Schwester Birgit Stollhoff über das heutige Sonntagsevangelium

Jesus prasst mit dem Zöllner

Veröffentlicht am 30.10.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Ausgelegt!

Bonn ‐ Wer kennt es nicht, das Evangelium von Jesus im Haus des Zachäus? Für Schwester Birgit Stollhoff ist es eine ihrer Lieblingsgeschichten, weil Jesus gängige Vorurteile widerlegt, als er mit dem Zöllner isst.

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Impuls von Schwester Birgit Stollhoff

"Jesus bei Zachäus" ist eine meiner Lieblingsgeschichten – weil sie gleich drei gängige Meinungen widerlegt! Die Eine: Man darf sich über reiche Leute, Mächtige, Fremde oder sonst unsympathische Menschen lustig machen, indem man über ihr Äußeres herzieht. Die Nächste ist: Religion und Glaube sind nur was für Spielverderber. Und schließlich: Kritik verändert Menschen zum Besseren.

Jesus verhält sich hier so ganz anders!

Gleich am Anfang hätte er die Gelegenheit, sich über Zachäus lustig zu machen. Zu den Pharisäern sagt Jesus klare, oft scharfe Worte. Warum macht er das bei Zachäus nicht? Zachäus begrüßt er wie einen alten Bekannten – so etwa "Mach dich hier nicht zum Affen, wir sind zum Feiern verabredet – komm!" Jesus spricht ihn vor allen Leuten laut und direkt an. "Noch heute muss ich Dein Gast sein!" – Wenn das mal keine Freundschaftsanfrage ist.

Und dann? Dann feiert Jesus mit dem unsympathischen neureichen Zöllner! Das muss man sich mal vorstellen: feinstes Essen, Gänge-Menü, edler Wein, beste Importwaren aus verschiedenen Ländern…  Jesus prasst mit dem Reichen! Klingt skandalös – und ist aber doch eigentlich inzwischen der Normalfall in Europa. Wenn wir heute beten "Komm, Herr Jesus, sei unser Gast" – dann reden wir nicht von einem Rest Brot und Fisch, sondern von umfangreichen, abwechslungsreichen Mahlzeiten. Das Abendmahl, das Christus feiert, die Hochzeit in Kana und andere – zum Glück waren da Reiche dabei, sonst hätten wir satte Europäer bei der Eucharistiefeier nichts zu suchen! Jesus braucht alle Menschen, Jesus verurteilt die Reichen nicht per se. Ich habe in der Bibel mal nachgezählt: Über die Pharisäer, die Frommen, schimpft er öfter als über die Reichen, an sie hat er erheblich höhere Maßstäbe.

Am besten gefällt mir der Schluss. Warum hebt Jesus da nicht den Zeigefinger und sagt "Und jetzt Zachäus, könntest Du doch den Armen auch mal was abgeben!" In einer Sonntagspredigt habe ich diese Variante einmal gehört – und sie endete mit "Zachäus hörte schweigend zu und tat – nichts." Jesus kritisiert nicht, Jesus belehrt nicht, moralisiert nicht. Zachäus kommt hier von selber auf die Idee. Warum? Ich vermute, weil er eine größere Fülle erfahren hat, als er beim Mahl bieten konnte. Zachäus, dessen Aufgabe es ist, Menschen nach ihren Finanzen zu taxieren und der selber ausgegrenzt wird, erfährt, was es heißt, als Freund ohne Vorurteile angenommen zu werden. Er, der so viel Reichtum hat, findet in Jesus den Reicheren. Jesus hat das ganze Himmelreich anzubieten, Jesus liebt mit der bedingungslosen Liebe eines Gottes. Diese Liebe hat Zachäus verändert. Das ist das wahre Heil, der echte Segen für Zachäus, seine Familie und für alle Christen.

Wie gut, dass Jesus so mitgeprasst hat!

Von Sr. Birgit Stollhoff CJ

Evangelium nach Lukas (Lk 19, 1-10)

In jener Zeit kam Jesus nach Jericho und ging durch die Stadt. Dort wohnte ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war sehr reich.

Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus sei, doch die Menschenmenge versperrte ihm die Sicht; denn er war klein. Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste.

Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.

Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf. Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt.

Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.

Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.

Die Autorin

Sr. Birgit Stollhoff CJ gehört dem Orden Congregatio Jesu (auch bekannt als Mary-Ward-Schwestern) an, studiert Theologie im Fernstudium an der Universität Luzern und arbeitet in der Öffentlichkeits- und Medienarbeit ihres Ordens. Außerdem hilft sie an der Bar des Grandhotel Cosmopolis in Augsburg mit, das Asylbewerber und Reisende beherbergt.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.