Caritas-Projekt für junge Roma-Frauen in Wuppertal

Nur nicht wie Mama werden

Veröffentlicht am 11.09.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
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Gesellschaft

Wuppertal ‐ Sunita war 14 Jahre alt, da wurde sie zum ersten Mal schwanger. Als sie ihre Tochter in einem deutschen Krankenhaus zur Welt brachte, nahm man ihr das Kind weg und gab es zu einer Pflegefamilie. Die Begründung: Sie sei noch nicht in der Lage, für ihr Kind zu sorgen. Heute ist Sunita 19 und Mutter von drei weiteren Kindern. Auf dem Schoß sitzt die neun Monate alte Celina, im Frühstücksraum des Internationalen Begegnungszentrums der Caritas Wuppertal.

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Ihr schwarzes Haar hat Sunita zu einem Pferdeschwanz gebunden, große Bronzeringe baumeln an ihren Ohren. Wenn sie spricht, beugt sie sich vor, als wolle sie einem ein Geheimnis anvertrauen. "Ich bin alleinerziehend", raunt sie. Ihre dunklen Augen blicken ihr Gegenüber direkt an. Auch ihren zweiten Sohn habe man in ein Heim gesteckt, ein weiterer gehe in den Kindergarten. Die kleine Celina auf ihrem Schoß klatscht in die Händchen. Geschichte wiederholt sich: Denn auch Sunita selbst saß vor einigen Jahren in dem Caritas-Zentrum als Kind auf dem Schoß ihrer Mutter.

Aufenthaltsrecht und psychologische Betreuung

Bereits damals kümmerte sich Sozialarbeiterin Elisabeth Cleary um die Roma-Frauen. Seit 25 Jahren arbeitet sie mit den Migrantinnen zusammen, die ihr großes Vertrauen entgegenbringen. Nun hat sie mit anderen Caritas-Mitarbeiterinnen das Projekt "Mamica" gestartet, was in den slawischen Sprachen so viel heißt wie "Mutter". Sie unterstützen derzeit etwa 20 Roma-Frauen mit ihren Kindern. Die Mütter kommen aus dem Kosovo, Serbien, Albanien oder Mazedonien. Ziel ist es, sie in die Gesellschaft einzubinden.

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Acu Romni Sanella und mit ihre Schwester Sazina suchen bei Mamica in Wuppertal Untersützung.

Das Projekt ist in drei Bereiche geteilt. Neben einer Schwangerenberatung gibt es Erziehungstipps und einen Fachdienst, der die Frauen über das Aufenthaltsrecht informiert. Um ihnen ganzheitlich zu helfen, arbeiten Psychologinnen, Hebammen und Sozialpädagoginnen zusammen.

Die größte Angst hätten die Frauen vor ihrer Abschiebung, so Cleary. Nach der Ablehnung des Asylantrags lebten viele von ihnen jahrelang in der Duldung. Täglich müssten sie mit der Rückführung in ihre Heimatländer rechnen. Die Frauen bekämen deshalb regelrechte "Migrationskrankheiten" wie Kopf- oder Bauchschmerzen, so Cleary. Um dauerhaft ein Bleiberecht zu bekommen, müssten sie sich integrieren. Und das heißt: Arbeiten und die Kinder in die Schule schicken. "Doch wie sollen sie arbeiten, wenn sie gar keine Arbeitserlaubnis haben?", fragt Cleary. Viele Roma-Familien lebten daher von Sozialhilfe.

Ein Hauptproblem ist, dass viele Frauen wie Sunita bereits im Jugendalter schwanger werden. Das hindert sie daran, in die Schule zu gehen. Im Caritas-Zentrum können sie zumindest Deutschkurse besuchen. Und um den Teufelskreis zu durchbrechen, versuchen die Helferinnen die Frauen davon zu überzeugen, ihre Söhne und Töchter in die Schule zu schicken. "Zu den Kindern sagen wir dann: Willst du so werden wie deine Mutter, die weder lesen noch schreiben kann?", so Cleary.

Angeleitete Integration

Zudem zielt das Caritas-Projekt darauf ab, die Roma-Familien in das soziale Gefüge der Stadt einzubinden - etwa, indem die Caritas sie auf öffentliche Spielplätze führt, mit ihnen Zoo-Besuche macht und sie mit anderen sozialen und medizinischen Einrichtungen in Kontakt bringt. Da viele Roma mangels Krankenversicherung eine dürftige Gesundheitsversorgung haben, gibt die Caritas finanzielle Hilfestellung. Auch Arztbesuche werden organisiert.

"Wichtig ist die humanitäre Hilfe vor Ort", betont der Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands Wuppertal, Christoph Humburg. "Wir können die Situation der rund 1.000 Roma in Wuppertal nur dann beurteilen, wenn wir uns die Einzelfälle ansehen". Für die Volksgruppe wünscht er sich europaweit bessere Rahmenbedingungen. "Wir brauchen gemeinsame Standards, die den Menschen ein humanitäres Bleiberecht verschaffen sowie das Recht auf Bildung und Arbeit", so der Sozialexperte. Anstatt den Frauen mit Vorurteilen zu begegnen, müsse man ihnen die Chance auf Arbeit geben, etwa in der Pflege. Humburg: "Wir klagen doch immer über den Fachkräftemangel."

Von Claudia Zeisel (KNA)