Chilenischer Widerstand
Bischof Juan de la Cruz Barros Madrid kämpft um seinen Ruf. Er habe bis 2009 nichts von den Missbrauchsvorwürfen gegen den heute 84-jährigen Priester Fernando Salvador Miguel Karadima Farina, einen 2011 vom Vatikan verurteilten Missbrauchstäter, gewusst. Und er habe nichts zu vertuschen versucht, erklärte Barros in dieser Woche. Unterstützung erhielt der 58-Jährige von der Chilenischen Bischofskonferenz, die Barros zumindest formal den Rücken stärkte.
In einer am Mittwoch (Ortszeit) verbreiteten Stellungnahme der Bischöfe heißt es in drei dürren Absätzen, sie betonten "in einer Gesinnung des Glaubens und des Gehorsams" ihre Verbindung mit Papst Franziskus, "der Mons. Barros zum Bischof von Osorno berufen hat".
Zwischen den Zeilen Kritik am Vatikan?
Zugleich betonten sie ihre "Nähe" zu den Klerikern und Laien des Bistums, die berufen seien, "in Gemeinschaft mit ihrem Hirten" Jesu Schüler zu sein. Und sie versichern die Gläubigen und den Bischof ihres Gebets. Manche Beobachter lesen aus dem Kommunique zwischen den Zeilen eine Prise Kritik am Vatikan für die Ernennung heraus.
Franziskus hatte den ehemaligen Militärbischof Barros am 15. Januar zum neuen Bischof von Osorno berufen. Das Amt in der Provinzstadt am Südzipfel des Kontinents soll Barros an diesem Samstag antreten.
Doch die Personalie birgt Sprengstoff, wie nicht zuletzt ein offener Brief von 51 chilenischen Abgeordneten zeigte, den sie Mitte Februar an Franziskus sandten. Darin fordern sie den Papst auf, seine Entscheidung zu überdenken.
Kritiker werfen Barros vor, er sei als junger Priester Augenzeuge von sexuellen Übergriffen Karadimas an Jugendlichen gewesen. Später habe er Briefe zerrissen, in denen Karadima beschuldigt wurde.
Längst ist der Fall über Chile hinaus bekannt
Karadima war von den 1950er-Jahren bis 2006 in der Hauptstadt Santiago de Chile in der Jugendarbeit tätig. Ein weltliches Strafgericht in Santiago stellte 2011 ein Verfahren wegen Verjährung ein. Richterin Jessica Gonzalez erklärte damals, sie halte die Vorwürfe für "glaubhaft und verlässlich". Bei ihren Ermittlungen hatte die Richterin damals auch Barros befragt, der aber eine Verwicklung konsequent abstritt.
Internationale Medien sehen den Streit gar als einen Härtetest für die Null-Toleranz-Strategie von Franziskus im Kampf gegen sexuellen Missbrauch. Karadima ist dabei zu einer Symbolfigur geworden.
Betroffene werfen auch den Kardinälen Francisco Javier Errazuriz Ossa (81), Mitglied in dem von Franziskus einberufenen Kardinalsrat zur Kurienreform und emeritierter Erzbischof von Santiago, sowie seinem Nachfolger Ricardo Ezzati Andrello (73) vor, von dem Fall gewusst zu haben. Beide widersprechen dieser Darstellung.
„Die einzige Lösung dieses Konflikts ist, dass Barros zurücktritt“
Wie aufgeheizt die Stimmung in der Diözese ist, die Bischof Barros leiten soll, zeigte eine Demonstration in Osorno am Mittwoch: "Die einzige Lösung dieses Konflikts ist, dass Barros zurücktritt", sagte Juan Carlos Claret, Sprecher der Demonstranten. Der Bischof habe keine moralische Autorität mehr, das Amt auszuüben. Eine Lösung scheint nicht in Sicht. Obwohl Barros seine Unschuld beteuert, nehmen ihm viele Gläubige das nicht ab.
Staatsbürgerschaft entzogen
In einem anderen Fall setzte inzwischen der chilenische Senat ein Zeichen. Er entzog am Mittwoch (Ortszeit) dem wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Priester John O'Reilly die Staatsbürgerschaft, die ihm das Parlament wegen seines Engagements im Bildungssektor 2008 verliehen hatte. Der irische Geistliche, der ein damals siebenjähriges Mädchen als Schulseelsorger missbraucht haben soll, zählte wegen seiner Kontakte zu reichen Familien und seiner Vergangenheit als TV-Pfarrer zu den prominentesten Geistlichen des Landes.
Unterdessen gründeten Missbrauchsopfer aus ganz Lateinamerika das Netzwerk "Unidos", mit dem sie gemeinsam ihre Rechte durchsetzen wollen. Bislang sind Opfer aus Argentinien, Chile, Mexiko, Peru und der Dominikanischen Republik der Vereinigung beigetreten. Sie dringen auf eine Aufarbeitung der Verbrechen und wollen, falls möglich, juristisch gegen die Täter vorgehen.
Von Tobias Käufer (KNA)