"Schwulen-Lobby" bestätigt?
Nach einer Zusammenkunft von Franziskus mit Vorstandsmitgliedern der Lateinamerikanischen und Karibischen Konferenz der Ordensleute (CLAR) am vergangenen Donnerstag gelangte ein Protokoll des Gesprächs ins Internet, das ungewohnte Schlagzeilen hervorrief: "Papst spricht über Schwulen-Lobby im Vatikan" oder ähnlich lauteten die Meldungen der Nachrichtenticker.
Einer der sechs Besucher hatte Notizen zu dem Gespräch angefertigt, die ein chilenisches Internetportal namens "Reflexion y Liberacion" schließlich im Wortlaut veröffentlichte. Und so konnte spätestens am Mittwoch jeder, der wollte, nachlesen, was der Papst der CLAR-Vorsitzenden Mercedes Leticia Casas Sanchez, ihrem Generalsekretär Gabriel Naranjo Salazar und den anderen Vorstandsmitgliedern im privaten Gespräch anvertraute.
Italienische Medien spekulieren schon länger
Laut dem Protokoll soll Franziskus gesagt haben: "Es ist die Rede von einer Gay-Lobby, und es ist wahr, sie ist da ... Wir müssen sehen, was wir tun können". Details nennt er nicht. Nach Informationen der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" soll er dies auch schon im Mai bei einer Audienz für die sizilianischen Bischöfe geäußert haben.
Über eine solche "Gay-Lobby" im Vatikan wird in italienischen Medien seit längerem spekuliert. Ihren Höhepunkt erreichten die Mutmaßungen zuletzt im Zusammenhang mit dem Untersuchungsbericht zur "Vatileaks"-Affäre, der dem Papst im Dezember überreicht wurde. Damals wies der Vatikan die Behauptung zurück, dass homosexuelle Seilschaften eine Rolle in dem Papier spielten.
Der Vatikan wollte die Veröffentlichung des Protokolls nicht kommentieren. "Die Begegnung des Papstes mit den Vorstandsmitgliedern von CLAR hatte privaten Charakter", sagte Sprecher Federico Lombardi. Deshalb äußere er sich nicht über die Inhalte der Unterredung.
CLAR distanziert sich vorsichtig von dem Protokoll
CLAR selbst bedauerte die Veröffentlichung "zutiefst" und distanzierte sich vorsichtig von dem Protokoll. Die Konferenz versicherte, dass die Mitschrift ohnehin nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für die "persönliche Erinnerung" bestimmt gewesen sei. Sie beruhe auf den "Erinnerungen der Teilnehmer". Die wiedergegebenen Äußerungen könnten nur in einem allgemeinen, nicht jedoch im wörtlichen Sinne dem Papst zugeschrieben werden, stellte der Vorstand klar.
In dem Protokoll findet sich nicht nur die Äußerung über eine "Schwulen-Lobby" im Vatikan. Franziskus spricht demnach auch über Korruption im Vatikan und über Traditionalisten. Die Glaubenspraktiken aus der Zeit vor dem Konzil hätten sich überlebt, so der Papst. Zur Darbringung von 3.525 Rosenkränzen aus traditionalistischen Kreisen - als spirituellem Geschenk zu seiner Wahl - sagte Franziskus laut dem Protokoll: "Warum sagen die nicht einfach: 'Wir beten für Sie'?"
Von Thomas Jansen (KNA)