Was hat Barmherzigkeit mit mir zu tun?
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Der Priester hilft nicht, der Tempeldiener hilft nicht, aber der barmherzige Samariter, er hilft dem, der unter die Räuber gefallen ist. Es ist ihm egal, zu welchem Volk oder welcher Religion einer gehört, der Hilfe braucht.
Gott ist barmherzig mit den Menschen. Und die Gläubigen? "Barmherzig wie der Vater" (Lk 6,36) wollen sie sein, so das Leitwort des Heiligen Jahres, das heute beginnt. Die katholische Tradition übersetzt dies in klare Handlungsanweisungen, die leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit. Zum Beispiel: Die Betrübten trösten. Für die Lebenden und die Toten beten. Die Hungrigen speisen. Die Fremden aufnehmen.
Der barmherzige Samariter ist ein Vorbild, das Jesus selbst uns gibt. Barmherzigkeit erster und zweiter Klasse – nach Geschlecht, Religion oder Nationalität – gibt es dabei nicht. Der Mensch wird nur als Mensch wahrgenommen und Barmherzigkeit bedeutet die offene Hinwendung zum Einzelnen – und bleibt doch nicht auf der Ebene der persönlichen Begegnung. Es ist also nicht damit getan, dem Bettler am Eck ab und an eine Semmel zu spendieren.
Wer den Auftrag des Evangeliums ernst nimmt, dessen Glaube erschöpft sich nicht im Privaten, dessen Barmherzigkeit erschöpft sich also auch nicht im Privaten. Im Gegenteil: Vor 50 Jahren sah das Zweite Vatikanum die Kirche dazu berufen, die Welt in ihrer Ganzheit zu retten. Dieser Anspruch gilt noch, hier und jetzt. Er bedeutet: Kirche sein heißt politisch sein. Sich an die Seite der Armen und Schwachen stellen und – konkret, was die Barmherzigkeit betrifft – alles daran setzen, dass Gesellschaft und Staat für die sorgen, die unter die Räuber gefallen, die verfolgt, traumatisiert, vertrieben, vergewaltigt sind.
Deshalb ist jedes christliche Bekenntnis Makulatur, wenn es keine Menschenfreundlichkeit gebiert. Flüchtlinge kommen in größter Not zu uns und brauchen Hilfe. Als Christinnen und Christen haben wir nur diese eine Option: Den Mantel teilen (auch um den Preis, dass uns selbst ein wenig kühler wird). Entscheiden wir uns dafür, dann beginnt tatsächlich das Jahr der Barmherzigkeit.