Missbrauch ist Thema bei den Kardinalsberatungen zur Findung von geeigneten Papst-Kanditaten

"Hat er eine Vergangenheit?"

Veröffentlicht am 08.03.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
"Hat er eine Vergangenheit?"
Bild: © KNA
Missbrauch

Vatikanstadt/Bonn ‐ Noch sind die Kardinäle nicht im Konklave, wo sie nach religiöser Überzeugung vom Heiligen Geist geführt werden, der für sie die Wahl vornimmt. Bislang bereiten die Purpurtäger seit Montag im Prä-Konklave die Papstwahl vor – und haben es mit allerlei weltlichen Themen zu tun. Am Donnerstag verschafften sie sich einen Überblick über die Vatikanfinanzen und die "Vatileaks"-Affäre.

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Auch der Missbrauchsskandal spielt nach Aussage des Chicagoer Kardinals Francis George eine zentrale Rolle bei den täglichen Treffen, bei der sich die Kardinäle näher kennenlernen und Kandidaten für das Papstamt suchen. Gleichzeitig hatten Missbrauchsopfer eine Liste von einigen als "dreckiges Dutzend" beschimpften Kardinälen veröffentlicht, die wegen angeblicher Verharmlosung des Skandals nicht wählbar seien.

In den Vorgesprächen im Vatikan gehe es nicht nur um Leitungskompetenz und Kommunikationsstil, sondern auch um persönliche moralische Aspekte, sagte George der Zeitung "Chicago Tribune". "Hat er eine Vergangenheit?" sei eine Frage unter den Kardinälen. Schon die Nähe zu jemandem, der sexuellen Fehlverhaltens schuldig sei, könne die Eignung zum Kirchenoberhaupt in Zweifel ziehen.

Angesichts der Opfer pädophiler Kleriker müssten sich die Kardinäle bei den Generalkongregationen dem Missbrauchsproblem stellen und einen Mann wählen, der eine "Null-Toleranz-Politik" fortführe. George selbst war nach dem Aufbrechen des Missbrauchsskandals in der US-Kirche 2002 daran beteiligt, eine harte Linie in der Aufklärung durchzusetzen. "Es gibt keine Selbstgerechtigkeit in diesen Treffen. Es gibt ein tiefes Empfinden dafür, dass wir Teil des Problems sind", so der Kardinal.

Eine Liste der Opferorganisation SNAP

Just am Vortag hatte das US-amerikanische "Netzwerk der Überlebenden von Missbrauch durch Priester" (SNAP) Namen von 12 Kardinälen veröffentlicht, die nach seiner Auffassung wegen Versagens im Pädophilie-Skandal nicht Papst werden sollten. Die als "Dreckiges Dutzend" betitelte Liste schließt auch aussichtsreiche Kandidaten wie den kanadischen Kurienkardinal Marc Ouellet (68), Kurienkardinal Peter Turkson (64) aus Ghana und den Mailänder Kardinal Angelo Scola (71) ein.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger". Die Zeichentrickserie erklärt auf einfache und humorvolle Art zentrale Begriffe aus Kirche und Christentum. In dieser Folge geht es um den Begriff Konklave, die Papstwahl.

SNAP hatte das Verzeichnis auf der Basis von Medienberichten, gerichtlichen Klagen und Opferaussagen zusammengestellt. So wurde etwa Turkson wegen seiner Behauptung auf die schwarze Liste gesetzt, es gebe nur wenig Kindesmissbrauch durch Kleriker in Afrika, weil Homosexualität dort nicht toleriert werde.

Der Vatikan verwahrte sich gegen eine solche Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung der Kardinäle. Sprecher Federico Lombardi reagierte laut CNN mit den Worten, es liege nicht an der Opferorganisation zu bestimmen, wer am Konklave teilnehme und zum Papst gewählt werde. "Die Kardinäle können selbst entscheiden, ohne SNAP um Rat zu fragen." Zehn Tage zuvor hatte der schottische Kardinal Keith O'Brien (74) seine Teilnahme am Konklave nach Anschuldigungen sexueller Belästigung von ehemaligen Seminaristen abgesagt und sich später für seine Verfehlungen öffentlich entschuldigt .

