Allenfalls in Einzelfällen
Papst Franziskus lobte Kaspers theologischen Vortrag ausdrücklich. Der Vatikan wollte das Referat freilich nicht im Wortlaut veröffentlichen - und Kasper selbst sich nicht zum Inhalt äußern. Einzelne Passagen wurden dennoch publik, vor allem durch das Internetportal "Vatican Insider".
Kaspers These: Eine generelle Lösung für eine Sakramentenzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen könne es nicht geben. Wohl aber könne man differenziert über Einzelfälle nachdenken, die sich etwa an Aussagen und der Praxis der frühen Kirche orientierten. Denn dort gab es - etwa für Christen, die ihre Taufe in der Verfolgung verraten hatten - die Möglichkeit, nach einer Zeit der kanonischen Buße eine Art zweiter Taufe zu empfangen: nicht eine Taufe mit Wasser, sondern mit den "Tränen der Reue". Analog dazu müsse man fragen, ob es nicht auch einen Weg für Menschen geben könnte, die nach einer Ehe ihr Scheitern erkannt hätten, die sich bekehrten, die keine Verpflichtungen mehr aus der früheren Verbindung hätten, wohl aber aus der neuen - und die sich ernsthaft nach dem Sakrament der Eucharistie sehnten.
Kein genereller Weg für alle
Dies könne freilich kein genereller Weg für alle sein, so der Kardinal. Eine solche Lösung könne nicht die Masse der Geschiedenen und zivilrechtlich Wiederverheirateten betreffen, sondern allenfalls einen kleinen Teil. Denn die Kirche könne keine Lösung anbieten, die sich von den Weisungen Jesu unterschiede oder ihnen widerspreche, so Kasper. Von der Unauflöslichkeit einer sakramental geschlossenen Ehe und der Unmöglichkeit einer neuen Ehe zu Lebzeiten eines Partners könne die Kirche nicht abrücken, stellte er klar. Man könne sie nicht unter dem Anspruch einer Barmherzigkeit auflösen; denn Barmherzigkeit und Treue gehörten zusammen. Barmherzigkeit zu einem billigen Preis könne es nicht geben.
Allerdings: Bei aller Treue zur kirchlichen Lehre könne er sich auch Öffnungen vorstellen, so der Kardinal. Er verwies auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) vor 50 Jahren. Auch damals schienen aufgrund von Enzykliken oder anderen offiziellen Entscheidungen etwa im Bereich der Ökumene oder der Religionsfreiheit andere Wege undenkbar. Dennoch habe das Konzil Türen geöffnet, ohne die dogmatische Tradition der Kirche zu verletzen. Man müsse daher prüfen, ob nicht analog dazu eine Weiterentwicklung auch in der Problematik der wiederverheirateten Geschiedenen möglich sei, ohne von der bindenden Tradition des Glaubens abzurücken.
Kirchenrecht im Wandel
Kasper verwies auch auf das Kirchenrecht, das in der Fassung von 1917 in solchen Fällen von Bigamie oder öffentlichem Konkubinat sprach, das zur Exkommunikation führen könnte. Der neue Kirchenrechtskodex von 1983 mache dagegen deutlich, dass die Betroffenen nicht exkommuniziert, sondern Teil der Kirche seien.
In einer Erleichterung von Ehenichtigkeitsverfahren sieht Kasper, an dessen Vortrag sich eine längere Diskussion anschloss, keinen ehrlichen Weg für eine Lösung dieser Fragen. Damit würde man letztlich unter getarnter Form eine Scheidung für Katholiken erlauben.
Dabei gab der deutsche Theologe auch zu bedenken, dass nach Aussagen der Glaubenskongregation und auch von Benedikt XVI. wiederverheiratete Geschiedene zwar nicht die sakramentale Kommunion empfangen könnten, wohl aber die geistige Kommunion - wenn sie entsprechend vorbereitet seien. Wer aber die geistige Kommunion empfange, sei "eins mit Christus". Warum könnte er dann nicht auch die sakramentale Kommunion empfangen, fragte der Kardinal.
Von Johannes Schidelko (KNA)