Hans-Joachim Höhn über den Brief der vier Kardinäle

Abgebrannt

Veröffentlicht am 16.12.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Hans-Joachim Höhn über den Brief der vier Kardinäle

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Kurz vor Weihnachten häufen sich die Warnungen: "Behalten Sie ihren Adventskranz im Auge! Achten Sie auf die abbrennenden Kerzen! Sie können einen Zimmerbrand auslösen!" Die Warnung ist berechtigt. Die Gefahr wächst, je weiter eine Kerze abbrennt. Manchmal hat man aber auch Glück. Dann erlischt das Kerzenlicht rechtzeitig von selbst.

Nicht vier Kerzen, sondern vier Kardinäle haben in den letzten Wochen für Aufsehen gesorgt. In einem Brief an den Papst sprechen sie von Verwirrung und Unsicherheit, die seine Aussagen zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen auslösen. Sie erwarten eine Klarstellung, dass frühere lehramtliche Aussagen über das "Irreguläre" in der Lebenssituation solcher Christen noch in Geltung stehen. Ebenso hoffen sie auf eine Bekräftigung, dass die kirchliche Sexualmoral an "absoluten" moralischen Normen festhält, die ohne Ausnahme gelten und "in sich schlechte" Handlungen verbieten.

Die vier Kardinäle haben keinen adventlichen Wunschzettel ausgefüllt. Ihr Brief ist in einer Weise formuliert, in der man früher seitens des Heiligen Offiziums mit Häretikern umging: Man nimmt Auszüge von ihren Schriften, stellt sie Textauszügen lehramtlicher Autoritäten gegenüber und konstruiert dabei einen Widerspruch. Abschließend stellt man an den "Lehrabweichler" eine Frage, zu deren Beantwortung nur ein "entweder - oder" zugelassen wird. Die vier Kardinäle haben sogar die Chuzpe, dieses plumpe Verfahren offen zuzugeben. In ihrem Brief heißt es: "Das Besondere im Hinblick auf diese Anfragen besteht darin, dass sie so formuliert sind, dass sie als Antwort 'Ja' oder 'Nein' erfordern, ohne theologische Argumentation. Diese Weise, sich an den Apostolischen Stuhl zu wenden, ist nicht unsere Erfindung; sie ist eine jahrhundertealte Praxis." Das stimmt. Auf diese Weise haben lange Zeit Denunziation und Inquisition funktioniert.

Nun ist es nicht verwerflich, dass selbst Mitglieder des Kardinalskollegiums mit dem Papst Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der kirchlichen Lehre austragen. Aber dass sie dabei ausdrücklich auf eine theologische Argumentation verzichten, ist höchst bemerkenswert. Lässt dieser Verzicht darauf schließen, dass hier das Licht ihres Intellektes wenn nicht schon erloschen ist, so doch bedenklich flackert?

Die Aktion der vier Kardinäle zeigt vor allem, dass sie immer noch nicht verstanden haben, was Barmherzigkeit bedeutet. Zwar reden sie von "irregulären" Lebenssituationen. Aber sie erkennen nicht, was daran eigentlich "irregulär" ist. Sie erkennen nicht, dass in bestimmten, zumal tragischen Fällen die Anwendung kirchenrechtlicher, dogmatischer und moralischer Regeln versagt. Sie nehmen hin, dass Recht und Gesetz gnadenlos durchgesetzt werden.

In den letzten Tagen hat man dem Kardinalsquartett für seine Aktion besonderen Mut attestiert. Man lobt die Erinnerung an Handlungen, die "in sich schlecht" und unabhängig von der Beachtung ihrer Umstände oder Folgen verwerflich sind. Das Zusammenleben von Mann und Frau in einer zweiten Ehe soll ausnahmslos dazugehören. Die eigentliche Mutprobe für die Verfechter dieser Meinung steht aber noch aus. Ich stelle mir vor, wie ein Kardinal vor einem in zweiter Ehe verheirateten Paar steht und seinen Kindern sagt: "Eure Existenz ist das Ergebnis einer in sich schlechten Handlung!" Unvorstellbar? Hoffentlich!

Von Hans-Joachim Höhn

Der Autor

Dr. Hans-Joachim Höhn ist Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Universität Köln.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.