Indianer aus dem Vatikan
Die Schau "Tecumseh, Keokuk, Black Hawk - Indianerbildnisse in Zeiten von Verträgen und Vertreibung", die vom 1. Oktober bis 2. März 2014 in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gezeigt wird, ist indirekt eine Frucht der Kooperation mit dem Vatikan anlässlich der Raffael-Ausstellung 2011. Standen damals weltberühmte Madonnenbildnisse im Mittelpunkt, geht es jetzt um Werke, die selbst innerhalb der Vatikanischen Museen während einer vier Jahrzehnte währenden Renovierung der Völkerkunde-Abteilung in Vergessenheit gerieten.
Ortswahl mit Symbolkraft
Dennoch weit anderes als ein Kuriosum: Ein "Mahnmal gegen Völkermord" nennt Arnold Nesselrath, einer der Direktoren der Vatikanischen Museen, die 33 Büsten, Statuen, Reliefs und plastische Entwürfe in terrakottafarbenem Gips. Nesselrath verweist auf die erste Ausstellung der Figuren durch Papst Pius IX. 1859 im Lateranpalast. Die Ortswahl am historischen Amtssitz der Päpste besaß Symbolkraft: Sie sollte das moralische Gewicht der Kirche gegen die physische und kulturelle Vernichtung der Indianer in die Waagschale werfen.
Die Dresdner Schau, kuratiert von Iris Edenheiser, zeigt Pettrichs Werke eher unter ethnografischem und kunsthistorischem Aspekt. Das macht sie nicht weniger aufrüttelnd. Schwer, sich der Wirkung des lebensgroßen Bildnisses von Tecumseh (1758-1813) zu entziehen: Pettrich stellt ihn halb liegend dar, tödlich getroffen von Kugeln in Brust und Stirn. Den Kopf mit geschlossenen Augen geneigt, stützt er sich auf seinen Tomahawk: ein sterbender Feldherr voller Würde und Adel, kein besiegter Wilder.
Eine Legende
Als Pettrich die Skulptur schuf, war der Führer der Indianer-Konföderation, der in der Schlacht am Thames River am 5. Oktober 1813 fiel, längst eine Legende. Das machte es dem Künstler leichter, ihn überhöht und in Anlehnung an ein berühmtes antikes Vorbild darzustellen: den "Sterbenden Gallier" vom römischen Kapitol.
Rom war künstlerisch wie biografisch ein Angelpunkt für Pettrich: 1798 als Sohn des Bildhauers Franz Pettrich in Dresden geboren, studierte er dort ab 1819 bei Bertel Thorvaldsen. 1826 trat er in das Atelier Martin von Wagners ein, um an der Ausstattung der deutschen Weihestätte Walhalla mitzuarbeiten; ein Versuch, in Athen Fuß zu fassen, verlief glücklos. Schließlich ermutigte ihn Thorvaldsen zum Schritt über den Atlantik. Bei ihrem letzten Spaziergang am Tiber mahnte ihn Thorvaldsen, "der Nachwelt die Gestalten der nachgehend aussterbenden Indianerstämme plastisch zu überliefern".
Eine hilflose Geste
1835 reiste Pettrich mit seiner Familie nach Nordamerika. Sein Sujet waren immer wieder Verhandlungsführer und politische Eliten der Eingeborenenstämme, aber auch einfache Leute. Pettrich erlebte Anfeindungen. Anfang 1843 stach ihn in Boston ein Freimaurer nieder; er floh nach Rio de Janeiro. Dort entstand auf der Grundlage von Zeichnungen sein "Indianisches Museum". Was ihn dazu trieb, bleibt letztlich im Dunkeln. Fest steht, dass er die Ureinwohner Nordamerikas mit neugieriger Sympathie betrachtete: Seine Skulpturen gewinnen ihre Eindringlichkeit durch die Verbindung von völkerkundlichem Interesse, humanitärem Anliegen und klassizistischer Stilisierung.
In Rom erkannten die Künstlerkollegen Peter von Cornelius und Friedrich Overbeck die Bedeutung des amerikanischen Werks von Pettrich. In einem Brief an Pius IX. verwandten sie sich für seine Porträts der "Stämme der Wilden", die "der kalte Egoismus einer Nation, die sich christlich nennt, schon fast vom Angesicht der Erde ausgelöscht hat". Der Hinweis fand Gehör. Pettrich vermachte dem Papst seine "bildhauerische Studien über die Rassen der Eingeborenen" - nach einem vatikanischen Aktenvermerk "mit dem lebhaften Wunsche, in der Hauptstadt der Welt die letzten Reste einer aussterbenden Rasse bewahrt zu sehen". Pius IX. zeigte sie der Weltöffentlichkeit. Es blieb eine hilflose Geste.
Von Burkhard Jürgens (KNA)