Müller kritisiert Handreichung
Müllers Schreiben an Zollitsch, der zugleich Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, erscheint im Wortlaut am Dienstag in der "Tagespost". Der Brief wurde bereits vor einigen Wochen verfasst und ging offenbar in Kopie an alle deutschen Ortsbischöfe. Er diente damals als Begleitschreiben zu einem Grundsatzartikel, den Müller am 23. Oktober in der Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano" veröffentlichte.
Wie aus dem Schreiben weiter hervorgeht, hatte der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Perisset, Müller über die Freiburger Handreichung informiert. Diese sieht für wieder verheiratete Geschiedene unter bestimmten Umständen eine Zulassung zu den Sakramenten ohne vorherige Ehe-Annullierung vor.
Darüber hinaus regt sie eine rituelle Feier für die zweite, zivil geschlossene Verbindung an. Das Schreiben hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Zollitsch bezeichnete es daraufhin als bloßen "Entwurf" , der noch nicht endgültig verabschiedet sei.
Den Papst persönlich informiert
Müller führt in seinem Schreiben an Zollitsch aus, dass er persönlich Papst Franziskus über den Vorgang informiert habe, "weil der Text nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen der Welt Fragen aufgeworfen und in einer pastoral delikaten Problematik zu Verunsicherungen geführt hat". In Abstimmung mit dem Papst habe er dann am 23. Oktober die Lehre der Kirche zur Ehe, zur Scheidung und zu den Sakramenten im "Osservatore Romano" zusammengefasst.
Inhaltlich bescheinigt Müller dem Freiburger Entwurf "richtige und wichtige pastorale Hinweise". Jedoch sei er "in der Terminologie unklar" und stimme "in zwei Punkten nicht mit der kirchlichen Lehre überein". Der erste Punkt sei die Annahme, dass die in einer neuen Verbindung Lebenden sich nach einem Seelsorgegespräch entscheiden dürften, doch die Sakramente zu empfangen, und dass diese Entscheidung vom Pfarrer und von der Gemeinde zu respektieren sei.
„Ich hoffe, dass wir in dieser delikaten Frage pastorale Wege gehen, die ganz mit der Glaubenslehre der Kirche übereinstimmen.“
Dazu erklärt Müller unter Verweis auf die Lehren von Johannes Paul II. und Benedikt XVI.: "Im Gegensatz zu dieser Auffassung betont das Lehramt der Kirche, dass die Hirten die verschiedenen Situationen gut unterscheiden und die betroffenen Gläubigen zur Teilnahme am Leben der Kirche einladen sollen, bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen."
Ebenso klar verurteilt der Präfekt die Anregung in der Freiburger Handreichung, für eine solche Verbindung ein kirchliches Gebet mit liturgischen Elementen abzuhalten. Feiern dieser Art seien von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ausdrücklich untersagt worden.
Päpste als Beleg
Müller zitiert in diesem Kontext das Schreiben "Familiaris consortio" aus dem Jahr 1981, in dem der Papst nach einer Bischofssynode zum Thema Familie formulierte: "Die erforderliche Achtung vor dem Sakrament der Ehe, vor den Eheleuten selbst und deren Angehörigen wie auch gegenüber der Gemeinschaft der Gläubigen verbietet es jedem Geistlichen, aus welchem Grund oder Vorwand auch immer, sei er auch pastoraler Natur, für Geschiedene, die sich wiederverheiraten, irgendwelche liturgischen Handlungen vorzunehmen. Sie würden ja den Eindruck einer neuen sakramental gültigen Eheschließung erwecken und daher zu Irrtümern hinsichtlich der Unauflöslichkeit der gültig geschlossenen Ehe führen."
Auch Benedikt XVI. habe 2007 in seinem Lehrschreiben "Sacramentum caritatis" erklärt, dass es "in jedem Fall zu vermeiden ist, diese Verbindungen zu segnen, damit unter den Gläubigen keine Verwirrungen in Bezug auf den Wert der Ehe aufkommen".
Der Präfekt der Glaubenskongregation beschließt sein Schreiben an Zollitsch mit dem Hinweis, er hoffe, "dass wir in dieser delikaten Frage pastorale Wege gehen, die ganz mit der Glaubenslehre der Kirche übereinstimmen".
Reaktion von Zollitsch steht noch aus
Eine Reaktion Zollitsch auf die Kritik steht noch aus. "Wie Erzbischof Robert Zollitsch mit der Post von Erzbischof Gerhard Ludwig Müller umgeht, wird sich zeigen", erklärte der Sprecher der Erzdiözese, Robert Eberle, am Dienstag auf Anfrage.
Eberle betonte, im Erzbistum vertrauten die Menschen auf Papst Franziskus, der dazu ermutige, neue Wege zu gehen. Eberle erinnerte an eine Äußerung des Papstes vor lateinamerikanischen Ordensleuten: "Macht euch keine Gedanken, wenn dann ein Brief von der Glaubenskongregation kommt, sie hätten dies und jenes angeordnet. Macht euch keine Sorgen. Erklärt ihnen, was ihr erklären müsst, aber geht weiter. Öffnet Türen. Mir ist eine Kirche lieber, die mal einen falschen Schritt tut, als eine, die vor lauter Abgeschlossenheit krank wird."
Zudem wies Eberle auf die Aussage des Münchner Kardinals Reinhard Marx hin. Bereits vor einigen Tagen hatte der Münchner Kardinal Reinhard Marx die Debatte über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen als völlig offen bezeichnet und sich gegen Erzbischof Müller gestellt. "Der Präfekt der Glaubenskongregation kann die Diskussion nicht beenden", sagte Marx am vergangenen Donnerstag zum Abschluss der Freisinger Bischofskonferenz. "Wir werden erleben, dass das diskutiert wird in der ganzen Breite; mit welchem Ergebnis, weiß ich nicht", sagte Marx.
Der Kardinal betonte, dieses Thema werde sowohl bei der Sonderbischofssynode im Oktober 2014 in Rom sowie bei der darauffolgende Synode ein Jahr später zum Thema Familie eine Rolle spielen. Entscheidend sei, die Realität wahrzunehmen. Dies habe er auch Papst Franziskus gesagt. Der Fragebogen aus dem Vatikan könne dazu beitragen. (meu/KNA)