Zu Fuß nach Jerusalem
"Zu Fuß nach Jerusalem" heißt das Projekt, das die alte Tradition des Pilgerns ins Heilige Land im großen Stil wiederbeleben will. Eine "Trendwende auf dem Pilgermarkt" wollen Rutishauser und Roessler lostreten - und stoßen damit auf offene Ohren: Israels Tourismusministerium, aber auch Organisationen wie das evangelische Berliner Missionswerk haben die beiden Initiatoren schon ins Boot geholt. Mit Konferenzen in Wien, Berlin und Zürich soll das "andere Pilgern zum 'Leeren Grab'" im Herbst der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Jerusalem als herausragendes Pilgerziel
"Alles, was wir zu bieten haben, gibt es irgendwo besser oder schöner - nur ist die Bedeutung hier einzigartig", sagt Georg Roessler, der seit 30 Jahren im Heiligen Land lebt und mit einer Israelin verheiratet ist. Die Einwände gegen sein Projekt kennt er: Noch ein Pilgerziel, wo der Jakobsweg doch so gut läuft ? Und wenn schon Jerusalem, warum dann zu Fuß? Vieles, so Roessler, hat das Fußpilgern nach Jerusalem mit dem boomenden Jakobsweg gemeinsam. Nur hat die Wallfahrt ins Heilige Land eine viel längere Tradition, und dem spirituellen Rang nach ist für ihn "dieses Pilgerziel allen anderen übergeordnet".
Den Öko-Aspekt macht auch Franziskaner-Kustos Pierbattista Pizzaballa stark. Beim Wandern werde "die Suche nach Gott durch den Kontakt zur Natur konkreter", so der Chef der Franziskaner im Heiligen Land. Und Bischof Giacinto-Boulos Marcuzzo von Nazareth erklärte einmal, erst "im direkten Kontakt mit der Realität und den einheimischen Christen" ließen sich die Heiligen Stätten erfahren. Auf palästinensischem Boden sind Routen wie der 2008 von der Bethlehemer "Alternative Tourism Group" wiederbelebte "Nativity Trail" von Nazareth nach Bethlehem allerdings eher ein Geheimtipp.
Santiago de Compostela als Ersatz-Pilgerziel
Einst, als Jerusalem aufgrund der geopolitischen Lage in unerreichbare Ferne gerückt war, wurden Pilgerziele wie Santiago de Compostela zum Ersatz. Später, in Zeiten allgemeiner Sinn- und Wurzelsuche, avancierte es zum Trendziel. Wenn es nach Roessler geht, soll Jerusalem zu einem neuen Santiago werden. Allerdings ist eine wochenlange Wanderung nach Jerusalem für die wenigsten eine Option. Roessler sieht sich damit vor der Herausforderung, "ein hochgradig spirituelles Erlebnis in begrenztem Zeitrahmen entstehen zu lassen" - natürlich mit der entsprechenden Infrastruktur.
Für viele ist Santiago der Einstieg ins Pilgern: politisch ruhig, schnell und günstig erreichbar, kulturell vertraut. Jakobspilger sind darum eine der Zielgruppen des Projekts: "Wer den Jakobsweg gelaufen ist, hat so kostbare Erfahrungen gemacht, dass es nach Fortsetzung schreit - warum nicht auf dem ultimativen Weg nach Jerusalem?"
Die ultimative Wallfahrt
Ultimativ, weil sich nach Meinung Roesslers der Weg durchs Heilige Land von allen anderen unterscheidet: "Unser Gott ist in einen konkreten historischen Kontext, in diese konkrete Landschaft, ihre Geschichte und ihre Orte hinein Mensch geworden", sagt Roessler. Die biblische Botschaft verstehe also nur, wer das Land kennt.
Mit Jesus, dem "Mann von Nazareth", zu gehen und dabei permanent mit den Themen des Glaubens konfrontiert zu sein, ist laut Roessler "ein einmaliges Angebot" des Heiligen Landes. Sich dessen Anregungen zu verweigern, verlange schon eine persönliche Anstrengung. Nebenbei sei Jerusalem das einzige auch für Protestanten gültige Pilgerziel und damit die "gemeinsame Mitte der Konfessionen". Am Anfang, so Roessler, war das leere Grab; alle Theologie und konfessionellen Differenzen kamen später.
Von Andrea Krogmann (KNA)