaltung, die ihnen auf der anderen Seite fehlte, um sich in kriegerische Abenteuer zu stürzen. Ein geschickter Schachzug.

Mit dem Ende der Isolation fiel diese Verpflichtung in der Meiji-Zeit (1868-1912) weg. Der damalige Kriegsminister Takashima, ein Daimyo, hatte Spielschulden - die Jesuiten kauften ihm das riesige Filetgrundstück in bester Lage gerne ab. Es wurde die Grundlage für die heutige Sophia-Universität und die Pfarrei des Ordens.

Bild: ©KNA

Jesuitenpater Günther Kerkmann ist seit über 50 Jahren in Japan. Derzeit ist er Finanzdirektor der japanischen Ordensprovinz.

Pater Kerkmann, heute 73, lebt seit über 50 Jahren in Japan. Der gebürtige Münsteraner arbeitete mehr als drei Jahrzehnte als Lehrer und Verwaltungschef für verschiedene Jesuitenschulen. Derzeit ist er Finanzdirektor der japanischen Ordensprovinz.

Die alte Kirche fraßen Termiten

Stolz führt er durch die neuerbaute Ignatiuskirche, Pfarrkirche und Kirche der Jesuiten in Tokio. Die alte Holzkirche war von Schwarzen Termiten zerfressen und altersschwach geworden. Entstanden ist ein großer Pfarreikomplex mit Seminar- und Gesprächsräumen, mehreren Kapellen - und der einzigen öffentlichen katholisch-theologischen Bibliothek in Tokio.

Die Sophia-Universität - "der Bezug auf die Weisheit passt gut zu Japan" - ist in den rund 100 Jahren ihres Bestehens zu einem großen Campus mit acht Fakultäten geworden. Die derzeit rund 13.000 Studenten zahlen etwa 7.000 Euro Studiengebühr. Schon das sorgt für mehr als 90 Millionen Euro Jahresumsatz. "Da braucht es auch Investitionen", sagt Kerkmann lakonisch. Im Dezember soll der "Sophia Tower" eröffnet werden, ein 17-stöckiger Büroturm mit Schauseite zur Straße. Der Bau erregte sogar das Interesse des Kaisers, der hier, unweit des Kronprinzenpalastes, häufig vorbeifährt. Akihito ließ sich persönlich über das Bauvorhaben informieren.

Bild: ©KNA

Außenansicht der Ignatiuskirche der Jesuiten in Tokio. Im Hintergrund ist die Sophia-Universität der Jesuiten mit Neubau eines 17-stöckigen Universitätsgebäudes "Sophia-Tower".

Derzeit sind 49 Jesuiten als Dozenten der "Sophia" tätig. In der Uni-Verwaltung haben sie Spitzenpositionen inne und besitzen quasi eine Sperrminorität. Doch haben sie das Problem vieler Ordensgemeinschaften: Überalterung. Es wird immer schwieriger, akademischen Nachwuchs zu bekommen. "Die Jesuiten sind ja dumm - die brauchen immer so lange zum Studieren", kokettiert Kerkmann mit Blick auf die breite Ausbildung seines Ordens.

Er ist mit 73 Jahren der zweitjüngste deutsche Jesuit in Tokio. Heute kommen die meisten aus Ost- und Südostasien. Nur noch zwölf Deutsche sind übrig. Einer davon ist Pater Franz-Josef Mohr, seit 1953 in Japan. Der heute 84-Jährige hat als Flakhelfer einen Arm verloren, kümmerte sich seit 1954 um die Bistumspartnerschaft zwischen Tokio und Köln. Derzeit übergibt er die "deutschen Angelegenheiten" an Kerkmann.

Hochzeit auf dem Campus

Beliebt bei Studenten und Ehemaligen ist das Heiraten auf dem Campus, am besten mit dem früheren Professor als Zelebrant. Sie mieten die Räume der Ignatiuskirche, noch lieber aber den alten Daimyo-Palast im europäischen Stil, den die Jesuiten in den 1920er Jahren als Gebäude für ihre Kommunität umfunktionierten. Im Rekreationssaal (Esszimmer) steht noch der originale polierte Tisch. Im Obergeschoss wurde der Repräsentationssaal des Daimyo zur Gemeinschaftskapelle umfunktioniert.

Gut feiern lässt es sich draußen im weitläufigen Japanischen Garten der Villa - einer Oase der Ruhe zwischen den Fakultätsgebäuden. Einmal im Jahr veranstalten auch die Jesuiten ein großes Gartenfest: Am Ignatius-Tag (31. Juli) versammeln sich hier der Nuntius, der Erzbischof und alle, die sich in der größten Metropole der Welt den katholischen Glauben auf die Fahne geschrieben haben.

Stichwort: Kirche in Japan

Das Christentum spielt in Japan nur eine geringe Rolle. Die Vorstellung eines einzigen, allmächtigen Gottes hat nur wenig Übereinstimmung mit den traditionellen religiösen Vorstellungen des Shinto und des Buddhismus. Derzeit bekennen sich ein Prozent der Staatsbürger (eine Million Menschen) zu einer christlichen Konfession. Von den bislang 62 Ministerpräsidenten Japans waren 7 bekennende Christen, zuletzt der Katholik Taro Aso (2008/09). Zwischen 1614 und 1873 war die Verbreitung des Christentums in Japan unter strengsten Strafen verboten. Nach der Wiederöffnung des Landes in religiöser Hinsicht bekannten sich die meisten der wenigen verbliebenen Geheimchristen aus dieser Zeit zur katholischen Kirche. Sie zählt zurzeit rund 440.000 registrierte Mitglieder - wobei nur japanische Staatsbürger aufgeführt werden. Die steigende Zahl der katholischen Gastarbeiter von den Philippinen, aus Korea und Brasilien dürfte bei über einer halben Million liegen. Die Erzdiözese Tokio hat heute 90 Pfarreien mit rund 90.000 Katholiken, betreut von 78 Weltpriestern und etwa 250 Ordenspriestern. Davon sind allein rund 100 Jesuiten. (KNA)
Von Alexander Brüggemann (KNA)