Synodaler Weg: Theologe Tück sieht geplanten Synodalen Rat kritisch
Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück sieht die vom Synodalen Weg angestrebte Einrichtung eines ständigen Synodalen Rats kritisch. Wenn nicht mehr die Bischöfe, sondern ein ständiger und paritätisch besetzter Rat "die Definitionshoheit über die künftigen Wege der katholischen Kirche in Deutschland" erhalte, gehe die Leitungskompetenz von sakramental ordinierten Personen auf Gremien über, schreibt Tück in einem am Donnerstag veröffentlichten Gastbeitrag in der "Neuen Zürcher Zeitung". Dies wäre "eine Umstellung der Machtbefugnisse, die eine deutliche Nähe zu Synodalpraktiken der evangelischen Kirche in Deutschland erkennen lässt".
In den evangelischen Landeskirchen sei die Synode das oberste Leitungsgremium. Dass sie häufig eine Parität von Geistlichen und Laien vorsehe, sei Teil des evangelischen Selbstverständnisses. "Für die katholische Kirche aber ist die bischöfliche Verfassung zentral. Wie vor diesem Hintergrund Mitgliedern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken die theologische Legitimität zur Leitung der Kirche zugesprochen werden soll, ist offen", so der Theologe weiter.
Tück: Papst hat mit Aussage zum Synodalen Weg "wunden Punkt" getroffen
Tücks Beitrag bezieht sich auf die jüngsten Aussagen von Papst Franziskus zum Synodalen Weg. Mitte Juni hatte das Kirchenoberhaupt in einem Interview mit den europäischen Kulturzeitschriften der Jesuiten erzählt, dass er dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bei einer Audienz mit Blick auf den Reformprozess gesagt habe, dass es in Deutschland bereits eine sehr gute evangelische Kirche gebe und man keine zweite brauche.
Mit dieser Aussage habe Franziskus "einen wunden Punkt" getroffen, so Tück. Und weiter: "Gehen die angedachten Reformen des Synodalen Weges in Richtung einer Verdopplung der evangelischen Kirche? Die Forderungen nach Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche, Lockerung der Zulassungsbedingungen zum priesterlichen Amt, Frauenordination und Liberalisierung der kirchlichen Sexualmoral – sie alle sind in der evangelischen Kirche bereits umgesetzt." Die Frage sei deshalb, wie weit die strukturellen Veränderungen in der katholischen Kirche gehen sollten und ob sie in die Etablierung eines ständigen Synodalen Rates als Leitungsgremium der Kirche in Deutschland einmünden müssten. "Schon das Diskursformat des Synodalen Weges ist ja ohne kirchenrechtliches Vorbild. Es lässt Bischöfe und Laien auf Augenhöhe beraten und gemeinsam entscheiden. Die Bischöfe sollen sich in einem Akt der freiwilligen Selbstverpflichtung an die Mehrheitsbeschlüsse synodaler Gremien binden", schreibt Tück.
Der pauschale Vorwurf der "Protestantisierung" der katholischen Kirche sei gleichwohl unfair, wenn er jede Form kollegialer oder synodaler Beratung diskreditieren wolle. Außerdem verkenne er, dass hinter dem Projekt "der doppelte Skandal des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und der Vertuschung dieser Delikte durch die Kirchenleitung" stehe. "Das erschüttert die katholische Kirche bis ins Mark, wie die Veröffentlichung des Münsteraner Missbrauchsgutachtens noch einmal gezeigt hat", so der Wiener Theologe.
138 von 212 Delegierten votierten im Oktober für einen Synodalen Rat
Im vergangenen Jahr hatten sich die Delegierten des Synodalen Wegs nach kontroverser Debatte grundsätzlich für die Idee der Einrichtung eines Synodalen Rats ausgesprochen. In dem Gremium sollen Bischöfe und Laien gemeinsam die Umsetzung der Ergebnisse des Synodalen Wegs evaluieren und weiterführende Strategien entwickeln. Auf der Vollversammlung des Synodalen Wegs Anfang Oktober stimmten von 212 Delegierten 138 für die Einrichtung eines Synodalen Rats, 32 Teilnehmer votierten dagegen, 9 enthielten sich. Die Vorlage wurde damals nach der Ersten Lesung zur weiteren Bearbeitung in die zuständige Arbeitsgruppe überwiesen. Eine zweite Lesung steht noch aus.
Der Synodale Rat soll laut Vorschlag zweimal pro Jahr zusammenkommen und zudem Grundsatzentscheidungen zu Haushaltsfragen treffen, die nicht auf Bistumsebene entschieden werden, sowie zu pastoralen Planungs- und Zukunftsperspektiven von überdiözesaner Bedeutung. In der Debatte im Oktober wurden teils Bedenken deutlich, inwieweit ein solcher Synodaler Rat andere Gremium ablösen könnte. Unklar sind unter anderem noch präzise Kompetenzen. Den Vorsitz sollen sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz und ein weiteres vom Rat gewähltes Mitglied teilen. (stz)