Amir K. hat sich entschieden, Christ zu werden

"Mein religiöses Leben ist jetzt komplett"

Veröffentlicht am 15.10.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Serie: Mein Glaube

Bonn ‐ Amir K. kam als Muslim nach Europa. Hier konnte der Iraner erstmals die Bibel in seiner Sprache lesen und fand darin etwas, das seinem Leben eine entscheidende Wendung gab.

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Amir K.* ist 2012 aus politischen Gründen aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Er ist alleinerziehender Vater und bekannte sich früher zum Islam. Doch nach seiner Ankunft in Deutschland begann Amir, sich für das christliche Leben zu interessieren. Auf seinem Weg zum Christentum wurde er von der katholischen Glaubensinformation Fides in Köln begleitet. Dort besuchte er auch den Kurs zur Vorbereitung auf die Taufe, das sogenannte Katechumenat. 2015 wurde Amir in der Kölner Kirche St. Aposteln getauft. Im Gespräch erzählt er von seiner Entscheidung für die Taufe.

Frage:  Wie kamen Sie nach Deutschland?

Amir K.: Zu Fuß, gemeinsam mit meiner Tochter. Ich bin alleinerziehend. Wir sind 2012 von Teheran nach Deutschland geflüchtet. Auf der Flucht sind wir auch in Ungarn gelandet. Wir wurden dort für einen Monat ins Gefängnis gesteckt. Das war eine schwere Zeit für mich. Aber es hatte auch etwas Gutes.

Frage: Inwiefern?

K.: In Ungarn habe ich das erste Mal in meinem Leben die Bibel gelesen. In meiner Muttersprache, auf Farsi. Im Iran gab es keine Bibel in persischer Sprache, aber in der ungarischen Gefängnisbibliothek konnte man sich welche ausleihen.

Frage: Was haben Sie damals in der Bibel gelesen?

K.: Ich habe das Alte und das Neue Testament komplett gelesen. Und ich habe darin so viel Freiheit gespürt. Vor allem bei dem, was Jesus gesagt hat. Auch er wurde von anderen geärgert, aber er hat das ausgehalten. Seine innere Freiheit hat mich tief beeindruckt. In der Zeit im Gefängnis hat mir das Lesen der Bibel sehr geholfen. Ich finde, der christliche Glaube atmet Freiheit. Und das war damals ganz neu für mich. Ich war von Geburt an Muslim. Mein Vater war Muslim, also war ich es auch. Ich habe mich mit dem Islam aber nicht beschäftigt. Als ich die Bibel gelesen habe, spürte ich eine solche Sehnsucht, die mich bis heute nicht mehr loslässt.

Bild: ©FIDES

Der politische Flüchtling Amir (Name geändert) bei seiner Taufe in der Osternacht 2015 in St. Aposteln in Köln.

Frage: Wie ging es dann nach der Ankunft in Deutschland weiter?

K.: Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich begonnen, mich für christliche Gemeinschaften zu interessieren. Ich kannte mich allerdings nicht aus und bin unter anderem auch bei den Zeugen Jehovas gelandet. Das war anstrengend und nicht normal. Die wollten zum Beispiel, dass ein Raucher sich nach jeder Zigarette wieder taufen lässt. Das wurde mir echt zu viel und ich bin dann wieder gegangen. Ich hatte eine armenische Bekannte im Iran, die einen katholischen Priester im Iran kannte. Mit dem habe ich dann Kontakt aufgenommen. Er hat mir alle meine Fragen zum christlichen Glauben beantwortet. Er hat eine katholische Webseite in persischer Sprache. Und dann habe ich die Entscheidung getroffen, auch Christ zu werden. 

Frage: Sie wollten sich taufen lassen?

K.: Ja. Ich habe in Hürth-Gleuel eine katholische Kirchengemeinde gefunden und Menschen, die ihren Glauben gelebt haben und mir davon erzählt haben. Auch die Caritas hat mich unterstützt und Hinweise gegeben. Bei der Katholischen Glaubensinformation FIDES wurde ich dann ganz konkret auf die Taufe vorbereitet. Am 4. April 2015 in der Osternacht in St. Aposteln in Köln war meine Taufe. Jetzt heiße ich Matthäus. Für mich hat damit ein neues Leben begonnen. Das war wie Weihnachten für mich. Mir wurde ein neues Leben geschenkt. Danach war ich ein neuer Mensch. Ich habe viel falsch gemacht in meinem Leben davor. Jetzt fühlt sich alles richtig an, so als hätte ich ein Haus auf festem Boden gebaut. Endlich.