Fälle strikt gelöst

Die Tschechische Bischofskonferenz wies die Behauptungen der Missbrauchsopfer gegen Kardinal Dominik Duka als "völligen Unsinn" zurück. Zeremoniar Vojtech Matl sagte, er wisse von einigen Fällen, die Duka so "strikt gelöst" habe, dass dies "einige Leute in der Kirche sogar verwundert" habe.

SNAP hatte den Prager Erzbischof beschuldigt, "Missbrauchsopfer nicht unterstützt" zu haben. Die tschechischen Bischöfe hingegen betonten, in der Hauptphase kirchlicher Missbrauchsfälle sei es der Kirche in der Tschechoslowakei verboten gewesen, überhaupt katholische Schulen zu gründen. "Paradoxerweise dank dem Kommunismus" sei sie daher "von diesem Problem verschont geblieben".

Am Donnerstag beschäftigte die Kardinäle auch die "Vatileaks"-Affäre um gestohlene Dokumente des Papstes, Intrigen und Korruption im Vatikan. Es sei "selbstverständlich", dass sie auch darüber sprächen, sagte Vatikansprecher Lombardi. Vor allem Kardinäle aus Übersee hatten von der Kurie in Rom mehr über die Affäre wissen wollen. Der zurückgetretene Benedikt ließ die Untersuchungsakten dazu für den Nachfolger bereitlegen.

Zusätzlich erhielten die mehr als 150 Purpurträger – bei den Treffen sind auch über 80-jährige Nichtwähler dabei - einen Überblick über die Finanzsituation des Vatikan. Die Präsidenten der vatikanischen Güterverwaltung, der Wirtschaftspräfektur sowie des Governatorats trugen gemäß den Vorschriften Berichte über ihre Zuständigkeitsbereiche vor.

Hoher Gesprächsbedarf

Der Gesprächsbedarf bei den Kardinälen scheint groß: 83 Kardinäle haben sich bis Donnerstagabend zu Wort gemeldet, die Redezeit musste auf fünf Minuten begrenzt werden, erklärte Lombardi. Es geht bei diesen Statements um Fragen der Glaubensvermittlung, um das Verhältnis zwischen vatikanischer Kurie und den Bischöfen in der Welt, und um Erwartungen an das Profil des kommenden Papstes. Weiter seien aber auch Fragen der Ökumene sowie der sozialen Gerechtigkeit zur Sprache gekommen, so der Sprecher.

Dass die Generalkongregation noch nicht über den Termin für den Konklave-Beginn abgestimmt hat, scheint nicht nur eine Frage der Höflichkeit. Diese wichtige Entscheidung sollten nach Möglichkeit alle wahlberechtigten Kardinäle treffen, und es fehlte noch der Vietnamese Jean-Baptiste Pham Minh Man (79), der ab Donnerstagnachmittag an den Treffen teilnahm . An der Nicht-Entscheidung wird aber auch deutlich, dass die Kardinäle gar nicht so sehr auf ein rasches Konklave drängen, sondern sich Zeit zum Kennenlernen und vor allem zum Besprechen der aktuellen Fragen und Probleme wünschen.

Laut dem US-Kardinal Roger Mahony kommt die Festlegung auf einen Konklave-Beginn jedoch näher: "Die Terminierung des Konklaves kommt näher. Unter den Kardinälen herrscht aufgeregte Stimmung", twitterte er am Donnerstagnachmittag. (mit Material von KNA und dpa)

Von Agathe Lukassek

Vorbereitungen auf das Konklave

Am Montag, 4. März 2013 , traten die Kardinäle erstmals zusammen, um die Wahl eines Nachfolgers für Benedikt XVI. vorzubereiten. Am Dienstag, 5. März 2013 , diskutierten die Purpurträger weiter und verfassten einen Gruß an den emeritierten Papst Benedikt XVI. In der Sixtinischen Kapelle beginnen am Dienstagnachmittag die Vorbereitungen für das Konklave , die "Sistina" mit den Michelangelo-Fresken wird für Besucher gesperrt. Am Mittwoch, 6. März 2013 , waren die deutschen Papstwähler komplett. Am Donnerstag, 7. März 2013 , geht das Warten weiter. (luk)