Frohe Botschaft auf Türkisch
So dargestellt, hört es sich tatsächlich nach einer guten Nachricht an - und es dürfte kein Zufall sein, dass sie in den ersten Tagen dieses Jahres verbreitet wurde, in dem die Welt der Massaker an den anatolischen Christen im Jahr 1915 gedenken wird. Bei genauerer Betrachtung illustriert der Fall aber vielmehr die anhaltende Misere des türkischen Umgangs mit ihren christlichen Minderheiten.
Türkische Behörden erheben Einspruch
Noch das geringste Problem an dieser Nachricht ist es, dass sie nicht neu ist. Der von der syrisch-orthodoxen Gemeinde geplante Neubau einer Kirche im Istanbuler Stadtteil Yesilköy war bereits vor drei Jahren genehmigt worden; auch das Grundstück hatte die Stadt schon damals zugewiesen. Nur konnte bis heute nicht einmal der Grundstein gelegt werden, weil die türkischen Behörden reihenweise Einsprüche erhoben - zuletzt die Naturschutzbehörde, weil dabei Bäume gefällt würden.
Der zeitgleich mit der Kirche genehmigte Bau einer riesigen Moschee auf dem höchsten Hügel von Istanbul ist inzwischen fast abgeschlossen, wie die Zeitung "Taraf" anmerkt, während das christliche Gotteshaus nicht über das Planungsstadium hinauskommt. Zuletzt verlangten die Behörden, dass sie von den geplanten 900 Quadratmetern auf die Hälfte verkleinert werden solle. Die neue Moschee ist rund 30.000 Quadratmeter groß.
Neubau soll auf früherem römisch-katholischen Friedhof entstehen
Weit schwerer wiegt, dass es sich bei dem von der Stadt zur Verfügung gestellten Grundstück für den Kirchenbau keineswegs um städtischen Boden handelt, sondern um einen römisch-katholischen Friedhof. Das Grundstück, das der Kirche im Jahr 1868 von einem Gemeindemitglied vermacht worden war, wurde 1950 vom Staat eingezogen und in städtischen Besitz überführt; der Friedhof blieb seither geschlossen.
Türkei wieder auf Rangliste des Index zur weltweiten Christenverfolgung
Heute hat das Hilfwerk "Open Doors" seinen jährlichen Index mit den 50 Ländern herausgegeben, in denen Christen weltweit am stärksten verfolgt werden.Nach dreijähriger Abwesenheit ist die Türkei auf Platz 41 der 50 Länder umfassenden Liste zurückgekehrt. Open Doors führt das auf einen "wachsenden islamischen Nationalismus" durch Präsident Recep Tayyip Erdogan s Partei AKP zurück. Christen kämpften mit Beeinträchitungen ihrer Glaubensfreiheit, etwa bei der Ausbildung eigener Geistlicher. Zudem werde die Abkehr vom Islam als Affront gegen die türkische Identität betrachtet, so der Bericht des Hilfswerks. (gho)Im Zuge der türkischen Reformen nach der Jahrtausendwende hatte die katholische Kirche gehofft, den Friedhof zurückzubekommen. Stattdessen wurde er 2012 der syrisch-orthodoxen Gemeinde für ihre Kirche angeboten. Die katholische Gemeinde legte über ihre Anwälte Protest ein, doch der verhallte ebenso ungehört wie eine Protesterklärung syrisch-orthodoxer Intellektueller.
Staatliche Enteignungen von Kirchenbesitz
Staatliche Enteignungen sind für die christlichen Minderheiten in der Republik Türkei ein Leitmotiv: von einer vernichtenden Sondersteuer der 40er Jahre über die Enteignungen von Kirchenbesitz nach 1936 und dem Einzug des Eigentums vertriebener Griechen in den 50er und 60er Jahren bis hin zur Verstaatlichung von Ländereien des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel und anderer Aramäer in der Südosttürkei seit den 90er Jahren.
"Christen in der Türkei sollten freier atmen": Anlässlich eines Deutschland-Besuches von Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel im Mai 2014 in Deutschland spricht Bischof Gerhard Feige über das Verhältnis der orthodoxen Christen zur römisch-katholischen Kirche. Der Vorsitzende der Ökumene-Komission der Bischofskonferenz verrät auch, was er von einem EU-Beitritt der Türkei hält.
Dass die syrisch-orthodoxen Christen - auch Aramäer oder Assyrer genannt - überhaupt eine neue Kirche in Istanbul brauchen, liegt daran, dass sie in den letzten Jahrzehnten aus ihrer angestammten Heimat in der Südosttürkei vertrieben wurden. Vom türkischen Staat nicht als eigene Minorität anerkannt, genießen sie nicht einmal die begrenzten Minderheitenrechte, die Armeniern, Griechen und Juden zugestanden werden.
Gottesdienst im Schichtbetrieb
Heute leben nur noch 2.000 bis 3.000 Aramäer in Südostanatolien, aber 200.000 bis 300.000 in Westeuropa und rund 20.000 in Istanbul, wo sie nur eine einzige Kirche mit 300 Plätzen besitzen. Ihre Gottesdienste feiern sie als Gäste der katholischen Kirchen, wo die Messen im Schichtbetrieb abwechselnd zelebriert werden.
Ob sich daran bald etwas ändern wird, bleibt auch nach den Jubelmeldungen vom Wochenende skeptisch abzuwarten. Ein konkretes Versprechen für den Kirchenbau gab Ministerpräsident Davutoglu jedenfalls auch jetzt nicht ab, wie die Zeitung "Taraf" unter Berufung auf Teilnehmer des nicht-öffentlichen Treffens mit den Religionsführern meldete. Der Ministerpräsident habe lediglich zugesagt, sich "darum zu kümmern".
Von Susanne Güsten (KNA)
Die Autorin forscht als Mercator-IPC-Fellow am Istanbul Policy Center zur Lage der aramäischen/assyrischen Christen in der Türkei und Deutschland.