Frage: War das einfach, sich taufen zu lassen?

K.: Eine Frage, die mir bei FIDES Glaubensinformation am Anfang gestellt wurde, als ich mich vorgestellt hatte, war: Wollen Sie sich taufen lassen, weil Sie sich Erleichterungen beim Asylverfahren erhoffen?

Frage: Was war Ihre Antwort?

K.: Nein, ich bin ein politischer Asylbewerber. Im Iran gibt es so viele Probleme für Christen. Es ist eine Provokation, wenn du zum Christentum konvertierst. Wenn ich zurückgehen würde, wäre es dort als Christ sehr schwer für mich. Ich wollte diese Entscheidung Christ zu werden, ganz bewusst treffen und aus Freiheit tun.

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Bei Pfarrer Gottfried Martens ist es jeden Sonntag fast wie Weihnachten. In der Dreieinigkeitskirche im Berliner Stadtteil Steglitz sind die Bankreihen dicht besetzt, und auf der Empore verfolgen etliche Männer den Gottesdienst sogar im Stehen. Doch nicht nur von der Zahl der Besucher her unterscheidet sich der unscheinbare Bau aus den 20er Jahren von anderen evangelischen Kirchen Berlins, sondern auch von der Herkunft der Gläubigen. (Artikel von 2015)

Frage: Wie haben Sie sich auf die Taufe vorbereitet?

K.: Ich war ein Jahr bei der FIDES und habe mich gemeinsam mit anderen Taufbewerbern auf den Weg vorbereitet. Wir haben über christliche Gebete gesprochen, den Ablauf der Taufe, die Bibel und die Feste im Kirchenjahr und über den Unterschied zwischen evangelisch und katholisch. Außerdem gehe ich jeden Sonntag in den Gottesdienst in die Liebfrauenkirche in Köln. Das ist wie Heimat für mich. Die Gemeinde dort ist wie eine große Familie. Nach dem Gottesdienst fühle ich mich immer wie frisch gewaschen. Früher hatte ich keine Religion, jetzt bin ich glücklich, weil ich dazugehöre.

Frage: Was mögen Sie am katholischen Glauben?

K.: Ich liebe Jesus und ich liebe seine Mutter, Maria. Sie ist eine so gute Frau. Von Jesus habe ich gelesen, dass er gesagt hat, man muss allen Menschen helfen, egal, welcher Religion sie angehören. Das finde ich stark. Und es gibt diese Geschichte in der Bibel, wo Jesus seinen Freunden die Füße wäscht. Das sagt mir, alle Menschen sind gleich. Es gibt keine Unterschiede.

Frage: Es gibt keine Unterschiede?  

K.: Als Christ würde es mir im Iran nicht gut gehen. Ich nehme meinen Glauben ernst und vertraue darauf, dass Gott immer bei mir ist. Ich habe keine Angst. Gott hilft mir weiter.

Frage: Und wie stellen Sie sich Gott vor?

K.: Gott ist wie ein Vater, ein guter Vater für die ganze Welt. Wenn eine Familie einen guten Vater hat, gibt es eine gute Energie in der Familie. Meine Frau ist bei der Geburt unserer Tochter Niousha gestorben. Deshalb versuche ich meiner Tochter wie ein guter Vater und wie eine gute Mutter zu sein. So ist Gott auch zu den Menschen. Der persische Name meiner Tochter bedeutet übersetzt "gute Zuhörerin". Niousha ist in diesem Jahr auch getauft worden. Mit ihrer Taufe ist mein religiöses Leben jetzt komplett.

* Anmerkung:

"Amir K." ist nicht der tatsächliche Name unseres Gesprächspartners. Aus Angst vor Anfeindungen und Übergriffen hatte Fides darum gebeten, ihn anonym zu interviewen.
Von Madeleine Spendier

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