Überraschung aus der Gelehrtenstube
Zu Wort gemeldet haben sich die Kardinäle Karl Lehmann und Walter Kasper, die als herausragende Theologen ihrer Epoche und als erfahrene Konklaveteilnehmer auch in Rom besondere Beachtung finden. Am Mittwochmorgen predigte Lehmann vor seinen versammelten Mitbrüdern in der Trierer Liebfrauenkirche über das Frauenbild der Bibel und sparte dabei nicht mit klaren theologischen Aussagen, die Kenner aufhorchen ließen. In der biblischen Schöpfungsgeschichte werde, so Lehmann, "ohne Einschränkung gelehrt, dass jeder Mensch - und damit eben auch die Frau - eine königliche Würde hat und an der Herrscherwürde Gottes teil hat". Und weiter: "Nicht der leiseste Unterschied in der Wertung der Geschlechter ist hier zu spüren."
Über praktische Konsequenzen für die Rolle der Frau in der Kirche sprach der langjährige Bischofskonferenzvorsitzende nicht. Das überließ er dem eigens aus Rom angereisten Kurienkardinal Walter Kasper, der vor den 66 deutschen Bischöfen zu dem mit Spannung erwarteten Thema sprach: "Das Zusammenwirken von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche". In seinem Vortrag beleuchtete auch Kasper die biblischen Grundlagen, doch er ging einen Schritt weiter.
Maria als Vorbild
So deutete der Kurienkardinal die Tatsache, dass Maria das Urbild der Kirche sei, als "die deutlichst denkbare Relativierung einer einseitig durch die Männerhierarchie dominierten Kirche". Er erinnerte an die vielen großen Frauengestalten in der Geschichte der Kirche und regte an, über ein eigenes Diakoninnen-Amt nachzudenken.
Es solle sich allerdings vom priesterlichen Weiheamt unterscheiden, an dem in der katholischen Tradition auch das klassische Diakonat und das Bischofsamt hängen. Als Vorbild für das mögliche neue Amt nannte er die besondere Diakoninnentradition in der alten Kirche, die auch in den Ostkirchen weiterlebt. Die "Weihe" könnte in diesem Fall kein Sakrament sein wie bei der Priesterweihe, sondern zu den "Sakramentalien" gehören, vergleichbar etwa der Jungfrauenweihe oder der Äbtissinnenweihe.
Keine Revolution, einen Weg aufzeigen
Als Ankündigung einer Revolution wolle er seine Vorschläge nicht verstanden wissen, präzisierte Kasper später vor Journalisten in Trier. Debatten und Brüche, wie er sie bei den Anglikanern in den letzten Jahrzehnten wegen der Einführung von Priesterinnen und Bischöfinnen beobachtet habe, wünsche er seiner Kirche nicht. Aber er wolle "nicht immer nur sagen, was nicht geht", sondern einen Weg aufzeigen, auf dem man weitergehen könne. Die Idee, an das altkirchliche Diakoninnenamt anzuknüpfen, sei ihm gewissermaßen "am Schreibtisch" gekommen, als er sich auf seinen Vortrag in Trier vorbereitete.
Angesichts des bei aller Vorsicht doch aufsehenerregenden Vorstoßes ging ein anderer Satz aus Kaspers Referat beinahe unter. Quasi nebenbei erwähnte der Kurienkardinal, dass in der katholischen Kirche eine "Erneuerung der synodalen Struktur" anstehe. Die Synoden als Beratungsgremien in den Bistümern und auf Weltebene hatte die katholische Kirche erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) wieder neu im Kirchenrecht verankert. Ein Stimmrecht für Frauen ist bei Synoden aber, zumindest auf Weltebene, und ebenso bei Konzilien bis heute nicht vorgesehen.
Kasper ging auch in dieser Frage zurück an die biblischen Wurzeln und erklärte, am Jerusalemer Apostelkonzil des ersten Jahrhunderts hätten auch Frauen teilgenommen. Dies solle für die Kirche heute ein Grund sein, dem Beispiel der Apostel zu folgen und "Frauen in Synoden, in Pastoralen Räten und in Kommissionen angemessen zu beteiligen."
Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)