In "objektivem Widerspruch"
Der Text war zuvor bereits im Juni in der Zeitung "Die Tagespost" erschienen. Papst Franziskus stimmte der erneuten Publikation nun ausdrücklich zu, wie Radio Vatikan berichtete. Müller tritt darin zudem der Darstellung entgegen, eine Zulassung zu den Sakramenten sei aus Barmherzigkeit zu rechtfertigen. Papst Franziskus hatte Ende Juli mit Blick auf wiederverheiratete Geschiedene gesagt, es sei "die Zeit der Barmherzigkeit". Dies nährte Spekulationen, er könnte eine Änderung der kirchlichen Position in dieser Frage anstreben. Für Oktober 2014 hat Franziskus eine Sonderbischofssynode einberufen, die sich auch mit wiederverheiraten Geschiedenen befassen soll.
Eheannullierungen als möglicher Weg
Müller wandte sich in dem Beitrag mit dem Titel "Die Macht der Gnade" gegen eine Reduzierung der Debatte auf die Frage des Kommunionempfangs und forderte eine "umfassendere Pastoral" für diese Personen. Er deutete an, eine Ausweitung von Eheannullierungen sei ein möglicher Weg, um Personen, die in einer zweiten Ehe leben, die Wiederzulassung zu den Sakramenten zu ermöglichen.
Ehen seien wahrscheinlich häufiger ungültig, weil es oft "am Ehewillen im Sinn der katholischen Ehelehre mangelt und die Sozialisation im gelebten Raum des Glaubens gering ist". Eine Überprüfung der Gültigkeit der Ehe könne "zur Lösung von Problemen führen", so der Glaubenspräfekt. In diesem Sinne hatte sich zuletzt auch der Papst vor Priestern des Bistums Rom geäußert.
Müller verwies auf die kirchliche Lehre, nach der Lebensstand und Lebensverhältnisse von wiederverheirateten Geschiedenen in "objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche" stünden, "den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig" mache. Zudem würde eine Zulassung von Wiederverheirateten "Irrtum und Verwirrung" unter den Gläubigen "hinsichtlich der kirchlichen Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe" stiften.
Müller berief sich auf das päpstliche Schreiben "Familiaris consortio" von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1981. Dieses sei bis heute "grundlegend" für den Umgang mit wiederverheiraten Geschiedenen. Auch das ausdrückliche Verbot für Geistliche, wiederverheirateten Geschiedenen die Sakramente zu spenden, bestehe nicht aus "legalistischem Zwang", sondern aus sakramententheologischen Gründen.
Handreichung sorgte für neuerliche Debatte
Die neuerliche Debatte um die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen wurde durch eine Handreichung des Erzbistums Freiburg ausgelöst. Diese soll ihrem Titel zufolge Seelsorger bei der "Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung" unterstützen. Unter anderem weist sie Wege auf, wie eine Zulassung zu den Sakramenten und kirchlichen Ämtern möglich wäre.
Die Handreichung liegt mittlerweile in einer zweiten, überarbeiteten Auflage vor. So wurden unter anderem Zitate von Papst Franziskus und Papst Benedikt XVI. ergänzt, das Wort "zivil" im Kontext der Wiederheirat ergänzt sowie die Vorschläge für ein gemeinsames Gebet von Wiederverheirateten präzisiert. Laut Bistumssprecher Robert Eberle handelt es sich bei der zweiten Auflage um eine "Nachjustierung". Es sei von Beginn an klar gewesen, dass die erste Fassung nicht perfekt sei, sagte er gegenüber katholisch.de.
Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch selbst hatte die Handreichung Anfang Oktober als einen "Diskussionsbeitrag für die Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz" bezeichnet. Dieser "vorläufige Impuls" solle aber keineswegs die Überlegungen auf Bundesebene vorwegnehmen, so Zollitsch, der das Bistum als Apostolischer Administrator leitet, nachdem der Papst Mitte September seinen altersbedingten Amtsverzicht angenommen hatte.
"Nicht abgeschlossener Prozess"
Zudem seien bei dem "insgesamt nicht abgeschlossenen Prozess der Neuausrichtung des pastoralen Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen" grundsätzliche Klärungen auf weltkirchlicher Ebene notwendig, hatte Zollitsch einem Brief an die katholischen Bischöfe Deutschlands geschrieben.
Weiter schrieb der Erzbischof, das Papier sei zu früh und ohne sein Wissen vorab veröffentlicht und in den Medien meist zugespitzt und vereinfachend dargestellt worden. Das werde dem "sensiblen Thema" nicht gerecht.
Laut Bistumssprecher Eberle werde die aktuelle Version nun von den Seelsorgern im Erzbistum gelesen und diskutiert. Später werde sich dann zeigen, wie sie in der Praxis Anwendungen findet. (meu/KNA/dpa)